Vom Bauernsohn zum Dompropst

Zum 150. Mal jährt sich am 15. Oktober der Todestag von Dr. Friedrich Thinnes. Der Lebensweg des vor 220 Jahren in Merscheid geborenen Mannes war für die damalige Zeit erstaunlich. Thinnes war nicht nur Dompropst in Würzburg, er engagierte sich auch viele Jahre als Abgeordneter im bayerischen Landtag, wo er zu sozial- und wirtschaftspolitischen Themen Position bezog.

 Friedrich Thinnes aus Merscheid. Foto: privat

Friedrich Thinnes aus Merscheid. Foto: privat

Merscheid. Das "Thinneses-Haus" gibt es zwar nicht mehr. Doch in Merscheid ist die Erinnerung an Friedrich Thinnes, der von 1850 bis 1860 Dompropst in Würzburg war, noch wach. Georg Klein, ein direkter Nachkomme, wohnt in dem Haus, das neben dem 1990 abgerissenen Elternhaus des Merscheiders errichtet wurde. Seine Mutter habe früher noch oft von Thinnes gesprochen. An Einzelheiten könne er sich aber nicht mehr erinnern.

Auch Thomas Jörg aus Weiperath kann - 150 Jahre nach dem Tod seines Ahnherrn - nicht mit Familienanekdoten dienen. Als passionierter Ahnenforscher hält er aber das Andenken hoch an Dr. Friedrich Thinnes, nach dem Hausnamen der Familie auch "Schleitisch Häa" (Pastor aus Schleitisch Haus) genannt. So stammen Fotos von Thinnes' Elternhaus aus seiner Kamera. Außerdem hat er Zeichnungen und Bilder davon angefertigt.

Eine von ihm erstellte Ahnenreihe zeigt zudem auf, welche Vorfahren wie seine Mutter Hildegard Klein noch im "Thinneses-Haus" geboren wurden. Vor allem aber kann er so sein Verwandtschaftsverhältnis belegen: "Anna Maria Thinnes, geboren am 14. Februar 1785, war meine Ur-Ur-Ur-Urgroßmutter und die Schwester von Friedrich Thinnes."

Ludwig Nellinger, ein in Bonn lebender Ur-Ur-Urenkel dieser Anna Maria und ebenfalls Ahnenforscher, würdigt auch das politische Engagement des Dompropsts. Er war 1848/49 Mitglied der Deutschen Nationalversammlung.

Dort habe er die erstmals in der deutschen Geschichte diskutierten und noch heute geltenden Grundrechte mit verabschiedet und eine Verfassung mit beschlossen. Besonders beeindruckt haben Nellinger einige Redebeiträge von Thinnes. Er habe zu Themen wie "Religions- und Gewissensfreiheit, zum Verhältnis Staat und Kirche und gegen die Teilung Polens" Position bezogen.

Ein solcher Werdegang (siehe Hintergrund) war dem Merscheider Bauernsohn nicht in die Wiege gelegt. Die beruflichen Perspektiven, die er noch als 18-Jähriger vor Augen hatte, waren Bauer, Handwerker oder Schullehrer. Seinen Lebensweg entscheidend mit beeinflusst hat ein ehemaliger Professor, der sich in Merscheid zur Ruhe setzte.

Er unterrichtete den Wissbegierigen, der schon als 14-Jähriger "Schulmeister" in einem Nachbardorf war. Nach halbjährigem Unterricht ermöglichten Thinnes Eltern ihrem Sohn den Besuch des Friedrich-Wilhem-Gymnasiums in Trier, wo er als 21-Jähriger seinen Abschluss machte und vier Jahre Philosophie und Theologie studierte.Extra Dompropst In der katholischen Kirche ist ein Dompropst der erste Würdenträger, der Vorstand eines Domkapitels. Das autonome Kollegium unterstützt und berät den Bischof in der Diözesanverwaltung und ist teils auch an der Bischofswahl beteiligt. Von einflussreichen Dompröpsten ist belegt, dass sie als mächtigste Männer hinter Erzbischöfen aufrückten. (urs)Hintergrund Friedrich Thinnes wurde am 25. Januar 1790 als neuntes von zwölf Kindern (Familienchronik Michael Schneider, Bad Ems) geboren. Damals gehörte Merscheid noch zum kurfürstlichen Trier, nach der Besetzung durch die Franzosen ab 1816 zu Preußen. Der ein Jahr zuvor zum Priester geweihte Thinnes war Pfarrer in Kusel und in Blieskastel sowie Dechant und Distrikt-Schulinspektor. 1829 ernannte ihn König Ludwig I. von Bayern zum Domkapitular von Speyer, später von Eichstätt, wo er auch Dompfarrer war. Auf Wunsch von König Maximilian II. ernannte Papst Pius IX. Thinnes am 22. März 1850 zum Dompropst der Kathedrale Würzburg. Parallel zu seinem kirchlichen Werdegang engagierte sich Thinnes mehrere Jahre (1825 bis 1828 und 1849 bis 1855) als Abgeordneter der Ständekammer (bayrischer Landtag). Zudem war er Mitglied der Deutschen Nationalversammlung (1848/49), die die erste deutsche Verfassung verabschiedete. In seinen Reden bezog Thinnes, der seiner Heimatgemeinde zwei Seitenaltäre stiftete, Position zu sozial- und wirtschaftspolitischen Themen. Im Jahr 1860 hielt Friedrich Thinnes sich längere Zeit zur Erholung in Merscheid auf. Zwei Wochen nach seiner Rückkehr starb er am 15. Oktober in Würzburg.

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