Kaltstart ins Wintersemester

Trier · Am heutigen Montag nehmen mehr als 2700 Abiturienten, so viele wie niemals zuvor, ihr Studium an der Universität Trier auf. Mehr noch: Zeitgleich stellt die Hochschule fast ihr gesamtes Fächerangebot auf die neuen Abschlüsse Bachelor und Master um. Die Frage liegt auf der Hand: Gelingt der Start ins Wintersemester?

 Begehrtes Ziel vieler Erstsemester: die Studienberatung an der Universität Trier. TV-Foto: Kim-Björn Becker

Begehrtes Ziel vieler Erstsemester: die Studienberatung an der Universität Trier. TV-Foto: Kim-Björn Becker

Für die Hochschule muss es sich anfühlen wie an einem dieser kalten Wintermorgen, an dem sich für den Fahrer des vereisten Wagens nur diese eine Frage stellt: Springt der Wagen an? Und was tun, wenn nicht? Den zweiten Fall darf es nicht geben, der Kaltstart muss funktionieren. Knapp 14 000 junge Menschen studieren im Wintersemester an der Uni Trier, das ist Rekord. Und nicht nur die bloße Masse der Erstsemester stellt für die Uni eine Besonderheit dar. Auch strebt der überwiegende Teil aller Studenten einen der neuen Abschlüsse an: den Bachelor oder Master (siehe Hintergrund). Ein Studium mit den alten Abschlüssen - Magister, Diplom, Staatsexamen - können Erstsemester nicht mehr beginnen. So hat der Bologna-Prozess (siehe Hintergrund) nun auch vollends die Uni Trier erreicht.

Die Mitarbeiter aller Fächer, mit Ausnahme der Rechtswissenschaften und der Theologie, die das Staatsexamen beibehalten, und den Wirtschaftswissenschaften, die schon vor einem Jahr reformiert wurden, mussten in den vergangenen Monaten komplett neue Lehrstrukturen entwickeln: "Der Student rückt mehr in den Mittelpunkt, weil die neuen Abschlüsse betreuungsintensiver sind", erklärt Professor Wolfgang Klooß, Vizepräsident der Uni.

Ob sich die Lehre für die neuen Bachelor-Studenten tatsächlich verbessert, das sieht der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) hingegen kritisch: "Die Grundintention der Reform, größere Mobilität und Vergleichbarkeit schaffen zu wollen, ist absolut zu begrüßen. Das Ergebnis wird dem aber kaum gerecht, da sich hinter den Studiengängen ganz unterschiedliche Schwerpunkte verbergen und eine europäische Vergleichbarkeit so kaum gegeben ist", sagt Asta-Sprecher Florian Krause.

Kleine Fächer haben das Nachsehen



Die Reform ging dabei vor allem zulasten kleiner Fächer mit oftmals nur einer Professur, die kein eigenes Bachelor-Programm aufstellen können und sich nun zusammenschließen. An der Uni Trier ist beispielsweise das Bachelor-Programm "Antike Welt" mit Elementen der Archäologie, Ägyptologie, der alten Geschichte, klassischen Philologie und der Papyrologie entstanden. "Die Studenten erhalten eine breite Grundlagenbildung in allen Bereichen, im anschließenden Master-Studium sind dann Spezialisierungen möglich", erläutert Archäologe Professor Markus Trunk. Doch gerade in dieser starren Grundlagenbildung des Bachelor-Studiums bleibt wenig Raum für eine eigene Schwerpunktsetzung.

Die Uni Trier liegt mit der Umstellung auf Bachelor und Master im bundesweiten Mittelfeld: Etwa jeder Dritte Student an einer deutschen Hochschule strebt einen dieser Abschlüsse an, und schon rund 75 Prozent aller Studiengänge führen zum Bachelor oder Master.

Doch damit ergibt sich für die Hochschulen ein gewaltiges Problem: Zum einen müssen sie bei stetig steigenden Studentenzahlen weiterhin die Qualität der Lehre sichern und andererseits mit praktisch gleich bleibenden finanziellen Ressourcen parallel die neue Studienstruktur einführen und die Studenten der alten Abschlüsse weiterhin betreuen. "Es fehlt an Lehrpersonal", sagt Peter Zervakis, Leiter der Bologna-Abteilung bei der Hochschulrektorenkonferenz, dem Verband von Universitäten und Fachhochschulen. "Fehlen diese Ressourcen, sind auch im neuen System Seminare und Vorlesungen überfüllt, und die neue Logik kann kaum greifen."

In fünf Jahren steht für alle umgestellten Fächer eine offizielle Überprüfung der Lehre auf dem Programm. Zu diesem Zeitpunkt aber hat die erste Generation von Bachelor-Studenten ihren Abschluss längst gemacht. HINTERGRUND Bachelor und Master ersetzen die alten Studienabschlüsse komplett. Der Bachelor dauert in der Regel sechs Semester und gilt formell als berufsqualifizierender Abschluss, was aber in Fachkreisen kontrovers diskutiert wird. Danach kann sich in vier Semestern der Master anschließen, der als gleichwertig zu den alten Abschlüssen zu werten ist. Dabei belegen die Studenten vorgegebene Module, die verschiedene Veranstaltungen thematisch zusammenfassen. Je nach Aufwand wird für ein Modul eine bestimmte Anzahl an Kreditpunkten vergeben. Mit genug Punkten ist der Student dann für die Abschlussprüfung qualifiziert. (kbb)Hintergrund Der Bologna-Prozess: Im Jahr 1999 kamen insgesamt 45 europäische Staaten, darunter auch Deutschland, überein, sich auf einen gemeinsamen europäischen Hochschulraum (EHR) zu einigen. Kern des Konzeptes ist eine einheitliche Struktur der Abschlüsse, die innerhalb Europas Vergleichbarkeit der Leistung und damit Flexibilität der Studenten sichern und bis 2010 vollendet werden soll. (kbb)

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