Zusammenarbeit Katarina Barley: So wichtig ist die Europäische Union in der Pandemie

Interview | Trier/Brüssel · Ist die EU während der Corona-Krise bloß lästig? Nein, findet Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. Die EU zeige gerade jetzt ihre wahren Stärken: Wie die EU den Bürgern in Deutschland finanziell hilft und was die Gemeinschaft besser lösen kann als jeder Mitgliedstaat allein.

Katarina Barley (SPD). Foto: Jens Büttner/ZB/dpa

Katarina Barley (SPD). Foto: Jens Büttner/ZB/dpa

Foto: dpa/Jens Büttner

Kritiker werfen der EU vor, sich beim Thema Impfstoff-Einkauf falsch entschieden zu haben. Was antworten Sie darauf?

Da sollte man der EU nicht die Schuld geben, denn die Gesundheitsminister der einzelnen Mitgliedsstaaten saßen bei der Diskussion immer mit am Tisch. Wenn nun beispielsweise Jens Spahn der EU vorwirft, falsch gehandelt zu haben, hätte er für andere Lösungen werben müssen. Und am Ende ist man natürlich immer schlauer.

Woran liegt es, dass die Zulassung der Impfstoffe in der EU deutlich länger gedauert als in beispielsweise den USA, Großbritannien und Israel?

Die Europäischen Arzneimittelagentur hat den Impfstoff unabhängig geprüft und nur sie kann diese Frage wissenschaftlich beantworten. Entscheidend muss sein, dass der Impfstoff so gut und sicher getestet wurde wie möglich. Es gibt ja auch Menschen, die gegenüber der schnellen Zulassung, auch in der EU, skeptisch sind. Aber natürlich müssen wir jetzt beim Impftempo deutlich zulegen. Innerhalb der EU, aber auch weltweit gibt es da große Diskrepanzen. Gerade Israel dürfte wohl ein Sonderfall sein, weil sich das Land in einer konstanten Bedrohungslage befindet und solche Prozesse nicht nur geplant, sondern auch schon erprobt sind.

Was kann die Gemeinschaft in der Pandemie zusammen besser lösen als jeder Mitgliedstaat allein?

Wenn wir als größerer Akteur auf dem Markt unterwegs sind, können wir deutlich größere Aufträge – zum Beispiel für Impfstoff, Masken und Beatmungsgeräte – aufgeben und erhalten auch bessere Preise. Dann gibt es weniger Wettbewerb auf dem Markt und keiner versucht den anderen zu übertrumpfen. Die EU hilft zudem dabei, Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung einfacher zu teilen. Wir konnten so zum Beispiel durch die schlimmen Erfahrungen in Italien ganz am Anfang der Pandemie Rückschlüsse auf die Verbreitung des Virus ziehen.

Ganz konkret, wie profitieren Bürger während der Corona-Pandemie von der Europäischen Union? 

Wir hatten in Deutschland zum Glück nicht die gleichen Probleme wie beispielsweise in Frankreich, wo die Intensivbetten knapp geworden sind. Durch die enge Zusammenarbeit in der EU konnten Patienten in Krankenhäusern auf der anderen Seite der Grenze behandelt werden. Aber auch finanziell hilft Europa den Bürgern in der Krise: So erhält Deutschland aus dem EU Coronafonds 24 Milliarden Euro, die unter anderem in die Digitalisierung der Schulen gehen sollen.

Hätten Sie sich gewünscht, es gäbe mehr europäische Lösungen während der Pandemie?

Absolut. Die Europäische Kommission hätte offensiver agieren und frühzeitiger gemeinsames Handeln anmahnen sollen, gerade als sich einige Ministerpräsidenten – und da nutze ich bewusst die männliche Form – am Anfang mit ihrem lockeren Umgang und jetzt mit ihrer Härte übertrumpfen wollten.

Warum ist es eine gute Idee, dass man Impfstoffe aus Europa nach Afrika schickt?

Einerseits bin ich Sozialdemokratin und da gebietet es schon mein Menschenbild, dass der Impfstoff auch den Teilen der Welt zugutekommen muss, die weniger reich sind. Andererseits werden wir die Krankheit wohl nie los, wenn wir zulassen, dass das Virus andernorts immer weiter mutiert. Deswegen haben wir in der EU entschieden, einen gewissen Prozentsatz unserer Impfstoffdosen weiterzugeben.

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