Immer mehr Hausärzte geben ihre Praxis auf

Trier · Im Land fehlen immer mehr Ärzte: Nach bisher größtenteils unveröffentlichten Zahlen haben in den vergangenen fünf Jahren 373 Hausärzte ihre Kassenzulassung zurückgegeben, rund 100 weniger haben eine erhalten.

(ren) Ein langjähriger Negativ-Trend, der vor allem die ländlichen Regionen betrifft, setzt sich im Gesundheitsbereich offenbar ungebremst fort: es gibt immer weniger Hausärzte. Die Zahlen bestätigen den Trend auch in der Region Trier. Nur der Vulkaneifelkreis ist eine Ausnahme.

Allein 2008 haben in Rheinland-Pfalz 70 Hausärzte ihre Praxistätigkeit meist aus Altersgründen eingestellt. Im Gegenzug fingen nur 48 neu an. In der Region Trier gaben zehn Hausärzte auf, nur sechs fingen neu an. Die Folge: Für viele Patienten werden die Wege zum Hausarzt immer weiter, die verbleibenden Ärzte müssen zudem eine immer größere Zahl von Patienten behandeln.

Ein „Masterplan“ zur Stärkung der ambulanten Versorgung, Ende 2007 von Gesundheitsministerin Malu Dreyer (SPD) gemeinsam mit den Ärzte-Organisationen gestartet, konnte den Negativtrend nicht stoppen. Als Hauptgründe nennt der Landesvorsitzende des Hausärzteverbandes, Burkhard Zwerenz aus Prüm, die wachsende Überfrachtung seines Berufs mit Bürokratie und ein undurchschaubares Honorarsystem, das beim Ärztenachwuchs wirtschaftliche Unsicherheit schürt. Er selbst kennt in seiner Heimat, dem Eifelkreis Bitburg-Prüm, allein zwei Praxen, die bald ohne Nachfolger schließen. „Oft sagen mir Studenten: Tolle Arbeit - aber das ganze Drumherum tue ich mir nicht an“, sagt Zwerenz. Außerdem friste die Weiterbildung zum Allgemeinmediziner an den Universitäten zu Unrecht ein Schattendasein gegenüber anderen Facharztgruppen. Seit Jahren warnt die Kassenärztliche Vereinigung (KV) vor einer Überalterung der Hausärzte. Ende 2007 war landesweit ein Viertel der niedergelassenen Ärzte für Allgemein- oder Innere Medizin 60 Jahre und älter. Im Jahr 2000 waren es 11 Prozent.

Im Zuge des „Masterplans“ kooperieren das DRK-Klinikum in Kirchen (Kreis Altenkirchen) und mehrere Praxen bei der „Verbundweiterbildung“ zum Facharzt für Innere Medizin und Allgemeinmedizin, um Nachwuchsärzten den Job schmackhaft zu machen. Allerdings hat sich seit dem Programmstart im Herbst 2008 noch keiner eingeschrieben. Burkhard Zwerenz hält das Modell für sinnvoll, benennt aber das Problem: Drei gut bezahlten Klinikjahren folgen zwei finanziell magere Jahre in einer Landarztpraxis. Die FDP will das Thema Ärztemangel nächste Woche auf die Tagesordnung im Landtag setzen: „Betroffen ist der Kern der ärztlichen Versorgung in der Fläche“, sagt FDP-Gesundheitsexperte Peter Schmitz

KOMMENTAR: "Vom Aussterben bedroht"
Von Bernd Wientjes

Arzt, das war vor Jahren ein angesehener Beruf. Wer Medizin studierte, gehörte zur Elite, hatte ein Super-Abi, der brauchte sich um seine Zukunft keine Sorgen zu machen. Egal, ob als angestellter im Krankenhaus oder als niedergelassener Mediziner auf dem Land: Ein sehr gutes Einkommen war sicher. Nicht nur das: Ein Arzt genoss Ansehen und Respekt. Kaum einer neidete den damals teilweise zu Recht als Halbgötter in Weiß verspotteten Akademikern ihr Gehalt.

Heute überlegt es sich ein Abiturient dreimal, ob er Medizin studiert oder doch lieber was „Anständiges lernt“, einen Beruf, in dem er leichter sein Geld verdienen kann. Keine Frage: Ein Arzt, ob in der Klinik oder in der eigenen Praxis, verdient in der Regel noch immer mehr als der Durchschnitts-Deutsche, von Armut sind die meisten Mediziner weit entfernt. Doch attraktiv ist der Beruf längst nicht mehr. Stressige, fast pausenlose Dauerschichten im Krankenhaus; kaum Aufstiegschancen in Positionen und Hierarchien, wo sich das lange Studium vielleicht wirklich bezahlt macht. Hinzu kommen familienfeindliche Arbeitszeiten.

Nicht besser sieht es bei den niedergelassenen Ärzten aus. Welcher Medizinstudent geht heute noch das Risiko ein, sich über beide Ohren zu verschulden, um seine eigene Praxis zu haben, ohne Aussicht, deutlich vor Erreichen des Rentenalters schwarze Zahlen zu schreiben. Geld verdienen lässt sich nur dann, wenn möglichst viele Patienten innerhalb kurzer Zeit durch die Praxis geschleust werden und Zusatzleistungen, die diese aus eigener Tasche bezahlen müssen. Zum Reden bleibt kaum Zeit, dafür gibt es schließlich kein Honorar. Wirkliches Ansehen genießen Ärzte heute kaum noch, viele sehen in den einstigen Halbgöttern raffgierige Abzocker. Und das alles nur, weil das Gesundheitssystem völlig krank, die Honorarverteilung kompliziert und undurchsichtig ist. Kein niedergelassener Arzt kann langfristig kalkulieren, weil er heute nicht weiß, was er im nächsten Jahr verdienen wird.

Die Folge: In den nächsten Jahren wird es immer weniger Ärzte auf dem Land geben, der klassische Hausarzt ist ein Auslaufmodell. Da hilft auch nicht, mit finanzieller Unterstützung Studenten die eigene Praxis schmackhaft zu machen. Wer als Mediziner Geld verdienen will, geht ins Ausland – immer mehr Klinikärzte aus Trier und der Eifel arbeiten schon in Luxemburg – oder zu einem Pharmaunternehmen – aber nicht in die Eifel oder in den Hunsrück.

b.wientjes@volksfreund.de

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