Flüchtlingspolitik Flüchtlingshelfer in großer Sorge

Saarburg/Mazedonien · Der nach Mazedonien abgeschobene Rom Fatmir Memedov wurde eigenen Angaben zufolge dort von Verfolgern verprügelt. Seine Unterstützer kämpfen nun noch intensiver darum, dass er und seine Familie zurückkommen können.

   Die Familie Memedov.

Die Familie Memedov.

Foto: Fatmir Memedov

Mehrfache  Bedrohung und Misshandlung in seiner Heimat Mazedonien waren für Fatmir Memedov der Grund, Asyl für sich und seine Familie in Deutschland zu beantragen. Sein Antrag wurde abgelehnt, die Roma-Familie mit drei Kindern zwischen sieben und 14 Jahren im Mai abgeschoben (der TV berichtete). Sie tauchte in Mazedonien unter. Doch nun ist laut Fatmir Memedov genau das wieder passiert, wovor er geflüchtet war: Er wurde verfolgt und verprügelt.

Der Zwischenfall In einer Mail an seine Unterstützer in Deutschland beschreibt er es so: An einem Freitag verlässt er gegen Mittag das Büro seiner Anwältin, zu dem er mit dem Taxi gefahren ist. Spontan entschließt er sich, zu Fuß nach Hause zu gehen. Denn er hält sich sonst die ganze Zeit im Haus auf. Das mache ihn wahnsinnig, meint er. Schon bald merkt der mazedonische Rom, dass ihn drei oder vier Männer verfolgen. Sie kommen ihm immer näher. Unter einer Brücke halten sie ihn fest. Einer schlägt vermutlich mit einem Schlagstock auf seinen Rücken ein. Von den anderen spürt er Fußtritte und Faustschläge. Sein Gesicht schützt er mit den Händen. Mit den Worten „Das war nur ein kleiner Willkommensgruß“ lassen die Männer schließlich von ihm ab.

„Natürlich bin ich nicht zur Polizei gegangen. … Wen soll ich anzeigen? Was soll ich sagen? Wer wird mir glauben?“, schreibt Fatmir Memedov. Er geht davon aus, dass ihn wieder die Polizeieinheit Alpha angegriffen hat. Wie vor der Flucht auch. Immer wieder wird von Misshandlungen durch diese Einheit berichtet. Auch im Mazedonien-Report von Amnesty International ist davon die Rede. Auf Drängen seiner Frau geht Fatmir Memedov nach dem Zwischenfall zum Arzt. Der Mediziner bescheinigt ihm Prellungen an Kopf, Rücken und Wirbelsäule.

Die Hilfsversuche Die Neuigkeiten haben die Unterstützer von Fatmir Memedov, die schon die ganze Zeit um sein Leben gefürchtet und weiter um seine Rückkehr gekämpft haben, aufgeschreckt. Hélène de Wolf sagt: „Wir müssen jetzt eingreifen, um Schlimmeres zu verhindern.“ Denn Fatmir Memedov scheint langsam der Mut zu verlassen. In seiner Mail hat er geschrieben: „Ich hoffe, das alles wird bald ein Ende haben. Wenn nicht, dann werde ich das Ende setzen und mir das Leben nehmen.“ Er hoffe, dass dann alle wieder in Ruhe leben könnten.

Umgehend haben sich de Wolf und Memedovs einstiger Arbeitgeber Markus Schmidt an die Ausländerbehörde der Kreisverwaltung Trier-Saarburg gewandt. Dort hieß es, das Attest sage wenig darüber aus, was passiert sei. Nun setzen die Helfer ihre Hoffnung auf eine Härtefallregelung im Aufenthaltsgesetz. Laut dieser kann „aus dringenden humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden“. Fatmir Memedov muss dafür selbst bei der Botschaft in Skopje vorsprechen. Die Unterstützer sind derzeit dabei, einen Termin dafür zu vereinbaren.

