20 Jahre Gemeindeschwester in Reinsfeld

Reinsfeld · Am heutigen Mittwoch feiert die frühere Reinsfelder Gemeindeschwester Klothilde Noll ihren 90. Geburtstag. 20 Jahre, bevor sich ein Arzt im Ort niederließ, kümmerte sie sich nach dem Krieg um die medizinische Versorgung der Menschen.

 Die langjährige Reinsfelder Gemeindeschwester Klothilde Noll, besser bekannt als „Tilldschi“, mit einem Foto, das sie als Krankenschwester zeigt. TV-Foto: Ursula Schmieder

Die langjährige Reinsfelder Gemeindeschwester Klothilde Noll, besser bekannt als „Tilldschi“, mit einem Foto, das sie als Krankenschwester zeigt. TV-Foto: Ursula Schmieder

Reinsfeld. Für die Älteren Reinsfelder ist und bleibt Klothilde Noll "et Tilldschi". Die diplomierte Krankenschwester war in der Nachkriegszeit Gemeindeschwester im Dorf. Zu Fuß, per Fahrrad und per Zug besorgte sie in Hermeskeil die benötigten Medikamente. Diabetiker mussten täglich gespritzt werden, wofür sie in ihr Behandlungszimmer kamen, und Krebskranke erhielten mehrmals täglich Morphium.
Den wenigen Ärzten, die es damals gab, wäre es nicht möglich gewesen, die Dorfbevölkerung ausreichend zu versorgen. In Hermeskeil gab es anfangs einen Arzt und zwei Assistenzärzte, in Beuren ab 1948 einen Hausarzt, der in Reinsfeld in "Tilldschis" Wohnung behandelte. Damals seien die Leute ja nicht mobil gewesen, erklärt Noll. Die Ärzte waren daher froh, in größeren Orten wie Reinsfeld, Gusenburg oder Malborn auf Gemeindeschwestern vertrauen zu können. Vor allem in den Nachkriegsjahren, als die medizinische Versorgung dürftig war. Antibiotika oder Penicillin waren Mangelware. Hausgeburten und Pflegefälle hingegen alltäglich. Offiziell übernahm Noll 1949 das Amt der Gemeindeschwester - für 60 Mark monatlich. Erst 1966, als sich ein Arzt in Reinsfeld niederließ, nahm sie eine Stelle im Tuberkuloselabor des heutigen Landesuntersuchungsamtes in Trier an. Ansprechpartnerin für die Reinsfelder war die mit viel Glück aus dem zerbombten Berlin nach Hause zurückgekehrte Krankenschwester schon ab 1947. Damals hatte sie auf fatale Weise ihre Anstellung in der Homburger Uniklinik verloren.
Im Saarland besiegelte eine Verfassung den wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich, was bis 1955 Bestand hatte. Noll und etliche nicht saarländische Kollegen machte das arbeitslos: "Wir Reichsdeutschen mussten raus." Kurioserweise bekam sie zu Hause dann anfangs keine Arbeitserlaubnis. Bei ihrer Flucht aus Berlin hatte sie auch ihre Papiere zurücklassen müssen, so dass sie sich im Grunde illegal in ihrer Heimat aufhielt.
Die Schönheit der Metropole


Dass sie das Ende des Zweiten Weltkrieges in Berlin erlebte, hatte die Ausbildung mit sich gebracht. Nach dem Examen wollte sie ab Mai 1942 nur ein einjähriges Praktikum in Berlin absolvieren, entschied sich dann aber zu bleiben. Anfangs sei es ja schön gewesen in der Großstadt, die sie noch als Kunstmetropole erlebte. Es sei "eine tolle Sache" gewesen, namhafte Dirigenten wie Wilhelm Furtwängler oder Herbert von Karajan im Staatstheater live zu erleben. Bis dann ab Weihnachten 1944 tägliche Bombardements folgten. Nacht für Nacht mussten die Patienten in die Bunker. Fünfmal sei das Krankenhaus in Köpenick bombardiert worden - einmal seien 16 Menschen dabei umgekommen. Am 30. April 1945 geriet Noll in russische Gefangenschaft, konnte aber wenige Tage später in einem unbewachten Augenblick mit fünf Kolleginnen entkommen. Danach ging es "vier Wochen quer durch Deutschland" nach Reinsfeld- zu Fuß, per Boot und teils auch schwimmend.
Die ungewöhnliche Lebensgeschichte der Mutter und dreifachen Oma, einer Schwester des langjährigen Ortsbürgermeisters Alfred Noll, hat Schwägerin Maria Noll in ihrem Buch "Der Weg aus dem Schatten" gewürdigt. urs

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