8000 Kunstwerke suchen neue Eigentümer

Morbach · Die Künstlerin Ilse Schledorn-Franz, einst Studentin bei dem bekannten Expressionisten Karl Schmidt-Rotluff, hat ihre Gemälde und Grafiken den SOS-Kinderdörfern vermacht. Am Sonntag, 16. Juni, können Kunstliebhaber Bilder der Malerin erwerben.

 Sucht neuen Liebhaber: der weibliche Akt von Schledorn-Franz. TV-Foto: Christoph Strouvelle

Sucht neuen Liebhaber: der weibliche Akt von Schledorn-Franz. TV-Foto: Christoph Strouvelle

Welches Haus in der Morbacher Feldstraße man auch betritt: In zahlreichen Hausfluren oder Wohnzimmern hängt ein Bild der Morbacher Künstlerin Ilse "Illi" Schledorn-Franz. Denn die aus Oberschlesien stammende Malerin hatte ihre Werke gerne verschenkt.
Am 7. Oktober 2012 ist Schledorn-Franz im Alter von 89 Jahren gestorben. Jetzt stehen die Bilder aus ihrem Nachlass zum Verkauf. Dafür ist das Wohnhaus in der Morbacher Feldstraße 18 am Sonntag von 12 bis 15 Uhr geöffnet. In dem Haus hat die Künstlerin zuletzt allein gewohnt. Zuvor lebte sie dort mit ihrer Schwester Klara zusammen, die vor zwei Jahren gestorben ist.Ilse Schledorn-Franz zog in den Nachkriegsjahren aus Oberschlesien nach Berlin. Dort studierte sie von 1947 bis 1954 bei Karl Schmidt-Rotluff, einem der bedeutendsten deutschen Expressionisten und Mitbegründer der Künstlergruppe "Brücke". Anfang der 60er Jahre hingen ihre Zeichnungen und Gemälde bei einer Ausstellung neben Gemälden von Joan Miró und Georges Braque. Ihre Motive waren Porträts, Akte, Stillleben und Landschaften. Dafür verwendete sie Techniken wie Aquarell, Öl, Tusche oder Kohlezeichnungen.

In den 1970er Jahren zog Ilse Schledorn-Franz mit ihrem Mann und ihrer Schwester nach Morbach. Zuvor hatte sie häufig die sogenannte Sommerfrische im Hunsrück verbracht. Das Haus von Illi und ihrer Schwester sei für Gäste immer offen gewesen, sagt die Morbacherin Erika Müllers. "Sie haben zu jedem gesagt: Besuch mich mal", erinnert sie sich. Die beiden Schwestern seien starke Persönlichkeiten gewesen, die immer ihre Meinungen geäußert hätten. "Sie waren zu jedem ehrlich, auch wenn es dem einen oder anderen mal wehgetan hat", sagt Müllers. Fotos der Künstlerin existieren nahezu keine. Müllers: "Wenn Bilder gemacht wurden, hat sie sich immer die Hände vors Gesicht gehalten." Die Morbacherin Ulla Warnke, die bei Schledorns gelegentlich zu Gast war, erinnert sich an die Schwestern als gebildete und weltoffene Frauen, die Menschen positiv gegenüberstanden.

"Sie wussten von der Literatur bis hin zur Politik über alles Bescheid", sagt sie. Illi Schledorn-Franz sei noch bis wenige Wochen vor ihrem Tod als Künstlerin aktiv gewesen. In ihrer Garage hat sie sich an Freskenmalerei versucht, ihr Wohnhaus war mit Mosaiken geschmückt. Laut Müllers hat sie einmal erzählt, dass sich in ihrem Haus 8000 von ihr gemalte Bilder befänden. "Die Zahl könnte hinkommen, wenn man die zahlreichen Skizzen und Zeichnungen mitzählt", sagt Anett Nägler von der Hans-Gmeiner-Stiftung. Die Stiftung gehört zu den SOS-Kinderdörfern, an die Illi Schledorn-Franz ihren Nachlass vermacht hat. Der Erlös aus dem Verkauf des Besitzes der Künstlerin sei an keinen bestimmten Zweck gebunden, sondern werde dort eingesetzt, wo er am dringendsten gebraucht werde, sagt Nägler.Extra

 Ilse Schledorn-Franz. Foto: privat

Ilse Schledorn-Franz. Foto: privat

1993 stellte Schledorn-Franz beim 1. Hermeskeiler Kulturherbst 80 Werke aus. Die damalige zweite Vorsitzende des Arbeitskreises, Ingeborg Schnettler, beschrieb ihre Arbeiten folgendermaßen: Schledorn-Franz sei in den Gedanken des Expressionismus sowohl als Künstlerin als auch in ihrer Lebensart fest verwurzelt. "Der schnelle, entschlossene Strich, die Linien, mit Pinsel und Feder treffsicher gezogen, prägen die Grafiken." Die Süddeutsche Zeitung charakterisierte ihre Arbeiten 2003 anlässlich einer Ausstellung im bayerischen Seefeld wie folgt: "Die farbig-expressiven Akte leben von den gestörten Harmonien, die mit aggressiven Klängen versetzt sind, sei es in der Körperhaltung, in der teils schreienden Farbigkeit oder den Details. Hier wird der Leidende, der Wissende, der gezeichnete Mensch dargestellt, der bei Schledorn-Franz zumeist eine Frau ist. Einige wunderbar eindrucksvolle Landschaften in Aquarell und Pastellkreide zeigen die malerische Kompetenz der Künstlerin." cst

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