Die derzeitige Gefährdung Memedovs hält sein Anwalt Heinz-Peter Nobert für einen Grund, die Härtefallregelung anzuwenden. Er stellt fest: „Fatmir Memedov ist Kläger in einem Gerichtsverfahren gegen das Innenministerium, in dem es bereits mehrere Verhandlungen gegeben hat. Damit ist er offensichtlich ins Blickfeld des Ministeriums und der mazedonischen Sicherheitskräfte geraten.“

Die Vorgeschichte Memedov hat 2014 wegen unerlaubter Freiheitsberaubung und Rassendiskriminierung gegen das mazedonische Ministerium geklagt. Hintergrund: Laut eigenen Angaben war der damalige Soldat ohne Grund bei einem Polizeieinsatz in Skopje festgenommen worden. Der Einsatz hat sich laut „Europäischem Zentrum für die Rechte der Roma“ (ERRC) generell gegen Wohnungen und Geschäfte von Roma gerichtet. Eineinhalb Tage war Memedov im Gefängnis. Der Europäische Gerichtshof hat die gleichlautende Klage ebenfalls angenommen, der ERRC vertritt Memedov vor Gericht. Hélène de Wolf sagt: „Fatmir ist der Erste, der es gewagt hat, gegen das Innenministerium zu klagen. Der Fall ging damals durch die Presse.“ Anschließend gab es weitere Übergriffe gegen Memedov. Auch seine Frau wurde bedroht.

All das war in dem Ordner, den der Mazedonier mit seinem Asylantrag eingereicht hat, auch mit Filmaufnahmen dokumentiert. Doch der Asylantrag wurde abgelehnt. Genauso wie die Klagen gegen die Ablehnung. Markus Schmidt hatte mit Memedov schließlich einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen, womit dieser das Recht auf Duldung gehabt hätte. Die Kreisverwaltung sagte jedoch, Memedov habe dieses Recht verwirkt, und schob die Familie mit drei Kindern mitten in der Nacht ab. Zuletzt haben Memedovs Helfer versucht, ein Arbeitsvisum für den Mazedonier zu erhalten. Doch auch in diesem Fall hatten sie wenig Erfolg. Die Kreisverwaltung verwies zunächst auf die Wiedereinreisesperre von 30 Monaten nach einer Abschiebung. Sie stellte eine maximale Verringerung um ein halbes Jahr in Aussicht, für weiteres sei eine andere Stelle verantwortlich.

Die Unterstützer De Wolf sagt: „Wenn man will, gibt es Möglichkeiten. Wenn man nicht will, findet man Gründe. Die Kreisverwaltung sucht Gründe, wir finden Möglichkeiten.“ Viele Stunden haben sie und Markus Schmidt sich bereits durch den Behördendschungel gekämpft und auch sonst nach Lösungen gesucht. Oft mussten sie wochenlang auf Antworten warten, wurden hin und hergeschickt.

De Wolf mutet das alles nur noch absurd an. Sie erinnert daran, dass der sechs Sprachen sprechende 36-Jährige in städtischer Terrorabwehr ausgebildet sei - wertvolles Wissen im Hinblick auf Weihnachtsmärkte. Er habe hier Arbeit, habe sich in Deutschland ehrenamtlich engagiert. Aufgewühlt fragt sie: „Ich verstehe es nicht. Was hat Fatmir Memedov in seinem Leben nur falsch gemacht? Er hat in Mazedonien für Gerechtigkeit gekämpft und wurde misshandelt. Dann kam er nach Deutschland, wo er sich während des Jugoslawienkriegs sicher gefühlt hat. Und was passiert? Er wird abgeschoben.“

Die Unterstützer der Memedovs danken allen Spendern. Sie brauchen weiterhin Unterstützung. Konto: IBAN DE 19 5856 0103 0000 295021, Stichwort: Memedov. Mehr Infos auf Facebook: Faces of Deportation – No one more

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