Region „Ein Band der Armut entlang der Grenze“

Trier · Warum vor allem der Eifelkreis einen finanziellen Ausgleich für die Luxemburg-Pendler haben will. Fraglich, ob die Forderung im Nachbarland gut ankommt.

 Tausendedeutsche Pendler fahren täglich zur Arbeit nach Luxemburg.

Tausendedeutsche Pendler fahren täglich zur Arbeit nach Luxemburg.

Foto: friedemann vetter (ve._)

„Ich will nicht für die Weihnachtsdekoration eines Bürgermeisters bezahlen, ich will mit diesem Geld dem Grenzarbeiter helfen, damit sich sein Alltag verbessert.“ So hat Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel im vergangenen Jahr in einem Radio-Interview auf die Forderungen Frankreichs nach einem finanziellen Ausgleich Luxemburgs für die Pendler ins Großherzogtum reagiert.

Dass das Thema ein Jahr später wieder, dieses Mal in Form einer konzertierten deutsch-französischen Initiative wieder aufschlägt, konnte Bettel damals nicht ahnen. Gleich vier Kommunalpolitiker machen nun Druck und verlangen, dass Luxemburg genau wie für Belgien auch, eine Entschädigung zahlt für die entgangene Einkommensteuer. Der Metzer Bürgermeister Dominique Gros hat sich in einem Brief an den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron gewandt. Triers Oberbürgermeister Wolfram Leibe und die beiden Landräte Günther Schartz (Trier-Saarburg) und Joachim Streit (Eifelkreis Bitburg-Prüm) haben an die Bundeskanzlerin geschrieben und sie um „Unterstützung bei der Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Herzen Europas“ gebeten.

Dabei verweisen sie auf das seit 2002 bestehende Abkommen des Großherzogtums mit Belgien. Seit 1922 besteht zwischen beiden Ländern eine Wirtschaftsunion. Im Rahmen dieser Partnerschaft wurde ein finanzieller Ausgleich belgischer Kommunen, in denen verhältnismäßig viele Luxemburg-Pendler wohnen, vereinbart. 30 Millionen Euro fließen so jährlich von Luxemburg nach Brüssel als Entschädigung für die durch die über 30 000 Grenzgänger verursachten Mindereinnahmen bei den Einkommensteuern. Allein von Trier, Trier-Saarburg und Bitburg-Prüm fahren genauso viele Menschen täglich zum Arbeiten nach Luxemburg. Die drei deutschen Kommunalpolitiker weisen in dem Schreiben an Merkel ausdrücklich darauf hin, dass die Grenzgänger eine Kaufkraft repräsentieren, die dem „lokalen Einzelhandel zugute“ komme.

„Wir sind froh und glücklich über die guten nachbarlichen Beziehungen zum Großherzogtum.“ Der Wirtschaftsstandort Luxemburg sei von „enormer Bedeutung für das Grenzgebiet und damit auch für die Stadt Trier“. Mit dem Kollegen aus Metz und den beiden Landräten wolle er „auf ein steuerrechtliches Problem“ aufmerksam machen, sagt Leibe. Wie hoch der Steuerausfall durch die rund 9000 Pendler in der Stadt Trier sei, könne man nicht exakt beziffern, sagt ein Stadtsprecher. Man müsse aber von einem mittleren einstelligen Millionenbetrag ausgehen. Bitburg-Prüms Landrat Joachim Streit schätzt die Höhe der entgangenen Einkommensteuer im Eifelkreis auf rund 100 Millionen Euro – jährlich. „Das ist für grenznahe Gemeinden ein Problem“, sagt Thomas Müller, Sprecher der Kreisverwaltung Trier-Saarburg. Leibe und die beiden Landräte verlangen ein ähnliches Abkommen wie mit Belgien. Die Orte, in denen viele Pendler lebten, müssten genauso wie andere etwa Kita-Plätze zur Verfügung stellen, hätten also die gleichen Ausgaben wie andere Orte ohne hohen Pendler-Anteil, aber erhielten, weil das Steueraufkommen geringer sei, weniger finanzielle Mittel von Bund und Ländern. Streit spricht von einem „Band der Armut“, das sich in seinem Kreis entlang der luxemburgischen Grenze ziehe. Er betont aber auch, dass daran nicht die Grenzgänger schuld seien. „Die wollen wir mit dem Brief nicht zu Buhmännern machen“, sagt der Landrat.

Der Luxemburger Stadtforscher Markus Hesse kann verstehen, dass die deutschen und lothringischen Kommunen einen finanziellen Ausgleich von Luxemburg fordern. „Das ist nur konsequent“, sagt er. Er bezweifelt aber, dass, falls Macron und Merkel den Hilferuf aus der Großregion an Bettel überhaupt weitertragen, Luxemburg auf die Forderung eingehen wird. Es gebe, so sagt Hesse, im Großherzogtum durchaus auch die Meinung, dass man nicht der Zahlmeister der Großregion sein wolle. Hesse hält diese Haltung für nicht gerechtfertigt. Ohne die Großregion würde Luxemburg schließlich nicht funktionieren und hätte keine Zukunft.

Wie Luxemburg auf die Forderung reagiert, ist nicht klar. Aus dem Finanzministerium hieß es gestern auf TV-Anfrage: „Wir kommentieren das nicht. Beobachter schließen aber nicht aus, dass Luxemburg, statt einen finanziellen Ausgleich zu zahlen, sich noch stärker an grenzüberschreitenden Infrastrukturprojekten wie etwa dem Ausbau des Bahnverkehrs beteiligt.

Luxemburgs Verkehrsminister François Bausch wies kürzlich bei einer Wahlkampfveranstaltung in Trier darauf hin, dass sich Luxemburg in einem nicht unerheblichen Maß am Ausbau der Weststrecke als zusätzliche Bahnanbindung nach Luxemburg beteilige.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort