"Schön, dass etwas an diese Familie erinnert"

Als Dreijähriger hat Joop Levy mit seiner in Waldrach aufgewachsenen Mutter die Region besucht. Gut drei Jahre später mussten die Levys in ihrer niederländischen Heimat untertauchen.

Sie überlebten den Holocaust - anders als viele ihrer deutschen Verwandten. Heute reist Joop Levy regelmäßig zu den Stolpersteinen in Waldrach. Er gab dem TV am Rande eines solchen Besuchs ein Interview.Was bedeuten Ihnen die Stolpersteine vor dem ehemaligen Haus Ihrer Familie in Waldrach?Joop Levy: Ich finde es fantastisch, dass hier an meinen Großvater und meine Verwandten erinnert wird, die ermordet wurden, weil sie Juden waren.Hat die Verlegung der Steine für Sie etwas verändert?Levy: Meine Beziehung zu Waldrach ist noch enger geworden. Ich bin auch vorher ab und zu hier gewesen, nach dem Krieg sogar einige Male mit meiner Mutter. Aber nun ist das Bedürfnis größer. Ich komme ungefähr einmal im Jahr. Dies ist der Ort des Erinnerns an meine Familie. Ich bin der letzte Überlebende der Meyer-Seite, und es ist schön, dass noch etwas an diese Familie erinnern wird, wenn ich einmal nicht mehr da bin.Mit welchen Gefühlen begegnen Sie den heutigen Besitzern des Hauses?Levy: Ich weiß nicht, wie der Besitzerwechsel zustande kam. Gisela Becker-Hau kann nichts dafür. Sie hat die Verlegung der Stolpersteine unterstützt, und es ist fantastisch, wie sie uns empfängt.Können Sie nachvollziehen, dass Leute Stolpersteine vor ihren Häusern ablehnen?Levy: Wenn jemand in den Besitz eines Hauses gelangte, in dem er von der Enteignung der Juden profitierte, ist ein schlechtes Gewissen nachvollziehbar. Aber wer heute jünger als 75, 80 Jahre ist, trägt ja selbst keine Schuld.Setzen sich die Deutschen hinreichend mit dem Holocaust ausein ander, erinnern sie sich genug?Levy: Ich habe sehr gute Erfahrungen in Deutschland gemacht. Ich weiß nicht, ob diese repräsentativ sind - wenn ich eingeladen werde, ist ja ein Grundinteresse da. Aber wenn ich in Klassen gehe, sind die Schüler sehr aufgeschlossen, manche schreiben mir hinterher Briefe. Es gibt mir ein gutes Gefühl, dass die Jugend so interessiert ist. Ich habe noch nie eine schlechte Erfahrung gemacht. Das stimmt mich sehr zufrieden.Was geben Sie den jungen Leuten mit auf den Weg?Levy: Wenn sie wählen dürfen, sollen sie sich mit den Programmen auseinandersetzen, genau prüfen, was die Parteien wollen. Und ich vermittele ihnen anhand meiner Geschichte und der der Leute, die mich versteckten, wie wichtig es ist, dass es tapfere und mutige Menschen gibt, die helfen.Mit Joop Levy sprach TV-Redakteurin Inge Kreutz. Extra

Joop Levy, Jahrgang 1935, ist Sohn der Jüdin Elwine Meyer, die in Waldrach aufwuchs, und des Holländers Philip Levy. Er überlebte den Holocaust versteckt auf einem Bauernhof - zeitweise unter einem Dach mit ahnungslosen deutschen Wehrmachtstruppen. Joop Levy wohnt heute mit seiner Frau in Amsterdam. Er ist Vorsitzender der niederländischen Stiftung "Freunde von Yad Vashem", der großen Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte. Joop Levy reist regelmäßig zu Schulbesuchen in niederländische und deutsche Städte. ik

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort