Justiz Sie schlichten, damit keiner richten muss

Hermeskeil/Saarburg · Nicht jeder Streit muss gleich vor Gericht landen. Ob Ärger mit dem Nachbarn oder kleinere Straftat, oft können ehrenamtliche Schiedspersonen helfen, den Konflikt ohne Klage zu lösen. Am Amtsgericht Hermeskeil sind drei neue Schlichter ernannt worden.

 Sie setzen sich künftig dafür ein, dass kleinere Streitfälle nicht vor Gericht verhandelt werden müssen: die neuen Schiedsmänner Willi Auler, Josef Eiden und Dietmar Blau (von links) mit der Direktorin des Hermeskeiler Amtsgerichts, Corinna Diesel.

Sie setzen sich künftig dafür ein, dass kleinere Streitfälle nicht vor Gericht verhandelt werden müssen: die neuen Schiedsmänner Willi Auler, Josef Eiden und Dietmar Blau (von links) mit der Direktorin des Hermeskeiler Amtsgerichts, Corinna Diesel.

Foto: Trierischer Volksfreund/Christa Weber

Der Baum des Nachbarn ragt auf das eigene Grundstück. Herabfallendes Laub verstopft die Dachrinnen. Oder es wabern regelmäßig intensive Essensgerüche aus der Nachbarwohnung herüber. Solche vermeintlich harmlosen Anlässe führen manchmal zu einem handfesten Streit, der dann in Beschimpfungen oder sogar Handgreiflichkeiten mündet.

Damit solche Bagatellsachen nicht vor einem Richter landen und es nicht zu langen, teuren Prozessen kommen muss, gibt es das sogenannte Schiedsverfahren. Darin bemühen sich ehrenamtliche Schiedsmänner und -frauen darum, gemeinsam mit den Streitenden den Konflikt außergerichtlich zu lösen. In jeder Verbandsgemeinde und kreisfreien Stadt gibt es solche Schiedspersonen (siehe Info). In Hermeskeil hat Amtsgerichtsdirektorin Corinna Diesel drei neue Streitschlichter ernannt und ihnen „sehr herzlich für Ihr ehrenamtliches Engagement“ gedankt.

Josef Eiden (66) aus Geisfeld übernimmt die Aufgabe für den Schiedsbezirk Hermeskeil, vertreten wird er vom Hermeskeiler Willi Auler (67). Für den Bezirk der Verbandsgemeinde Thalfang ist Dietmar Blau (62) aus Burtscheid neuer Stellvertreter des langjährigen Schiedsmanns Reinhold Anton (Thalfang). „Die Sache hat mich gereizt, weil man hier noch etwas beeinflussen kann, bevor es vors Gericht geht“, sagt der Geisfelder Josef Eiden, der zuvor zehn Jahre lang als ehrenamtlicher Schöffe bei Gerichtsverfahren im Einsatz war. Beruflich habe er, inzwischen Rentner, 40 Jahre lang als Personalleiter beim Studierendenwerk Trier Erfahrungen in der Konfliktbewältigung gesammelt. „Da war ebenfalls Fingerspitzengefühl gefragt.“

Viel Erfahrung bringt auch Willi Auler mit. Er war seit 2009 Schiedsmann für den Raum Hermeskeil und will jetzt als Stellvertreter seinem Nachfolger beratend zur Seite stehen. „Für mich war es immer ein schönes Gefühl, wenn die Parteien nach dem Handschlag friedlich auseinandergegangen sind.“ Wichtig sei ja, dass es nach einer Schlichtung weder Gewinner noch Verlierer gebe. „Jeder soll zufrieden sein, wenn er nach Hause geht.“

Und so läuft das Verfahren ab: Wer einen Schlichtungsversuch unternehmen möchte, muss dies beantragen. Dafür reicht es, die Namen und Daten der Streitenden zu nennen und kurz die Streitfrage zu beschreiben. Dann lädt die zuständige Schiedsperson beide Parteien zum Gespräch ein. Dabei können beide Seiten in Ruhe und ohne Öffentlichkeit ihre Sicht der Dinge erklären. In Hermeskeil stellt die Verwaltung dafür das Rathaus zur Verfügung. Schiedsmann oder Schiedsfrau versuchen, Spannungen abzubauen und eine Einigung herbeizuführen. Gelingt ein Kompromiss, wird der von beiden Seiten unterschrieben. Klappt es nicht, steht der Klageweg offen. Die Kosten trägt derjenige, der die Schlichtung angestoßen hat. Die Gebühr liegt zwischen 20 und 40 Euro.

Das Verfahren ist grundsätzlich freiwillig. Bei manchen Streitfällen ist es aber auch gesetzlich vorgeschrieben und muss einer Klage vorgeschaltet sein. In Rheinland-Pfalz gilt dies etwa für alle Nachbarschaftsstreitigkeiten und kleinere Strafsachen, wenn die Staatsanwaltschaft kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung sieht. Infrage kommen etwa Hausfriedensbruch, Beleidigung, Körperverletzung, Sachbeschädigung oder Verletzung des Briefgeheimnisses. Für zivile Streitfälle zwischen Verbrauchern und einem Anbieter gibt es häufig spezielle Güte- und Schlichtungsstellen, zum Beispiel für den Personennahverkehr, bei der Bundesnetzagentur, bei Handwerks- und Ärztekammern.

Willi Auler hat als Schiedsmann bislang „keine wirklich schlimmen Fälle“ erlebt, sagt er. Überwiegend gehe es um „banale Dinge wie nicht geschnittene Hecken  oder auf das Nachbargrundstück ragende Bäume“. Als er 2009 angefangen habe, sei die Erfolgsquote seiner Schlichtungsversuche allerdings höher gewesen als heutzutage: „Die lag damals bei 80, 90 Prozent, zuletzt waren es eher 60 bis 65 Prozent.“ Die Zahl der Fälle sei gesunken, von anfangs 18 auf neun im vergangenen Jahr. Dass das Schlichten schwieriger geworden sei, findet Auler, liege auch daran, dass immer mehr Menschen zum Gespräch einen Rechtsbeistand mitbrächten. „Die Anwälte haben seltener ein Interesse daran, die Sache ohne Klage zu lösen.“ Viele Streitgegner kämen zudem erst gar nicht. Bei Strafsachen könne er nach der zweiten erfolglosen Einladung ein Ordnungsgeld in Höhe von 40 Euro verhängen: „Das habe ich aber in zehn Jahren nur einmal gemacht.“

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