Archiv Oktober 2018 Die Rückkehr des Hanfs in den Hunsrück

Kleinich/Fronhofen · Fronhofen, ein Ortsteil von Kleinich im Hunsrück, ist künftig Sitz einer Genossenschaft die sich dafür einsetzt, dass auf den Feldern wieder mehr Vielfalt Einzug hält. Begonnen wurde mit dem Anbau von Nutzhanf. Jetzt wurde erstmals geerntet.

Blickt man über die Äcker der Region, sieht man vor allem vier Feldfrüchte: Mais, Raps, Gerste und Weizen. Das war nicht immer so, denn über viele Jahrhunderte fand man auf den Feldern auch eine erstaunlich vielseitige Pflanze: Hanf. „Mit Hanf kann man fast alle Produkte ersetzen, die heute aus Erdöl, Baumwolle oder Holz hergestellt werden“, erklärt Maiga Werner. Sie ist Vorsitzende der gerade gegründeten Hunsrücker Genossenschaft „Hanfkampagne“ eG i.G.. Die Erkenntnis, wegen der die Initiative die Pflanze zurück auf die Felder des Hunsrück bringen will, hatte man schon im antiken China. Älteste Funde von Seilen aus Hanffasern sind auf 2800 v. Chr. datiert. Auch in Europa wurde der Rohstoff bereits in vorchristlicher Zeit verwendet und erfuhr bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein einen regelrechten Boom.

Etliches wurde mit Hanf hergestellt und insbesondere mit dem Aufschwung der Segelschifffahrt seit dem 15. Jahrhundert wurden enorme Mengen benötigt, um den Bedarf an widerstandsfähigem Segeltuch und Hanfseil zu decken. Von Leinwänden über Papier hin zu Nahrungsmitteln, Ölen und Farben, aber auch Dämmstoffen und eben Textilien reichte die Produktpalette, sodass Hanf zu den wichtigsten Nutzpflanzen zählte.

„Es ist beeindruckend, wie weit verbreitet Hanf war. Die berühmte Gutenberg-Bibel von 1455 wurde auf Hanfpapier gedruckt und auch bei der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung war Hanfpapier mit im Spiel. Selbst die ersten Jeans waren nicht aus Baumwolle, sondern aus Hanffasern, weil die viel stabiler sind“, erklärt die studierte Modedesignerin Tanja Krzensk. Sie ist Vorsitzende des Aufsichtsrates der Hanf-Genossenschaft, die ihren Sitz im Kleinicher Ortsteil Fronhofen hat. Die Genossenschaft wurde am 6. Oktober gegründet und befindet sich gerade noch in der Prüfungsphase durch den Genossenschafts-Verband. Angefangen hat alles 2017, als sich sechs Landwirte und einige Leute mit jeder Menge Tatendrang zusammenfanden. „Wir möchten etwas für die Region tun, alten Nutzpflanzen wieder mehr Raum geben und die Vielfalt fördern. Dafür haben wir mit Hanf angefangen, weil das eine extrem vielseitige Pflanze ist, die hier in der Vergangenheit verstärkt angebaut wurde“, berichtet Maiga Werner.

Seit Anfang der 1980er Jahre nämlich verschwand Hanf von den Äckern, nachdem es zwischen 1982 und 1995 ein Verbot für den Anbau gab. Heute sind in der Europäischen Union wieder 52 Hanfsorten für den Nutzanbau zertifiziert. „Wir haben uns für die kleinwüchsige Nutzhanfsorte „Finola“ entschieden. Auf 20 Hektar haben fünf Landwirte die Sorte angebaut, am Ende hatten wir einen Ertrag von rund 17 Tonnen. Unsere Landwirte von 2018 haben zunächst auf eigene Kosten angebaut und uns den geernteten Hanf zur Verfügung gestellt. Wir sorgen jetzt dafür, dass das Endprodukt an den Verbraucher kommt, damit die Landwirte für ihre Pionierarbeit richtig belohnt werden“, führt Vorstandsmitglied Max Pestemer, der für Design, Vertrieb und Finanzen zuständig ist, aus. Auch ein wichtiges Anliegen der Genossenschaft: Eine faire Bezahlung für die Bauern, denen die Mitglieder der Hanfkampagne bei der Organisation, Anbau und Ernte tatkräftig unter die Arme greifen. „Wir lassen in diesem Jahr aus den geernteten Hanfsamen sowohl Hanföl als auch Hanfprotein und Tierfutter herstellen. Die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe des Öls und des Proteins sind für Mensch und Tier besonders wertvoll“, umschreibt Tanja Krzensk die Produktpalette, die nur ein Anfang der vielfältigen Möglichkeiten des Hanfes darstellt.

In Zukunft möchte man auch weitere Hanfprodukte herstellen. Besonders wichtig ist der Hanfkampagne dabei, dass alles möglichst in der Region bleibt. „Wir möchten eine Grundlage bieten, damit die Leute sich hier selbst eine neue Arbeit schaffen können. In diesem Jahr etwa konnten wir mit den Ölmühlen zusammen arbeiten, haben die Flaschen in der Region erworben und werden auch die Etiketten in der Nähe drucken lassen“, beschreibt Werner das Vorgehen der Genossenschaft. Für diese Form eines Geschäftsbetriebes entschied man sich unter anderem, weil die Mitglieder ein Mitspracherecht haben und es kein Individuum gibt, das im Mittelpunkt steht.

„Außerdem ist die Genossenschaft eine der stabilsten Unternehmensformen. Die Last ist auf viele Schultern verteilt und die Insolvenzrate ist sehr niedrig“, erklärt Pestemer die Wahl. Die Produkte kommen ab November in den Handel. Ab dann gibt es die Erzeugnisse etwa in Partnergeschäften der regionalen Initiativen SooNahe und Ebbes von Hei, aber auch im Online-Shop auf der Webseite der Genossenschaft zu erwerben. Dazu gehört etwa Hanföl. Bei der Pressung hat man penibel darauf geachtet, dass man die Hanfsamen der einzelnen Landwirte getrennt voneinander gepresst hat: „Dadurch haben wir vier verschiedene Öle. Auf dem Etikett ist das Hanfterroir, also das Anbaugebiet – angelehnt an den Weinbau – konkret angegeben und wir erzählen eine kleine Geschichte über den Erzeuger“, sagt Tanja Krzensk. Das Öl kann man zum Beispiel in Salaten oder Marinaden verwenden. Beim Braten oder gar Frittieren sollte man aber darauf verzichten. Das hochwertige Öl gibt dem Gericht einen leicht nussigen Geschmack. Ebenso wie die Hanfsamen, die man etwa in das Müsli beimischen kann sowie in viele weitere Gerichte.

„Wir sind immer auf der Suche nach neuen Mitgliedern. Wie man an unseren eigenen Lebensläufen auf unserer Homepage sehen kann, haben wir alle ganz unterschiedliche Geschichten und Hintergründe und genau diese Vielfalt brauchen wir! Um unsere öko-solidarischen Pläne in die Tat umsetzen zu können, sind Menschen mit unterschiedlichem Know-how und einem Gespür für Selbstverantwortung herzlich willkommen“, erzählt Maiga Werner, die auch einen Naturkräutergarten betreibt. Mitmachen kann man auf unterschiedliche Weise: Als Landwirt kann man sich engagieren, indem man Anbaufläche und die Bereitschaft Hanf, Lupinen, Kräuter oder ähnliche Nutzpflanzen auf Vertragsbasis anzubauen, zur Verfügung stellt, während auch Privatpersonen als Helfer sehr gern gesehen sind. Als vollwertiges Genossenschaftsmitglied kann man Anteile erwerben und erhält damit auch Stimmrecht bei Entscheidungen. Für die kommenden Jahre sind weitere Feldfrüchte und Kräuter in Planung, um eine Einkommensalternative und vielfältige Fruchtfolgen zu etablieren.

 Aus den kleinen Keimlingen werden vielseitig einsetzbare Nutzhanfpflanzen, die nach rund 100 Tagen geerntet werden.

Aus den kleinen Keimlingen werden vielseitig einsetzbare Nutzhanfpflanzen, die nach rund 100 Tagen geerntet werden.

Foto: Maiga Werner
 Die Hanfkampagne setzt sich für mehr Diversität auf den Äckern der Region ein und arbeitet zurzeit mit fünf Landwirten zusammen, die 2018 Hanf angebaut haben.

Die Hanfkampagne setzt sich für mehr Diversität auf den Äckern der Region ein und arbeitet zurzeit mit fünf Landwirten zusammen, die 2018 Hanf angebaut haben.

Foto: Maiga Werner
 Hanfsamen enthalten viele wertvolle Inhaltsstoffe. 

Hanfsamen enthalten viele wertvolle Inhaltsstoffe. 

Foto: Maiga Werner

Weitere Informationen zur Genossenschaft und den bald erhältlichen Produkten findet man unter www.hanfkampagne.com

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