Gesellschaft 20 Jahre Gemeindepsychiatrisches Zentrum Hermeskeil: Wo Menschen lernen, mit Ängsten zu leben

Hermeskeil · Mitarbeiter des Gemeindepsychiatrischen Zentrums in Hermeskeil helfen seit 20 Jahren Menschen mit psychischen Erkrankungen dabei, ihren Alltag zu meistern. Die Angebote sind vielfältig.

 Im offenen Treff unterhält sich der Leiter des Gemeindepsychiatrischen Zentrums Hermeskeil, Werner Quetsch (links), mit einer Gruppe Klienten. Menschen mit psychischen Erkrankungen finden dort bereits seit 1998 Unterstützung, um mit ihren Psychosen oder Ängsten im Alltag klarzukommen.

Im offenen Treff unterhält sich der Leiter des Gemeindepsychiatrischen Zentrums Hermeskeil, Werner Quetsch (links), mit einer Gruppe Klienten. Menschen mit psychischen Erkrankungen finden dort bereits seit 1998 Unterstützung, um mit ihren Psychosen oder Ängsten im Alltag klarzukommen.

Foto: Trierischer Volksfreund/Christa Weber

Hildegard ist 89 Jahre alt und häufiger Gast in der Hermeskeiler Bahnhofstraße 7. „Als ich schwer krank war“, sagt sie, „da haben mich die Leute hier gerettet“. Immer, wenn es ihr nicht gutgehe, komme sie in den offenen Treff im Erdgeschoss. „Hier trifft man immer jemanden zum Reden und findet gemeinsam einen Ausweg.“ Seit 20 Jahren besucht Hildegard, die ihren Nachnamen lieber nicht nennen möchte, das Gemeindepsychiatrische Betreuungszentrum (GPBZ) in Hermeskeil. Ebenso lange, seit 1998, bietet die Einrichtung Menschen Unterstützung, die an einer psychischen Erkrankung leiden, etwa einer schweren Depression, einer Angst- oder einer Persönlichkeitsstörung.

Der Name des Zentrums, gibt dessen Leiter Werner Quetsch zu, sei „etwas sperrig“. Er spiegele jedoch wider, wie sich die Betreuung psychisch Kranker seit den 1980er Jahren positiv verändert habe. „Vorher gab es Einrichtungen, weit weg von der Heimat und der Familie“, sagt Quetsch. Heute seien die Hilfsangebote in den Kommunen verankert, seit einem neuen Landesgesetz von 1996 in den Landkreisen. Das Hermeskeiler GPBZ ist eine Einrichtung der Barmherzigen Brüder Schönfelderhof und war laut Quetsch landesweit eine der ersten ihrer Art. Das 20-jährige Bestehen wird am 30. September mit einem Tag der offenen Tür gefeiert (siehe Info). Verwaltungssitz ist der Schönfelderhof in Zemmer (VG Trier-Land), vier weitere Betreuungszentren gibt es in Daun, Prüm, Schweich und Bitburg. Oberster Träger ist die BBT-Gruppe, die bundesweit etwa 80 Kliniken und Sozialeinrichtungen betreibt.

Im Umgang mit den Klienten steht laut Quetsch der Betroffene im Vordergrund. „Wir fragen ihn, was er braucht, wo er Hilfe benötigt und entwickeln dann zusammen einen Plan.“ Das Team besteht aus acht Hauptamtlichen unterschiedlicher Fachrichtungen, darunter Pädagogen, Sozialarbeiter und Ergotherapeuten. Hinzu kommen zwei Hauswirtschaftskräfte und ein Fahrdienst. Unter einem Dach gibt es vielfältige Angebote, beispielsweise ambulante Hilfen. „Das heißt, wir gehen zu den Betroffenen nach Hause, in die Familien“, erläutert Albert Mandler, bei der BBT-Gruppe zuständig für psychiatrische Dienste.

Bei vielen psychischen Krankheitsbildern blieben Symptome dauerhaft, auch nach einer medizinischen Behandlung, sagt Mandler. „Manche Betroffene haben ein Problem damit, sich ein Spiegelei zu braten oder alleine einkaufen zu gehen. Deshalb begleiten wir sie dabei.“ Andere zögen sich aus der Gesellschaft völlig zurück. „Wir versuchen dann, Selbstvertrauen wieder aufzubauen und die Leute zu motivieren, damit sie wieder zum Verein oder zum Konzert gehen.“ Oberstes Ziel sei, dass der Betroffene trotz seiner Erkrankung sein Leben positiv gestalte und irgendwann vielleicht wieder ohne Hilfe klarkomme.

