Stinkerei und Fliegenplage

GONZERATH. Noch vor wenigen Jahren gehörten im Hunsrück qualmende Misthaufen mit stattlicher Fliegenschar zum täglichen Bild. Heute werden landwirtschaftliche Betriebe eher als Beeinträchtigung der Wohnqualität empfunden und bergen häufig Nachteile.

 Ein Leben mit dem Misthaufen: Wilfried und Inge Przystav wohnen direkt neben der Gülle ihres Nachbarn, der einen Schweinestall mitten in Gonzerath hat.Foto: Ursula Schmieder

Ein Leben mit dem Misthaufen: Wilfried und Inge Przystav wohnen direkt neben der Gülle ihres Nachbarn, der einen Schweinestall mitten in Gonzerath hat.Foto: Ursula Schmieder

Seit eineinhalb Jahren versuchen Wilfried und Inge Przystav, für eine Wohnung im Erdgeschoss ihres Hauses Mieter zu finden - bisher vergeblich. Mit der Frage "Wo ist das? Bei dem Misthaufen?" hat sich das Interesse der potenziellen Mieter in der Regel erledigt. Das erschwert es den beiden, dem Finanzamt plausibel zu machen, dass sie tatsächlich einen Mieter suchen. Denn das Haus der Gonzerather liegt keineswegs ungünstig, sondern steht mitten im Dorf - nur eben in direkter Nachbarschaft zu einem Schweinestall. Das war noch vor wenigen Jahren auf dem Land etwas völlig Normales. Heute dagegen ist der Ausblick von einem Balkon auf einen Misthaufen eher ungewohnt. Der verbundene Geruch wird als lästig empfunden. Noch dazu, wo eine solche Nachbarschaft vor allem im Sommer Scharen von Fliegen anlockt, die in der Wohnung an Tapeten, Möbeln und Gardinen ihre Spuren hinterlassen. Beeinträchtigungen, mit denen die Przystavs seit Jahren leben und wegen der sie auch nicht im Streit mit ihrem Nachbarn, einem Schulkameraden von Wilfried Prystav, leben. "Ich hab' immer gesagt, besser neben einem Misthaufen leben als neben einem Kernkraftwerk", macht Przystav seine Position deutlich. Dennoch wären Przystavs natürlich froh, wenn sich an ihrer Situation etwas ändern würde. Wonach es vor einigen Jahren auch aussah. Denn mit Beginn der 90er hatten sich die Haupterwerbslandwirte Arno und Pia Knöppel mit ihrem Hof Richtung Ortsrand orientiert. Dem Bau einer Halle und eines Stalls für heute etwa 230 Charolais-Rinder sollte nicht nur die 1998 realisierte Fleischerei des Direktvermarkter-Betriebes folgen. "Der Schweinestall war in Planung", erzählt Pia Knöppel. Aber letztendlich müsse ja alles finanzierbar sein. Und da sie beide keinen Nachfolger hätten und inzwischen gesundheitlich etwas kürzer treten müssten, sei es beim jetzigen Stand geblieben. "Das tut mir furchtbar Leid da unten, aber es ist, wie es ist", bedauert die Bäurin. Andererseits würden sie aber hier auf dem Land leben. Eine Ansicht, die sie jedoch nicht hindert, einiges gegen die Fliegen zu tun. So würden sie ihren auf Stroh liegenden Schweinen keine Essensreste verfüttern, sondern nur Schrot und Wasser. Doch bei der Hitze des vorigen Jahres hätte das alles nichts genützt. Derweil stellen Przystavs hinsichtlich möglicher Alternativen ihre Kreativität unter Beweis. Wilfried Przystav hatte überlegt, die Terrasse mit Palisaden abzugrenzen, was zwar den Geruch nicht bannen, aber die Aussicht verbessern würde. Auch eine zweite Idee wäre möglicherweise erfolgreich: "Eine Ferienwohnung am Bauernhof." Was natürlich nur in Kooperation mit dem Nachbarn möglich wäre, der den Urlaubern dann den Stall zeigen könnte. Ortsvorsteher Felix Assmann sieht auf jeden Fall keine Möglichkeit der Einflussnahme. Schließlich sei der landwirtschaftliche Betrieb "seit ewig" im Ort. Die Nöte von Przystav kommentiert er mit den Worten: "Er kann froh sein, dass Knöppel mit dem anderen Betrieb ausgesiedelt ist." Denn sonst hätten die Anlieger heute zusätzlich das Brüllen des Viehs um die Ohren.

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