Als Pillen von Hand geformt wurden - Saarburger Amüseum zeigt alte Gerätschaften aus der Apotheke

Saarburg · Die Dauerausstellung des Amüseums in Saarburg wird am Sonntag um eine Abteilung erweitert: Das alte Apotheken-Handwerk kommt hinzu. Wolfgang Marchand hat dem Museum Geräte und einen Teil des Schranks aus seiner Marien-Apotheke überlassen. Für Gruppen wird er künftig auch Führungen anbieten.

 Apotheker Wolfgang Marchand.TV: Marion Maier

Apotheker Wolfgang Marchand.TV: Marion Maier

Foto: (h_sab )

Saarburg. Geheimnisvolle Namen stehen an unidentifizierbaren, antiquarisch anmutenden Geräten: Tubenverschließmaschine, Salbenmühle, Zäpfchenmaschine. Wer braucht so was? Ein Apotheker - früher. "Bis in die 70er Jahre haben wir viel selbst hergestellt", sagt Wolfgang Marchand. Der 86-Jährige hat bis vor drei Jahren die Marien-Apotheke in der Graf-Siegried-Straße geführt. Er hat 60,5 Jahre lang gearbeitet. "Da muss alles stimmen, sonst macht man so was nicht", sagt Marchand.Bizarre Maschinen


Doch er hat keinen Nachfolger gefunden, und so endete eine mindestens 240 Jahre alte Tradition. 1771 war die Apotheke, die zu den fünf ältesten der Region Trier zählte, laut einer Urkunde eröffnet worden. Nun ist ein Teil der Marien-Apotheke ins Amüseum umgezogen: bizarr anmutende und auch einfache Geräte sowie ein Stück der Schrankwand aus dem 19. Jahrhundert - mit vielen kleinen Schubladen für Blüten und andere Pflanzenteile und mit Gläschen, die lateinische Namen tragen.
Marchand erklärt gerne, was es mit all diesen Dingen auf sich hat. Das will er auch künftig tun, wenn Gruppen ins Museum kommen. Ansonsten hat der Mann mit dem guten Erinnerungsvermögen einen ganzen Ordner mit Informationen zum Apothekerberuf und wie er früher war, vorbereitet. Den dürfen nun die Museumsführerinnen durcharbeiten, um sich fit für weitere Führungen zu machen.
"Die durchsichtigen Gefäße sind die ältesten", sagt Wolfgang Marchand. Doch habe man festgestellt, dass die Substanzen lichtempfindlich seien und die Gläser von Innen schwarz angemalt. Später wurden Gefäße aus braunem Glas verwendet. Auch die Beschriftung verrät einiges. Mit schwarzen Lettern auf weißem Grund wurden Substanzen beschriftet, die als harmlos galten, wie Minze beispielsweise. Weiß auf Schwarz war für Gifte wie Strychnin reserviert. Sie gehörten in den sprichwörtlichen Giftschrank, den der Apotheker fest verschlossen zu halten hatte.
Viel hat sich geändert in den vergangenen Jahrzehnten. "Heute greifen Apotheker einfach nur in die Schublade und ziehen das fertige Medikament raus", sagt Marchand. Doch er hat jahrzehntelang Salben, Pillen, Zäpfchen und Kapseln für seine Kunden selbst gefertigt.
So wurden die benötigten Wirksubstanzen für Pillen zusammengewogen, mit der Pillenmasse zu Brei gestoßen und dann ein Strang geformt - "wie beim Brezeln machen", sagt der agile Mann, dem der weiße Apothekerkittel immer noch gut steht. Auf dem Pillenbrett wurde der Strang zu kleinen Walzen geschnitten und rund geformt.
"Heute hat die Industrie uns die Arbeit abgenommen und liefert in einer Reinheit, die wir so gar nicht schaffen konnten", sagt Marchand. Doch nicht alles ist besser. Die Menschen seien heute empfindlicher. So klingele im Nachtdienst jemand auch schon mal um 4 Uhr morgens, um ein Schnupfenmittel zu bekommen.
Auf der anderen Seite lehnten viele Pharmazeuten heute die Selbstständigkeit ab, weil es schwierig sei, wirklich noch Geld zu verdienen. 500 Apotheken würden pro Jahr in Deutschland schließen, sagt Marchand, noch gebe es genügend.
Ein Teil seiner Apotheke lebt nun im Amüseum, das eigens dafür leicht umgebaut wurde, weiter - neben anderen traditionellen Handwerkerberufen wie Drucker, Schuster, Gerber und Schiffer.
Der Ausstellungsbereich "Handwerk Apotheke" wird am Sonntag um 11 Uhr im Amüseum in Saarburg eröffnet. Generell ist die Schau zu folgenden Zeiten zu besichtigen: montags bis freitags, sonntags und feiertags: von 11 bis 16 Uhr, samstags geschlossen.

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