 Betreuung, Therapie, Freizeitangebote, Wohnungen: All das gibt es in der Bahnhofstraße 7 unter einem Dach. Das 20-jährige Bestehen der Einrichtung wird am 30. September mit einem Tag der offenen Tür gefeiert. 

Betreuung, Therapie, Freizeitangebote, Wohnungen: All das gibt es in der Bahnhofstraße 7 unter einem Dach. Das 20-jährige Bestehen der Einrichtung wird am 30. September mit einem Tag der offenen Tür gefeiert. 

Foto: Trierischer Volksfreund/Christa Weber

Ein weiteres Angebot ist die Tagesstätte im Haus. Dort können die Klienten gemeinsam kochen, trommeln, malen oder basteln oder mit Betreuern gezielt ihre sozialen und kognitiven Fähigkeiten trainieren. Ergänzend gibt es die Kontakt- und Beratungsstelle, und es werden Freizeitangebote wie Museumsausflüge organisiert. Im offenen Treff, der umgebauten früheren Bahnhofsgaststätte Hotel Wiemers, können die Klienten Kaffee trinken, Kniffel spielen oder sich einfach unterhalten. Für Klienten, die ein sicheres Umfeld brauchen, vermietet das Zentrum auch Wohnungen und bietet Platz in zwei Wohngemeinschaften.

Aktuell nutzen 62 Menschen die Angebote des Hermeskeiler GPBZ, sagt Leiter Werner Quetsch. Die Fallzahl sei mit der Zeit gestiegen, das Gebäude mehrmals baulich erweitert und das Konzept angepasst worden. Zum Einzugsgebiet zählen neben Verbandsgemeinde (VG) Hermeskeil auch der östliche Teil der VG Kell am See und die Höhengemeinden der VG Ruwer. In Einzelfällen werden auch Menschen aus der VG Thalfang betreut.

Die Finanzierung erfolge über verschiedene Modelle, sagt Mandler. Geregelt sei dies über eine Vergütungsvereinbarung mit dem Landkreis Trier-Saarburg, der örtlicher Sozialhilfeträger ist. Dieser finanziere beispielsweise für die offenen Hilfsangebote eine Viertel-Sozialarbeiterstelle. Für die Tagesstätte wird pro Person und Tag ein fester Betrag gezahlt, getragen jeweils zur Hälfte von Kreis und Land. Für die Besuche bei den Klienten gibt es 63 Euro pro Stunde.

Sehr gut funktioniert laut Quetsch die Zusammenarbeit mit den Fachärzten vor Ort. Auch mit der psy­chiatrischen Tagesklinik, die seit Anfang des Jahres am Hermeskeiler Krankenhaus besteht, gebe es einen engen Kontakt. „Wenn dort die medizinischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, aber der Patient noch Unterstützung braucht, dann sind wir da“, sagt Quetsch. Der einfachste Weg für Betroffene, Kontakt aufzunehmen, sei ein Anruf im Zentrum. Dies könne auch ein Arzt oder eine andere Bezugsperson übernehmen. Dann folge möglichst schnell ein Beratungsgespräch: „Das muss nicht hier im Zentrum sein. Wir wollen die Hürden sehr niedrig halten.“ Das GPBZ übernehme auch die Anträge für die Übernahme der Kosten.

Für viele der betreuten Menschen sind die Angebote und der Halt, den ein geregelter Tagesablauf bietet, eine große Hilfe. „Wir sind wie eine Familie hier, ich fühle mich sehr wohl“, sagt Petra Rütten, die in einer der Wohngemeinschaften lebt und sich mit der Trommelgruppe auf einen Auftritt beim Jubiläumsfest vorbereitet. Bettina Schuh ergänzt: „Ohne das Zentrum würden wir uns zu Hause im Bett verkriechen.“ Ihr Mann sei gestorben, erzählt sie. „Aber hier bin ich nicht allein, hier hört immer jemand zu – auch am Wochenende.“

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