Afghanistan ganz nah

Saarburg · Saarburger und Flüchtlinge sind in der Kulturgießerei aufeinandergetroffen. Einige Afghanen haben dabei die Geschichten von ihrer Flucht erzählt.

 Mit Liebe gekocht: Flüchtlinge tischten traditionelles Essen aus Afghanistan auf. TV-Foto: Herbert Thormeyer

Mit Liebe gekocht: Flüchtlinge tischten traditionelles Essen aus Afghanistan auf. TV-Foto: Herbert Thormeyer

Foto: Herbert Thormeyer (doth) ("TV-Upload Thormeyer"

Saarburg Einsatz für Vielfalt ist für Dr. Anette Barth von der Fach- und Koordinierungsstelle für die Partnerschaft für Demokratie in der Verbandsgemeinde Saarburg eine Selbstverständlichkeit. In der Kulturgießerei haben sich diesmal rund 30 Deutsche mit afghanischen Flüchtlingen getroffen. Einige der Zugewanderten sprachen auch über die Fluchtgründe, gingen dabei aber nicht ins Detail. Zu sehr schmerzt der Verlust der Heimat.
"Afghanen haben es noch schwerer als Flüchtlinge aus anderen Ländern. Deshalb ist die Abschiebung weder nachvollziehbar noch gerecht", sagt Anette Barth in ihrer Begrüßung. Nach wie vor hält das Auswärtige Amt eine Reisewarnung nach Afghanistan aufrecht. Ihr Kampf gilt der Gleichgültigkeit: "Die ist noch schlimmer als Ablehnung."
Michael Weirich war als Soldat der Bundeswehr fünf Mal in Einsätzen beim deutschen Kontingent der internationalen Truppen in Afghanistan und arbeitet jetzt auf dem Sozialamt der Verbandsgemeinde. Er gibt zu bedenken: "Wenn man eine hohe Gefahrenzulage bekommt, spricht das doch Bände." Während seiner Zeit seien 55 deutsche und 3500 internationale Soldaten in Afghanistan gestorben. Er sei schon im Flugzeug beim Anflug auf Kabul beschossen worden.
Dennoch wird die Hälfte der Flüchtlinge dorthin zurückgeschickt. "Das entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge so", sagt er fast entschuldigend.
Saman Casemlo übersetzt alles in Fasi, der am weitesten verbreiteten Landessprache Afghanistans. Der Mangel an Übersetzern ist ein Hindernis für eine erfolgreiche Anhörung. Acht Familien waren mit ihren Kindern gekommen und acht einzelne Flüchtlinge hatten gemeinsam das Fest vorbereitet, bei dem das traditionelle Essen eine wesentliche Rolle spielte. "Ich weiß zwar nicht, was ich da esse, aber es schmeckt wunderbar", freut sich Christian Walter aus Saarburg.
Danach lädt Anette Barth in die Gießhalle ein, wo eine große Leinwand aufgebaut ist. Der Film von Sefallah Kajik (18) und seinem Team wird gezeigt. Eindrücklich bekommt der Zuschauer mit, wie sehr Flüchtlinge unter Heimweh und Einsamkeit leiden, auf die Hilfe anderer Landsleute angewiesen sind, die schon besser Deutsch können, und eine panische Angst vor der Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) haben. In einer Szene wird eine solche Anhörung drastisch nachgestellt, denn eine Gegenfrage des Flüchtlings kann schon zum Scheitern des Asylantrages führen.
Kajik hat ein besonderes Problem: "Ich bin zwar Afghane, aber in Iran geboren." Er sei überall nur Ausländer gewesen und habe noch nie eine Heimat gehabt.
In Interviews trugen Flüchtlinge ihre Fluchtgründe vor. Hamid Rachmani (34) floh mit Frau und vier Kindern vor den Taliban, denn er hatte für die Amerikaner gearbeitet: "Einen Monat waren wir auf der Flucht und haben viel gelitten." Er sei froh, kurz vor Weihnachten, nach Saarburg gekommen zu sein. In Beurig wird er von der Kolpingsfamilie betreut. Sein Wunsch: "Meine Kinder sollen ein besseres Leben haben."
Soraya Rezaye (30) stockt die Sprache, als sie nach den Fluchtgründen gefragt wird. Bei ihrem Aufenthalt in der Türkei ging es ihr auch nicht viel besser als in ihrer Heimat: "Da wirst du auch als Ausländerin betrachtet." Als unverheiratete Frau habe man es besonders schwer.
Ihr Mann Reza (32) erklärt: "Die kalten Nächte mit den Kindern kann sie nicht so schnell vergessen." Er arbeitet in einer Lederfabrik in Trier. Momentan gehe es ihnen gut. Aber die Zukunft ist offen.
Dr. Deeba ist Ärztin auf Besuch von Verwandten in Saarburg. Ihren Nachnamen will sie aus Sicherheitsgründen nicht nennen. Sie erlebte einen Bombenangriff in einem Krankenhaus mit vielen Toten. Sie sagt: "Ich weiß nicht, wie Leute dazu kommen, Afghanistan ein sicheres Land zu nennen.
Weitere Informationen über die aktuelle Situation in Afghanistan gibt es im Internet bei Human Rights Watch unter <%LINK auto="true" href="http://www.hrw.org/world-report/2017/country-chapter/afghanistan" text="www.hrw.org/world-report/2017/country-chapter/afghanistan" class="more"%>.
Extra: BUCHTIPP: KOCHEN RUND UM DIE WELT


Marie-Francoise Boos, die Künstlerin Cordue und Joachim Haupert haben gemeinsam mit dem Freundschaftskreis Serrig-Charbuy ein internationales Kochbuch herausgegeben. Der Titel: Kochrezepte so vielfältig wie wir. Das Weltküchentisch-Projekt enthält Rezepte aus China, Syrien, Vietnam, Belgien, Thailand, Italien, Nigeria, Sri Lanka, Afghanistan, Deutschland, Sardinien, Holland, Großbritannien und Frankreich. Es wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms Demokratie leben gefördert. Informationen gibt es unter Tel. (06581) 923531, (06581) 997322 und (06581) 6138. Das Büchlein kann gegen eine freiwillige Spende in der Saarburger Kulturgießerei, Staden 130 abgeholt werden. Guten Appetit!

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort