Brauchtum Rentner ergreifen die Initiative

Gräfendhron · Nach jahrelanger Pause wird in Gräfendhron wieder geraspelt. Federführend sind aber nicht Jugendliche, sondern Senioren.

 Statt der im Dorf fehlenden Schüler machen sich nun die Gräfendhroner Raspelrentner samt Anhang an den Kartagen auf den Weg.

Statt der im Dorf fehlenden Schüler machen sich nun die Gräfendhroner Raspelrentner samt Anhang an den Kartagen auf den Weg.

Foto: Ursula Schmieder

Kaum sind sie auf der Straße, kläppern und raspeln Kinder wie Erwachsene probeweise tüchtig drauflos. Es macht Spaß, mal so richtig Krach machen zu dürfen im Dorf. Und unmittelbar vor Ostern, an den Kartagen, ist das in Gräfendhron sogar dreimal am Tag angesagt: ab Donnerstagabend jeweils um 19 Uhr, morgens um 7 Uhr und mittags um 12 Uhr.

In manchen Dörfern machen sich Kläpperkinder morgens sogar früher auf den Weg. Wer an den freien Tagen ausschlafen will, wird dann halt aus dem Bett „gekläppert“. Die Gräfendhroner Raspeler und Kläpperer sind da gnädiger. Sie sind froh, dass es mit dem Brauchtum überhaupt weiter geht. Denn seit Jahren fehlen dort die Schulkinder, die das in aller Regel übernehmen.

Die zehnjährige Lara erinnert sich noch daran, dass sie vor etlichen Jahren mit ihrem älteren Bruder durchs Dorf ging. Doch inzwischen ist sie das einzige Gräfendhroner Schulkind, abgesehen von den im Jugendhof, einer Jugendhilfeeinrichtung, lebenden Heranwachsenden. Sie freut sich, dass nun wieder geraspelt und gekläppert wird. Das sei lustig, ist sie überzeugt, dass Ältere im Ort das genauso sehen. Die seien bestimmt „froh, dass wieder Kinder durchs Dorf gehen“. Allerdings machen sich die Kindergarten- und Vorschulkinder nicht etwa alleine auf den Weg. Die „Gräfendhroner Raspelrentner“, Männer um Wolfgang Klassen, nehmen sie an die Hand. „Wir wollen die Tradition weiterführen“, begründet Klassen, dem das Kläppern an den Kartagen schon als Kind immer Spaß machte. Für ihre Aktion ließen sich die „Gräfendhroner Raspelrentner“ sogar ihre eigenen T-Shirts bedrucken.

Als Klassen zu seinem Enkel Fynn (6) sagte, „wir gehen kläppern“, sah der ihn erst nur verständnislos an. Doch nun wissen er und Maximilian (5), was die Erwachsenen damit meinen, und auch ihnen gefällt es, Krach zu machen. Fynn hat sogar den Spruch, der mit dazu gehört, perfekt drauf. Beim Mittagsrundgang wird er wie alle rufen: „Et laut meddisch“ (Es läutet Mittag). Denn das Kläppern ersetzt das Läuten der Kirchenglocken. Wenn dann alle von Haus zu Haus gehen, um für die Kläpperkinder zu sammeln, sagen die Rentner ihren Spruch auf: „Hier kommen die großen Knaben, und sie wollen den Lohn vom Raspeln haben.“ Allerdings heimsen sie die Spenden nicht selbst ein. Sie sind für einen guten Zweck bestimmt und sollen  Kindern zugutekommen.  Die jüngere Elterngeneration im Dorf begrüßt die Initiative. „Ich finde das super“, lobt Jennifer Arend, die mit Ehemann Matthias seit sieben Jahren im Ort wohnt. Beide kennen das Kläppern aus ihren Heimatorten Berglicht und Hoxel. Doch in Gräfendhron erlebten sie das jetzt zum ersten Mal. Die Idee dafür wurde laut Gerhard Thömmes bei einer Wanderung geboren. Was die Männer darin bestärkte, waren Fernsehberichte über Dörfer in der Region, die das ähnlich handhabten, berichten Franz-Josef Thömmes und Helmut Junk.

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