Dorfentwicklung Der 96-Jährige und die Rocker

SCHILLINGEN · Die Familie von Karl Geisen lebt schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Hochwaldort Schillingen. Sein ehemaliges Wohnhaus kaufte vor drei Jahren der Motorradclub Highway Indians, der dort sein Vereinsheim eingerichtet hat. Der frühere Bewohner hat sich nun angeschaut, was die Jungs in dem Haus so treiben.

 Allein unter Rockern: Der 96-jährige Karl Geisen (Mitte) fühlt sich sichtlich wohl unter den harten Jungs vom Motorradclub MC Highway Indians.

Allein unter Rockern: Der 96-jährige Karl Geisen (Mitte) fühlt sich sichtlich wohl unter den harten Jungs vom Motorradclub MC Highway Indians.

Foto: Herbert Thormeyer

Ein halbes Motorrad schaut aus der Fassade des alten Bauernhauses in der Trierer Straße 7 in Schillingen heraus. Ein Scherz, ein Stilbruch? Nein, es ist seit drei Jahren das Domizil des Motorradclubs Highway Indians und sozusagen das Aushängeschild.

Das Haus stammt aus dem 19. Jahrhundert. Kaum jünger ist der ehemalige Besitzer, Karl Geisen. Der 96-Jährige lebte und arbeitete von 1926 bis 1963 hier. Jetzt ist er zurückgekehrt um nachzuschauen, was aus dem ehemaligen Bauernhaus geworden ist.

Zum Empfang bauten MC-Präsident Uwe Jodes und seine Jungs zwei schwere Maschinen vor dem Haus auf. Karl Geisen wurde herzlich empfangen. Sofort kamen alte Erinnerungen hoch: „Wir haben hier Schweine, Hühner, Kühe und Ziegen gehalten. Schon als Jugendlicher bin ich mit dem Ochsenfuhrwerk aufs Feld zum Pflügen und Säen.“

Nebenan war die Filiale der elterlichen Metzgerei. Seit 1860 gab es im Haus eine Gastwirtschaft, sogar mit Fremdenzimmern.

Der Motorradclub baute viel um. Es gibt eine Außentreppe, die direkt in den Saloon mit Kicker, Billard und Theke führt. Ein großes Indianerporträt fällt ins Auge, für die Motorradfreaks das Symbol für Ehrlichkeit, Treue, Respekt und Zusammenhalt.

„Leider hatten wir einen Wasserschaden und müssen vieles wieder erneuern“, bedauert Präsident Jodes, dessen Frau Petra das einzige weibliche Mitglied des Motorradclubs ist. „Und das bleibt auch so“, ist der Vorstand fest entschlossen. Der Club wolle sich „Unruhe“ in seinen Reihen ersparen, sagt Jodes.

Für die leidenschaftlichen Motorradfahrer hat ein eigenes Domizil eindeutige Vorteile. „Wir waren schon in mehreren angemieteten Häusern. Als wir alles tiptop renoviert hatten, durften wir wieder gehen“, ärgert sich Jodes bis heute.

Umfangreich renoviert wurde auch in der Trierer Straße 7, sehr zur Freude von Ortsbürgermeister Markus Franzen: „Dieser Club ist eine Bereicherung für den Ortskern und ganz Schillingen.“ Die Mitglieder bringen sich ins Ortsleben ein, helfen beispielsweise an Fastnacht mit oder an der Kirmes. Unter diesen Umständen habe die Ortsgemeinde gerne auf ihr verbrieftes Vorkaufsrecht auf das Haus verzichtet. Im Ortskern sollen möglichst Bausünden vermieden werden.

Es ist ein offenes Haus. Jeden zweiten Samstag im Monat ist „Open House“. Jeder darf kommen, sich informieren, Gespräche führen und auch mitfeiern. Einfach spontan Mitglied werden, das geht allerdings nicht.

„Zunächst wird jemand Hangaround und nach eineinhalb Jahren Probezeit entscheidet der Vorstand, ob er zu uns passt und dauerhaft aufgenommen wird“, erklärt Präsident Uwe Jodes. Mit Rockerclubs in einen Topf geworfen zu werden, die in kriminelle Machenschaften verwickelt sind, das stört die Mitglieder, obwohl sie sich selbst durchaus gerne als Rocker bezeichnen. „Hier hat jeder einen Job“, betont Jodes. Es seien Handwerker, die anpacken können.

Anfangs gab es schon Skepsis in der Bevölkerung, was denn das für Leute sind, die in diesem Haus arbeiten. „Als die uns kennenlernten, war die Skepsis schnell verflogen“, freut sich der Chef.

So ist das auch beim ehemaligen Hausbesitzer Karl Geisen: „Ich bin froh mit diesen Jungs.“

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