Buch thematisiert den Juden-Boykott

Mehr als 65 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus stellte sich Marcel Griesang die Frage: Wie konnte dies alles auch in meiner Heimat passieren? Er begann zu forschen und veröffentlichte jetzt ein Buch.

Kastellaun. (wd) In seiner Examensarbeit beschäftigte sich der junge Historiker Marcel Griesang aus Kastellaun mit der Ausschaltung der Juden aus dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben im Gebiet des heutigen Rhein-Hunsrück-Kreises.

Diese Thematik hatte ihn so in den Bann gezogen, dass er weiter recherchierte. Daraus ist das Buch "Vom Boykott zur Enteignung" entstanden. Bisher wurde diese Thematik im Bereich der Lokalgeschichte nicht bearbeitet. Für Griesang scheint das brutale Vorgehen der Nazis gegen die Juden und ihre Entfernung aus dem öffentlichen Leben auch förderlich für die Akzeptanz nationalsozialistischer Ideologie bei weiten Teilen der Bevölkerung gewesen zu sein. Die NSDAP versprach den Menschen bessere Chancen, die sie schon bald verwirklicht glaubten. Doch all dies geschah auf Kosten anderer, zuerst der deutsch-jüdischen Mitbürger, und endete mit der Vernichtung der europäischen Juden.

Marcel Griesang zeichnet den Weg von den ersten Boykottmaßnahmen am 1. April 1933, über die Nürnberger Rassengesetze im Jahre 1935 bis hin zur Reichspogromnacht im November 1938 und den räuberischen Arisierungen in den Jahren 1938/39 nach.

Unveröffentlichte, unbeachtete Dokumente



Mithilfe bisher nicht beachteter Materialien zeigt er akribisch auf, wie dieser Prozess der offenen physischen Ausschaltung jüdischen Lebens auf den untersten lokalen Ebenen ablief und wer dort mit welchen Motiven agierte. Die Brutalität und Unmenschlichkeit vieler Akteure gegenüber ihren Mitmenschen während der Pogromereignisse schockieren bis heute.

Und doch fand der Autor viele Menschen in der Region, die Zivilcourage und Mut bewiesen und den bedrängten Mitbürgern zur Seite standen.

Dabei zeigt sich, dass es gerade im heutigen Rhein-Hunsrück-Kreis "Hoheitsträger" der Partei gab, die ungeachtet der über 2000 anti-jüdischen Gesetze vorpreschten, Spielräume zum eigenen Vorteil ausnutzten und teilweise sogar gegen die Anweisungen aus Berlin handelten.

Der Förderkreis Synagoge Laufersweiler ist der Herausgeber dieser bemerkenswerten Publikation. Sie enthält bisher unveröffentlichte, unbeachtete Dokumente und wirft ein völlig neues Licht auf die Praxis des Nationalsozialismus in der Region.

Am heutigen Freitag, 17. September, wird um 19 Uhr im Haus der regionalen Geschichte auf der Kastellauner Unterburg das Buch in Anwesenheit des Autors vorgestellt. Eine weitere Präsentation ist am Samstag, 13. November, um 16 Uhr im Bellevue in Boppard vorgesehen.

Das Buch "Vom Boykott zur Enteignung" umfasst 239 Seiten mit vielen Fotos und Dokumenten. Druckerei Jäger, Argenthal. Es ist für 19,90 Euro im Buchhandel erhältlich.

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