600 Bürger sagen "Nein Tanke!"

Grevenmacher/Temmels · Zwei Protestzüge aus Deutschland und Luxemburg haben sich am Samstag in Grevenmacher zu einer Kundgebung vereinigt. Für die anwesenden Bürger und ihre politischen Vertreter ist es der Start in den aktiven Widerstand gegen das Vorhaben, das umstrittene Tanklager bei Mertert sogar noch zu erweitern.

Grevenmacher/Temmels. "No T(h)anks!" steht auf den Schildern, die Kinder und Jugendliche auf dem Vorplatz des Kultur- und Sportzentrums in Grevenmacher hochhalten. Auch auf Deutsch funktioniert das Wortspiel: "Nein Tanke!" steht über grimmigen Totenschädeln und der Zeichnung eines brennenden Tanks. Und die jungen Leute sind mit ihren Schildern nicht alleine: Rund 600 Menschen protestieren gegen die Pläne der zur Hälfte staatseigenen Firma Tanklux, die ihr Kraftstofflager in Mertert entscheidend vergrößern möchte (der TV berichtete mehrfach).Gut die Hälfte der Anwesenden ist aus den Gemeinden Grevenmacher und Mertert auf den Platz geströmt. Die andere Hälfte war schon ein paar Minuten früher da, nachdem sie sich von Temmels aus in Bewegung gesetzt hatte. Trillerpfeifen sind kaum, Parolen gar nicht zu hören: Ein martialischer Auftritt wäre auch sinnlos, am Platz sind augenscheinlich alle einer Meinung - auch die beiden Redner, die den vollen Platz als starkes Zeichen des Volkswillens sehen.Bürgermeister einig

"Es reicht uns", schimpft Léon Gloden, der Bürgermeister von Grevenmacher. "Wir haben genug von der Verschleierungstaktik der Regierung!" Erste Pläne zur Erweiterung des Tanklagers habe man doch 2009 bereits beanstandet, dann sei Ende vergangenen Jahres das noch größere Vorhaben bekannt geworden: die Vergrößerung um das Zweieinhalbfache und auch noch die gewollte Einlagerung von Kerosin. "Wir haben aber keinen Flughafen in Mertert!", ruft Gloden sarkastisch. Dafür gebe es allerdings Wohnhäuser, an die die Tanks näher als 100 Meter heranrücken sollen.Dabei drohe nicht alleine ein katastrophaler Brand - auch sei eine starke Belastung durch deutlich gesteigerten Lastwagenverkehr zu befürchten: "Denn es geht nicht nur um die Lagerung, sondern auch den Verkauf von Benzin", glaubt Gloden. Den Aussagen der Regierung sei nicht zu trauen - besonders, da die bereits vorhandenen einwandigen Tanks aktuelle Sicherheitsstandards eklatant unterliefen.In der jetzigen Projektphase ("Scoping") könnten die luxemburgischen Kommunen rechtlich zwar noch nichts ausrichten - doch spätestens bei der Prüfung der Betriebserlaubnis ("Commodo-Incommodo") komme die Stunde für Gemeinden und Bürger, Tanklux mit Einwänden die Suppe zu versalzen: "Die müssen sich bewusst werden, dass sie in den nächsten zehn Jahren nichts bauen werden!", fordert Gloden und versichert, dass als letztes Mittel "kein Bürgermeister von Grevenmacher, wer immer das sein wird, eine Baugenehmigung erteilen wird!" Karl-Heinz Frieden, Bürgermeister der Verbandsgemeinde und der Stadt Konz, setzt die Ausführungen nahtlos fort: Im Katastrophenfall werde eine 170 Quadratkilometer große Giftgaswolke durch das Moseltal ziehen, über die Region Trier - aber auch das Luxemburger Land, denn: "Wir haben ja nicht immer nur Westwind!" Die erste Frühlingssonne hindert Frieden nicht, apokalyptische Szenen zu beschreiben: Ganze Landstriche müssten evakuiert werden, inklusive Krankenhäuser, in denen plötzlich kein OP-Betrieb mehr möglich sei. "Es ist gar nicht möglich, das alles vorherzusehen", glaubt Frieden - und auch nicht, dass irgendein Rettungsplan "eine solche Situation beherrschbar macht." Doch auch ohne "Super-Gau" drohe Gefahr - schließlich fordere eine EU-Richtlinie ("Seveso-III"), dass Wohngebiete einen Mindestabstand zu gefährlichen Anlagen einhalten. Frieden zählt eine Reihe von Gebieten auf, in denen es womöglich "keine Bebauung mehr" geben werde - neben Mertert selbst auch Nittel, Konz und Tawern. Um das alles zu verhindern, suche man jetzt den grenzübergreifenden "Schulterschluss". Wie das weitere Vorgehen aussehen kann, erläutert Temmels Bürgermeister Herbert Schneider dem Volksfreund: "Wir wollen ein qualifiziertes Gutachten erstellen lassen. Eine Firma haben wir dafür schon im Auge. Das würde uns in die Lage versetzen, auf Augenhöhe mit dem Ministerium zu verhandeln."volksfreund.de/videoMeinung

Kühlen Kopf bewahren! Ein Gau mit Giftgaswolken in alle Richtungen gleichzeitig und ein auch ohne Feuer entvölkertes Konz: Zur Skizzierung möglicher Folgen des Tankausbaus scheint Karl-Heinz Frieden kein Schwarz dunkel genug zu sein. Tatsächlich erscheinen die Pläne einer Firma extrem bedenklich, die gigantische Mengen flüssiger Gefahr jetzt schon in einwandigen Tanks direkt neben Wohnhäusern und der Mosel lagert. Trotzdem ist es eine gute Idee, jetzt ein Gutachten erstellen zu lassen, das die Gefahren mit hohem Sachverstand abschätzt - und eventuell noch ein paar Argumente findet, die sogar in Friedens Höllenliste noch gefehlt haben! trier@volksfreund.deExtra

Im Dezember 2005 geriet in der englischen Stadt Hemel Hempstead das Treibstofflager Buncefield Depot in Brand: Durch einen technischen Defekt kam es erst zu einer Kettenreaktion gewaltiger Explosionen: 20 brennende Tanks vereinigten sich zum größten Feuer in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Es gab keine Todesfälle, aber starke Verunreinigungen von Luft, Wasser, Böden und Gebäuden. 29 Tote waren im September 1954 nach der Explosion eines Kerosinlagers in der Eifel bei Niederstedem zu beklagen. Die hohe Opferzahl kam zustande, weil Richtfestbesucher genau auf dem Deckel des im Boden eingelassenen Tanks standen - und dieser explodierte, als die Güte der Sicherungssysteme demonstriert werden sollte. fgg

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort