Saarländische Kinder bleiben weg

Hermeskeil laufen die saarländischen Schüler davon. Diesen Eindruck legen die stark rückläufigen Anmeldezahlen von Kindern jenseits der Landesgrenze am Gymnasium und der neuen Integrierten Gesamtschule (IGS) nahe.

 Die Schulbusse, die am Hermeskeiler Donatusplatz Richtung Saarland abfahren, sind noch voll besetzt. Doch das könnte sich im Laufe der Jahre ändern. TV-Foto: Axel Munsteiner

Die Schulbusse, die am Hermeskeiler Donatusplatz Richtung Saarland abfahren, sind noch voll besetzt. Doch das könnte sich im Laufe der Jahre ändern. TV-Foto: Axel Munsteiner

Hermeskeil. Für Udo Moser ist die Sache klar. "Wir erleben gerade, dass am Standort Hermeskeil eine Abkehr von saarländischen Schülern erfolgt. Dieser Verlust bedeutet einen Rückschlag für unsere Funktion als Mittelzentrum." Was den Stadtbürgermeister zu dieser Aussage bewegt, sind die Neuanmeldungen für das Schuljahr 2010/11 am Gymnasium und der IGS.

14 Kinder von jenseits der Landesgrenze wurden am Gymnasium angemeldet. "Das ist die Hälfte weniger als normal", sagt Rektor Karl-Heinz Wortmann. Noch krasser ist der Einbruch im Schulzentrum. Von den 116 Kindern, die ab August die IGS besuchen, kommen nur vier aus dem Saarland. "Momentan haben wir in den fünften Klassen um die 25 Kinder von dort", so Realschulleiterin Christa Breidert. Über alle Klassen verteilt sind derzeit an Gymnasium und Realschule rund 30 Prozent der Schüler Saarländer.

Veränderung ist keine bloße Momentaufnahme



Moser vermutet, dass das keine Momentaufnahme bleibt. "Die Schülerströme werden sich ändern", sagt er. Auch Ulla Kolling vom Realschul-Elternbeirat sagt voraus, "dass nicht mehr so viele Saarländer kommen werden und Hermeskeil darunter leidet." Denn: "Wo die Kinder zur Schule gehen, bleiben auch die Eltern länger und erledigen dort Einkäufe oder Arztbesuche. Ist das nicht mehr der Fall, verlieren sie diesen Anziehungspunkt aus den Augen."

Doch warum wenden die Saarländer Hermeskeil den Rücken zu? Bei der Ursachenforschung wird immer wieder die IGS genannt. Das Land hatte deren Aufnahmekapazität auf 120 beschränkt. Obwohl mit höheren Zahlen gerechnet wurde, bekamen letztlich alle Kinder einen Platz.

Bernd Schütz, Leiter der Grundschule in Nonnweiler, hat von mehreren Eltern Rückmeldung bekommen, "dass sie die Aussicht abgeschreckt hat, dass ihr Kind in eine Lostrommel kommt". Deshalb hätten sie ihr Kind in Türkismühle oder Primstal angemeldet. Denn bei mehr als 120 Anmeldungen hätte es an der IGS in Hermeskeil ein Auswahlverfahren gegeben, bei dem saarländische Kinder schlechtere Karten als Schüler aus dem Kreis Trier-Saarburg gehabt hätten. Auch Kolling und Breidert haben solche Aussagen häufiger vernommen. Auch für die Zurückhaltung am Gymnasium könnte die Einführung der IGS eine Rolle spielen. Denn anders als bisher ist nach der Orientierungsstufe ein Wechsel vom Gymnasium an die neue IGS nicht mehr so leicht möglich. Abgesehen vom Wandel in der Schullandschaft ist noch ein Grund für die rückläufigen Anmeldezahlen aus dem Saarland verantwortlich. Und der lautet: Es verlassen weniger Kinder die Grundschule. In Nonnweiler gehen in diesem Sommer 67 Kinder ab. 2009 waren es noch 80.

Meinung

Abstimmung mit den Füßen

Ende gut, alles gut" haben viele gedacht, als es bei den Anmeldungen zur IGS nicht zum befürchteten Aussortieren von Kindern kam. Doch die Aussagen aus dem Saarland belegen: Vielen Eltern von dort wurde der Eindruck vermittelt, dass ihre Kinder keine Chance haben, wenn das Boot mit 120 Plätzen voll sein würde. Um sich das Losverfahren zu ersparen, haben sie eine Abstimmung mit Füßen gemacht und schicken ihre Kinder lieber an Schulen im eigenen Land. Verstetigt sich dieser Trend, dann wird sich auch im Alltag die noch starke Bindung vieler saarländischer Familien an die Hochwaldstadt lockern, was etwa die Geschäftsleute negativ zu spüren bekommen könnten. Stärker gemacht hat die Bildungsreform den Schulstandort Hermeskeil also wohl nicht. a.munsteiner@volksfreund.de

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