Am Anfang war die Jagd

MANDERN. Mit einem Tag der offenen Tür feiert am 9. September das mit 844 Mitarbeitern größte Unternehmen im Hochwald Jubiläum. Vor 50 Jahren wurde das Bilstein-Werk in Mandern gegründet. Warum dabei die Jagd eine Ausschlag gebende Rolle spielte, zeigt der Blick in die Firmenchronik, den der TV vorgenommen hat.

Wald- und Wildreichtum sind Kennzeichen einer weitgehend intakten Naturlandschaft - eine Aussage, die auch für den Hochwald gilt. Nur auf den ersten Blick erstaunlich ist hingegen die Behauptung, dass diese Rahmenbedingungen auch wirtschaftlichen Aufschwung, Beschäftigung und damit mehr Wohlstand für viele Menschen bedeuten können. Denn für die Richtigkeit dieser These ist der Hochwald ein Paradebeispiel. Das liegt vor allem an einem Mann: Hans Bilstein. Der Fabrikant und Alleininhaber der Firma "August Bilstein", die seit 1873 im Sauerland Baubeschläge herstellte, war ein leidenschaftlicher Jäger und hatte sich Anfang der 1950er-Jahre den Manderner Rotwild-Bezirk als Revier auserkoren. Schönheit des Hochwalds zieht Unternehmer an

Im Hochwald gefiel es ihm so gut, dass er sich 1954 in Waldweiler ein Jagdhaus bauen ließ und in der Folge engere Kontakte zur Bevölkerung und den lokalen Würdenträgern knüpfte. Zur selben Zeit stand Bilstein jedoch vor einem unternehmerischen Problem. "Nachdem er 1954 Stoßdämpfer als neues Erzeugnis ins Programm aufgenommen hatte, wollte er sich ausdehnen. Das war im heimischen Werk in Ennepetal, das mitten in der Stadt liegt, aber nicht möglich", erzählt Erwin Berens, der in den zurückliegenden Wochen eine 100-Seiten starke Firmenchronik zusammengestellt hat. Also setzten sich der damalige Bürgermeister der Amtsverwaltung Kell, Michael Scholtes, und der einstige Manderner Ortsbürgermeister Peter Stüber mit Nachdruck bei Bilstein dafür ein, dass er sich im Hochwald niederlassen solle. Denn: "Immer wieder hatten wir die Notwendigkeit genannt, dass die einseitig landwirtschaftliche Struktur des Hochwaldgebiets verändert werden muss. Industriebetriebe müssen her", erinnerte sich der inzwischen verstorbene Stüber in einem Interview, das sich in der Chronik findet. Ein geeignetes Gelände mit Gleisanschluss hatten die Kommunalpolitiker bereits ins Auge gefasst: nämlich am Bahnhof Schillingen. Und Bilstein biss an. Nachdem er das Areal sondiert hatte, sagte er zu Stüber: "Hmm, das könnte was werden. In sechs Wochen kommen ich wieder." "Bilstein wusste, dass er hier billige und willige Arbeitskräfte bekommen würde und das Bauland preiswert ist", vollziehen heute Personalleiterin Marita Petry und Teamleiter Patrick Krantz die Standort-Entscheidung des Firmengründers nach. Als es jedoch um den Verkauf von Grundbesitz ging, sei die Bevölkerung wochenlang in zwei Lager gespalten gewesen, berichtete der frühere Ortsbürgermeister im Interview. "Schließlich siegte die Einsicht aber auch bei den Widerspenstigen", so Stüber weiter. Start 1956 mit 19 Mitarbeitern

Damit war der Weg für die Errichtung des Manderner Werks frei, die 1955 begann. Am 9. September 1956 startete dann die Produktion auf dem 2800 Quadratmeter großen Gelände, wobei zunächst von den damals 19 Mitarbeitern ausschließlich Baubeschläge für Fenster gefertigt wurden. Das Werk expandierte jedoch schnell, zumal 1958 zwei weitere Standbeine hinzukamen: nämlich die Produktion von Stoßdämpfern und Wagenhebern. Das machte mehrere Anbauten an die Produktionshallen notwendig und führte dazu, dass 1966 bereits 500 Menschen bei Bilstein arbeiteten. Nachdem der Firmengründer 1970 tödlich verunglückt war - er wurde vor dem Werksgelände in Ennepetal von einem Motorrad überfahren - übernahmen unterschiedliche Geschäftsführer die Leitung des Werks, bevor 1988 ein Meilenstein in der Bilstein-Geschichte folgte: Das Familienunternehmen wurde damals vom Hoesch-Konzern übernommen, die 1992 wiederum mit Krupp verschmilzt. Bereits ein Jahr zuvor, 1987, hatte Bilstein die Produktion von Baubeschlägen in das ehemalige Reinsfelder Romika-Werk verlagert. 1995 trennte sich das Unternehmen dann endgültig von der Sparte Baubeschlag, mit der einst in Mandern alles begann. Ein weiterer Einschnitt folgte bereits 1996, als die Wagenheber-Produktion nach Tschechien umsiedelte. Somit verbleibt die Fertigung von Stoßdämpfern als Kerngeschäft im Manderner Werk, das nach mehreren Fusionen von Großunternehmen offiziell als "ThyssenKrupp Bilstein Suspension GmbH" firmiert. Beim Blick in die Firmenchronik sind schließlich aber noch zwei weitere Daten zu erwähnen. Ein Höhepunkt stellte 1976 sicher die Stippvisite der legendären Rallye Monte Carlo auf dem Werksgelände dar. Am 5. Januar 1995 sorgte eine anonyme Bombendrohung, die sich letztlich als übler Streich entpuppte, für viel Aufregung.

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