Angeklagter beruft sich auf Gedächtnislücke

Nach dem Tod des Bruders auf der L 4 zwischen Sinspelt und Neuerburg steht der 37-jährige Angeklagte seit gestern vor dem Landgericht Trier - wegen des Vorwurfs der versuchten Tötung durch Unterlassen. Er behauptet, sich an kaum etwas erinnern zu können.

Neuerburg/Trier. (neb) Es ist ein bulliger Mann, der am Donnerstag auf der Anklagebank im großen Sitzungssaal des Landgerichts Trier Platz nimmt. Mit seiner kräftigen Statur und den raspelkurz geschorenen Haaren wirkt er so, als könne ihn so leicht nichts umhauen.

Doch der Eindruck täuscht: Schon nach einer Viertelstunde muss die Vorsitzende Richterin Petra Schmitz den Prozess gegen den 37-Jährigen, dem die versuchte Tötung seines Bruders durch Unterlassen vorgeworfen wird, unterbrechen. Weil der Angeklagte schon bei ihrer Frage nach seinem Lebensweg regelrecht zusammenbricht, mit den Tränen kämpft und keine Worte findet.

Bruder springt aus fahrendem Auto



Dabei geht es anfangs noch nicht einmal um das Geschehen, das Mitte Februar dazu führte, dass sein 28-jähriger Bruder auf der L 4 zwischen Neuerburg und Sinspelt aus einem fahrenden Wagen in den Tod sprang. Mit geröteten Augen und gesenktem Kopf schildert der Angeklagte nach der Unterbrechung leise seinen Lebenslauf, berichtet von einem gewalttätigen Vater, einer alkoholkranken Mutter und einem jüngeren Bruder, der auf die schiefe Bahn geriet.

"Mein Bruder war sehr oft im Gefängnis", schildert er mit brüchiger Stimme. Zuletzt nimmt der ältere Bruder den jüngeren unter seine Fittiche - bis zu dem verhängnisvollen Trip in die Eifel Mitte Februar. Autoteile habe er kaufen wollen, begleitet von einem Fahrer, den er engagiert hatte, und seinem Bruder, erklärt der Angeklagte.

Drei bis vier Flaschen Wodka habe er am Tattag mit dem Bruder geleert - Grund dafür, dass er nur noch "bruchstückhafte Erinnerungen" an das Geschehen habe. Der 37-Jährige schildert dem Gericht einen heftigen Streit mit dem 28-Jährigen, nachdem dieser bei einem Stopp in Neuerburg einen Durchlauferhitzer gestohlen hatte.

"Ich weiß nur, dass ich die ganze Zeit auf meinen Bruder eingeredet habe", sagt der Angeklagte unter Tränen. "Das Nächste, an das ich mich erinnern kann, ist, als der Fahrer mir gesagt hat, mein Bruder sei rausgesprungen."

Doch der Fahrer sei einfach weitergefahren - trotz seiner Bitte anzuhalten. Erst auf einem nahegelegenen Parkplatz habe dieser gewendet und sei zur Unfallstelle zurückgekehrt. Da habe er seinen Bruder auf der Straße liegen sehen. "Das ist ein Bild, das ich bis an mein Lebensende behalten werde", erklärt der 37-Jährige, der behauptet, sich an das weitere Geschehen nicht mehr erinnern zu können.

Warum er sich denn bei der polizeilichen Vernehmung an viel mehr Details entsinnen konnte als in der Hauptverhandlung, wollen Richter und Staatsanwalt von ihm wissen.

Nächser Verhandlungstermin Anfang September



"Als ich mit der Polizei gesprochen habe, wollte ich das Ganze aufklären und habe das erzählt, woran ich mich erinnerte, und auch das, was ich später vom Fahrer erzählt bekam", antwortet der Mann.

"Eine andere Erklärung ist, dass Sie heute versuchen, sich aus der möglichen Verantwortung herauszureden", kontert der Beisitzende Richter Hermann-Josef Weber.

Und Staatsanwalt Eric Samel erklärt sich die Widersprüche zur früheren Aussage des Angeklagten folgermaßen: "Ich glaube, dass Sie uns nach Strich und Faden anlügen."

Ob dem tatsächlich so ist, soll nun die Beweisaufnahme ans Licht bringen: Der nächste Verhandlungstermin ist für Anfang September angesetzt.

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