30 Jahre auf dem Wasser

OBERBILLIG. Im Ort gehören sie zu den letzten Vertretern ihres Berufsstands, der in den vergangenen Jahrzehnten – zumindest in Oberbillig – immer mehr an Bedeutung verloren hat. Einen Großteil ihres Lebens schipperten Maria und Herbert Kock über Flüsse Westeuropas.

An einen Tag im Jahr 1973 erinnert sich Herbert Kock auch heute noch mit etwas Wehmut. Damals verließ der heute 86-Jährige seine "Andrea" - und zwar für immer. Dennoch: "Was vorbei ist, ist vorbei", sagt der rüstige Ruheständler gelassen. Immerhin sei ihm ja noch Maria, seine Frau, geblieben. Neben der "Andrea" besaßen die Kocks nacheinander insgesamt drei Frachtschiffe, mit denen sie rund 24 Jahre lang hauptsächlich Massengüter, darunter Getreide, Erz und Kohle, über Tausende von Stromkilometern beförderten. "Das war kein leichter Job", berichtet der einstige Kapitän. Schließlich sei man von Sonnenaufgang bis -untergang ständig in Aktion gewesen. Dass Maria und Herbert Kock auf dem Wasser ihr Brot verdienen sollten, kam nicht von ungefähr. Bereits die Eltern der heute 84-Jährigen, aus Oberbillig stammenden Maria waren in der Branche tätig. In den ersten Jahren nach dem Krieg schipperten die Kocks gemeinsam mit den Eltern über Flüsse in ganz Westeuropa. 1949 wechselten sie auf den ersten eigenen "Pott" - die "Marlene". Ende der 50er-Jahre folgte der Umstieg auf die "Mosella" und 1966 schließlich auf die "Andrea". Sechs Jahrzehnte Ehe - wie schafft man das?

Sieben Jahre später, nach insgesamt drei Jahrzehnten als Schiffer, gingen die Kocks zum letzten Mal von Bord. Bevor sich Herbert Kock endgültig zur Ruhe setzte, arbeitete er noch rund zehn Jahre lang beim Wasserschifffahrtsamt. Seit über sechs Jahrzehnten sind die beiden verheiratet und damit das älteste Ehepaar ihres Heimatorts Oberbillig. Vor zwei Jahren war Diamantene Hochzeit. Wie man es schafft, so lange zusammenzubleiben? "Man muss auch mal fünf gerade sein lassen", erklärt Herbert Kock. Außerdem: "Wo hätten wir denn auf dem Schiff hin sollen?", fragt er augenzwinkernd. Zueinander fand das Paar über eine Freundin Marias, die den in Lübeck geborenen und als Soldat im benachbarten Frankreich stationierten Herbert während einer Zugfahrt kennen lernte. Bereits 1943 war die Hochzeit, Kinder blieben dem Paar verwehrt. Die Schifffahrt hat Maria und Herbert Kock bis heute nicht gänzlich losgelassen. Etliche Bilder und Requisiten im Haus, darunter ein Anker, eine alte Schiffsschraube und mehrere Laternen erinnern an die Zeit auf dem Wasser. Außerdem ist Maria Kock seit mehr als 15 Jahren Vorsitzende der Nikolausbruderschaft Oberbillig, einem 1912 gegründeten Zusammenschluss von Berufsfischern und Schiffern. Herbert ist dort als Kassenwart für die Finanzen zuständig. Heute zählt der Verein noch rund 80 Mitglieder. Der Heilige Nikolaus ist nicht nur Schutzpatron der Schiffer, sondern auch als Wohltäter bekannt. Jedes Jahr sorgt die Bruderschaft deshalb für die Bescherung der Kinder im Ort, zu der der Heilige mit dem Rauschebart am Vorabend des Nikolaustags mit der Oberbilliger Fähre von Wasserbillig aus in den Ort kommt. Für die Kocks und die anderen bedeutet das viel Arbeit, denn unter anderem sind rund 280 Tüten mit Leckereien zu füllen. Doch das Ehepaar ist an Arbeit gewöhnt - von Sonnenaufgang bis -untergang.

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