Wetterextreme Interview mit Oberkailer Wasser-Experte - Was die Ursachen für die Flutkatastrophe sind

Trier · Warum hat sich so eine schwere Flutkatastrophe in Deutschland ereignet? Wir gehen dieser Frage auf den Grund und haben dafür mit Dieter Gerten gesprochen, der Wasser-Experte des renommierten Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Professor für Klimasystem und Wasserhaushalt im Globalen Wandel an der Humboldt-Universität in Berlin ist.

 Dieter Gerten ist in der Eifel aufgewachsen. Er ist Professor für Klimasystem und Wasserhaushalt an der Humboldt-Universität in Berlin. Foto: dpa

Dieter Gerten ist in der Eifel aufgewachsen. Er ist Professor für Klimasystem und Wasserhaushalt an der Humboldt-Universität in Berlin. Foto: dpa

Foto: TV/Iona Dutz

Hier sind die Antworten des in Oberkail (Eifelkreis Bitburg-Prüm) aufgewachsenen Experten, Dieter Gerten zu den Ursachen der Flutkatastrophe:

Herr Gerten, sind Sie überrascht, dass es zu der Flutkatastrophe diesen Ausmaßes gekommen ist?

Dieter Gerten:  Nicht grundsätzlich. Wegen des Klimawandels müssen wir öfter mit Hochwasser, Dürren, Waldbränden und Hitzewellen rechnen. Also ist es nicht überraschend, dass wir in Deutschland mehr solche Extremwetterereignisse haben.

Aber haben Sie persönlich mit einem solchen Ausmaß gerechnet?

Gerten: Der Starkregen der vergangenen Woche wurde zwar Tage vorher angekündigt. Wie massiv das dann geworden ist, vor allem auf einer so großen Fläche, das hat mich dann doch überrascht und betroffen gemacht. Das haben wir in der Region rund um die Eifel so noch nicht erlebt. Es ist fast jedes Dorf, das einen kleinen Bach oder einen Fluss hat, betroffen. Ein solches extremes Ausmaß habe ich nicht erwartet.

Sie sprachen den Klimawandel bereits an. Ist das tatsächlich die Ursache für diese Katastrophe?

Gerten: Er spielt sehr wahrscheinlich eine Rolle, da er solche Ereignisse häufiger macht. Solche Ereignisse nehmen zu. Jetzt hat es massiv die Eifel, das Ahrtal und Teile von Nordrhein-Westfalen getroffen. Es gab ja früher bereits Überflutungen an der Donau oder an der Oder.

Worin unterscheidet sich die Flutkatastrophe in der Eifel und im Ahrtal von der an der Donau vor acht Jahren?

Gerten: Dort sind solche Wetterlagen im Sommer nicht ganz so ungewöhnlich, wenn sich ein Tief aus dem Mittelmeer dorthin schiebt. Außerordentlich ist aber, dass es im Westen so intensiv regnet wie in der vergangenen Woche. Das zeigt, dass wir mit neuen Wetterkonstellationen zu tun haben. Das Tief Bernd, das den Regen gebracht hat, hat sich sehr langsam bewegt und konnte über den ganzen Tag diese Regenmassen abladen. Es war eben nicht nur ein heftiges Gewitter, das nach einer Stunde durchgezogen ist. Da hat schon etwas mit der Veränderung der Atmosphäre zu tun.

Mit anderen Worten, die Regenmassen sind also quasi die andere Seite der Medaille der Wetterphänomene wie Hitzewelle und Trockenheit, die wir in den vergangenen Jahren hatten?

Gerten: Ja, das ist richtig. Mal sind wir wochen- oder monatelang auf der heißen, trockenen Seite und dann auf der Seite der Tiefdruckgebiete, die dann diese Regenmaßen bringen. Und genau diese Ereignisse werden überall in der Welt zunehmen, falls der Klimawandel ungebremst weitergehen wird. Es wird immer extremer werden. Hitze, Dürre, Hochwasser. Wir müssen uns auf diese Situation einstellen.

Ärgert Sie, dass Sie als permanenter Mahner vor den Folgen des Klimawandels, offenbar nicht ernst genommen werden und es immer noch Menschen gibt, die leugnen, dass es einen Klimawandel gibt? Auch die Politik hat sich im Grunde genommen jahrelang gegen Maßnahmen gestemmt, um den Klimawandel sagen wir zumindest abzumildern.

Gerten: Ich war bei dem Thema immer schon sehr sensibel und habe auch darauf reagiert, wenn man Dinge beim Wetter falsch einordnet. Die Trends sind eindeutig, der Mensch hat den größten Anteil am Klimawandel. Klar ist man dann frustriert, wenn es politisch, trotz Versprechungen, nicht so vorwärts geht, wie es sein müsste. Die Politik muss den Klimawandel stoppen, damit wir weltweit nicht noch mehr solcher Ereignisse sehen.

Und was sagen Sie den Klimawandelleugnern?

Gerten: Ich finde es erstaunlich, dass es immer noch Leute gibt, die etwa sagen, früher gab es doch auch schon Überflutungen in der Eifel oder im Ahrtal. Aber jetzt zeigt sich doch bei jedem vor der Haustür, dass der Klimawandel nicht mehr zu leugnen ist.

Ist es zu spät, um den Klimawandel zu stoppen? Kriegen wir die Kurve noch oder müssen wir dauerhaft mit den Folgen leben?

Gerten: Es ist noch nicht zu spät, aber es bleibt nicht mehr viel Zeit. Wenn alle Länder ihre Treibhausgase reduzieren, so wie es im Pariser Klimaabkommen 2015 beschlossen wurde, würden wir uns gerade so bei einer Erderwärmung von zwei Grad einpendeln. Wir sind jetzt bei fast 1,5 Grad Erwärmung und da sieht man ja, welche Auswirkungen das bereits hat. Die nächsten zehn Jahre sind entscheidend, um die Weichen noch zu stellen. Das Argument, dass das kleine Deutschland oder die EU beim Klimawandel nichts bewegen können, halte ich für schräg.

Das heißt, der Green Deal der EU kommt gerade noch rechtzeitig?

Gerten: Ja, auf jeden Fall, wenn er denn so umgesetzt wird.

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