Hintergrund Kliniken der Region sind am Limit und suchen verzweifelt nach Personal

Trier · Kliniken in der Region suchen händeringend nach Personal. Die Gewerkschaft Verdi fordert bessere Arbeitsbedingungen. Mit verschiedenen Konzepten versuchen Krankenhäuser zu reagieren.

Kliniken der Region sind am Limit und suchen verzweifelt nach Personal
Foto: dpa/Christophe Gateau

Seit Jahren setzt sich Thorsten Servatius für die Belange von Pflegern ein. Doch bei einem längeren Krankenhausaufenthalt hat er erfahren müssen, wie stressig der Beruf ist. Es könne nicht sein, dass eine Pflegerin nachts allein für alle Patienten auf der Station zuständig sei, sagt der für die Gesundheitsberufe in der Region zuständige Sekretär der Gewerkschaft Verdi. Nicht selten schadeten Pfleger ihrer eigenen Gesundheit, indem sie bis zur Überlastung arbeiteten, ständig ihre freien Tage opferten, keinen verlässlichen Dienstplan hätten.

„LKW-Fahrer müssen alle viereinhalb Stunden eine Pause machen, sonst drohen ihnen zu Recht Strafen. Bei Pflegern verlangt man, dass sie durcharbeiten und oft auch ihre Freizeit ofpern“, kritisiert Servatius. Daher sollten sie regelmäßig Überlastungsanzeigen ausfüllen. „Schon aus Eigenschutz.“ So könnten sich die Pfleger im Fall einer Abmahnung, weil ihnen etwa ein Fehler passiert ist, absichern, in dem sie auf dem Bogen ankreuzten, warum erforderliche Arbeiten nicht rechtzeitig oder gar nicht erledigt werden konnten. Oder warum ein Patient nicht ausreichend gepflegt werden konnte. Dadurch dokumentiere der Mitarbeiter, dass er er aufgrund der Überlastung etwa wegen fehlenden Personals die Verantwortung für Fehler nicht übernehmen könne.

Der 44-Jährige bewundert, dass trotz der in seinen Augen vielerorts schlechten Arbeitsbedingungen, sich die meisten Pfleger für ihren Job aufopferten und oft über ihre eigenen Grenzen gingen.

Es sei aber nicht nur der Personalmangel, der zu zeitweisen Einschränkungen der Patientenversorgung führe, sagt Sabine Zimmer, Sprecherin des Verbundkrankenhauses Bernkastel/Wittlich. Auch die Verordnung der Pflegepersonal-Untergrenzen führe zu Problemen.

Diese Verordnung gibt vor, wie viel Personal mindestens auf bestimmten Stationen vorhanden sein müsse. Es werde dabei nur zwischen Intensivstationen und sonstigen Bereichen unterschieden, sagt Zimmer. Qualitative Aspekte, also etwa die tatsächlich benötigte Pflege eines Patienten würden bei der Verordnung nicht berücksichtigt. „Unsere Einsatzplanungen in der Pflege stoßen an ihre Grenzen, wenn es um die Besetzung zu Belegungsspitzen geht, wie zum Beispiel bei Grippewellen, Blitzeiseinbrüchen, und so weiter. Dann stehen höchste Patientenzahlen einer normalen oder ebenfalls durch Erkrankung geschwächten Personaldecke gegenüber, sagt Irene Baranowsky, Pflegedirektorin am Verbundkrankenhaus.

Daher sei zu befürchten, dass zukünftig häufiger Stationen zeitweise abgemeldet werden müssen, wenn in diesem Jahr die Pflegepersonalschlüssel  für alle Fachabteilungen wirksam würden. Bereits im vergangenen Jahr sei die Wittlicher Intensivstation wegen Personalmangels vereinzelt abgemeldet worden.

Das Verbundkrankenhaus hat bereits vor einigen Jahren reagiert. Sogenannte patientenferne Stationstätigkeiten wie etwa Aktenarchivierung, Essensausgabe oder Wäscheservice seien an pflegeunterstützende Personen übergeben worden, sagt Zimmer. Das habe zu einer spürbaren Entlastung geführt und ermögliche es den Pflegern sich intensiver um die Patienten zu kümmern.

Eine Entlastung des Pflegepersonals auch von zunehmender Bürokratie sei notwendig, sagt Jörg Sponholz. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende im Saarburger Krankenhaus vertritt bei Verdi in der Region die Interessen der Pfleger. Jeder Handschlag müsse dokumentiert werden.

Ansonsten würden Leistungen von den Krankenkassen nicht bezahlt. Das wiederum führe zu einem Kostendruck vor allem bei kleineren Kliniken. Vergütet werde nicht pro Patient, sondern nur erbrachte Leistungen. Gleichzeitig versuchten die Kassen immer weiter, an der Honorarschraube zu drehen, während die Personalkosten in den Kliniken stiegen, erläutert Sponholz. Daher seien die Häuser darauf aus, immer mehr Patienten in möglichst kurzer Zeit zu behandeln. Das wiederum gehe zu Lasten des Personals. „Viele Kollegen sind längst am Limit und darüber hinaus“, berichtet der Gewerkschafter.

Das erkennen auch die Träger der Kliniken. Die Arbeit der Pfleger habe sich deutlich verdichtet, sagt Heribert Frieling von der Marienhaus GmbH. Zu ihr gehören unter anderem die Kliniken in Bitburg. Gerolstein und Hermeskeil. Die kürzere Verweildauer der Patienten führe zu Mehrarbeit der Pfleger, sagt auch Kaya Erdem, Sprecher der Caritas Trägergesellschaft West, zu der das Prümer Krankenhaus gehört. Während die Häuser in Prüm, Bitburg, Hermeskeil oder Gerolstein laut Auskunft der Träger kein Problem haben, ausreichend Pfleger zu finden, sieht es im Saarburger Krankenhaus anders aus. „Wir haben eine ganze Reihe offener Stellen, die wir besetzen wollen“, sagt Kliniksprecherin Anke Longen. Im Grenzgebiet zu Luxemburg sei es eine „besondere Herausforderung“, ausreichend Pflegekräfte zu finden.

Das Nachbarland braucht genau wie Deutschland dringend Pfleger. Die deutlich höheren Löhne locken viele Pfleger über die Grenze. Diese Pendler reißen dann hier in den Kliniken oder Pflegeheimen eine schwer zu schließende Lücke. Das Saarburger Krankenhaus will daher mehr Pfleger ausbilden. Man wolle mit dem „familiären Umfeld und einem attraktiven Betriebsklima“ punkten, sagt Longen. Ziel sei es, „die Arbeitsbedingungen für Pfleger zu optimieren, eine verlässliche Dienstplanung zu schaffen und Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen“. Dabei werde, so die Kliniksprecherin, auch die Anwerbung von Pflegern aus dem Ausland eine Rolle spielen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Draufgehauen
Kommentar zur Diskussion mit den Bauern in Leidenborn Draufgehauen