Jugendgewalt: Behörden sind überfordert - Immer mehr Fälle, zu wenig Personal

Das Topthema im TV: Es gibt genug rechtliche Möglichkeiten, aber große Defizite bei der Umsetzung: Dieses einhellige Fazit ziehen Experten aus Justiz und Jugendhilfe, die sich in der Region Trier mit dem Thema Jugendkriminalität beschäftigen. Die Diskussion um das Jugendstrafrecht ist auch Thema unter den TV-Bloggern.

(DiL) Blitz-Arrest, Erziehungsmaßnahmen, intensives Einwirken auf junge Straftäter: Das alles wäre auf Basis geltenden Rechts möglich. Was fehlt, sind entsprechende Einrichtungen und Personal.„Jede Maßnahme verliert an Biss, wenn sie nicht reibungslos und zügig umgesetzt werden kann“, kritisiert Rita Alexas von der „AG Starthilfe“ in Trier. Ein Kurzarrest beispielsweise kann angeordnet werden, muss aber dann meist in Worms oder Lebach „absolviert“ werden. Kaum praktikabel angesichts der Betreuungs-Situation.Speziell für Jugendliche vorgesehene Bewährungshelfer fehlen in der Region Trier. „Normale“ Bewährungshelfer haben bis zu 100 Klienten, berichtet Rainer Görgen vom Verein „Probare“ in Trier, einer Anlaufstelle für knastgefährdete Jugendliche.

Nachhaltige Betreuung ist da kaum drin. Auch bei der Prävention liegt vieles im Argen. Kürzlich erkundigte sich eine Mutter bei „Probare“ nach Anti-Gewalt-Training für ihren auffälligen, aber noch nicht straffälligen Sohn. Die Sache scheiterte, weil niemand die Kosten übernahm. Und wenn der Verein gefährdete Jugendliche mit dem Gefängnis-Alltag konfrontiert, muss er das Geld für solche Projekte in Privatinitiative zusammenbetteln.Unisono kritisieren die Praktiker vor dem Hintergrund einer wachsenden Zahl von Gewaltdelikten in Rheinland-Pfalz die lange Dauer von Verfahren. „Wenn man den Jugendlichen die Grenzen nicht zeitnah aufzeigt, geht der Bezug zur Straftat verloren“, sagt Margret Steinborn-Heinrich vom Haus Wehrborn, einem Jugendhilfezentrum der Caritas.

Dabei geht es in der Region Trier mit den Strafverfahren noch „relativ schnell“, wie der langjährige Jugendrichter am Landgericht, Rolf Gabelmann, versichert. Dennoch: Im Landesschnitt dauern Verfahren gut sechs Monate. „Ideal“, sagt Gabelmann, „wäre ein Monat mit direktem Umsetzen der Sanktion.“ Aber dafür brauche man Personal bei den Strafverfolgungsbehörden. Wichtig sei auch „eine Polizeipräsenz, die Grauzonen verhindert“. Von Camps hält der Jurist wenig: Die seien „lebensfern“, junge Straftäter müssten lernen, „mit dem Alltag klarzukommen“. Dass die Jugendlichen sanft angefasst würden, hält Margret Steinborn-Heinrich ohnehin für ein Gerücht. Kuschelpädagogik? „Unfug, das gibt es so nicht“, sagt die katholische Erziehungs-Expertin.

Von etlichen ihrer Klienten aus schwierigen Familien würde „viel mehr verlangt als von ,normalen' Jugendlichen“.Gesellschaft und Familie nimmt auch Alt-Richter Gabelmann ins Visier. Statt bei der Resozialisierung müsse man „bei der Sozialisierung ansetzen“. Werte und friedliche Konfliktlösungs-Modelle müssten im persönlichen Umfeld vermittelt werden.

Siehe auch:

TV-Blogosphäre: Diskussion zum Jugendstrafrecht: http://www.volksfreund.de/1596580

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