Anwohner von Ayl hinterfragen Ortskernpläne

Ayl · Fast 100 Menschen drängen sich im Bürgersaal, um dabei zu sein, wenn es um die Gestaltung des Ayler Ortskerns geht. Wohnungen sollen dort entstehen, wo marode Altbauten abgerissen werden. Eine Tiefgarage ist im Gespräch. Wohin mit den Autos der Menschen, die hierher ziehen? Das fragen sich viele im Dorf.

 Claudia Becker hat ihre Zweifel, ob im Ortskern für mehr Menschen, und damit mehr Autos, gleichermaßen Platz ist. TV-Fotos (2): Herbert Thormeyer

Claudia Becker hat ihre Zweifel, ob im Ortskern für mehr Menschen, und damit mehr Autos, gleichermaßen Platz ist. TV-Fotos (2): Herbert Thormeyer

Foto: Herbert Thormeyer (doth), HERBERT THORMEYER ("TV-Upload Thormeyer"

Ayl. Die rund 70 Stühle im Ayler Bürgerhaus reichen nicht. Fast 100 Menschen kommen, um über die Gestaltung ihres Ortskerns zu diskutieren. Es geht um ein 1100 Quadratmeter großes Areal am Dorfplatz, das die Gemeinde 2016 erworben hat. Ortsbürgermeister Siegfried Büdinger beruhigt: "Es ist noch nichts passiert. Wir zeigen hier nur erste Überlegungen auf." Zu diesen gehört, dass die drei zum Teil schon länger leer- stehenden Wohnhäuser mit Nebengebäuden auf dem Areal abgerissen werden. Da sich die Fläche im Sanierungsgebiet befindet, ist mit Fördermitteln zu rechnen (der TV berichtete mehrfach).

Die Idee: Jung und Alt sollen künftig in Ayls Mitte Tür an Tür wohnen, barrierefrei versteht sich. Ihre Autos parken sie in einer Tiefgarage. Architektin Vanessa Neukirch zeigt erste Entwürfe für die Häuser, in denen auch eine Begegnungsstätte untergebracht werden soll. "Das wird kein großer Klotz, sondern vier Häuser. Alle Wohnungen bekommen einen Balkon", erklärt die Planerin. 60-, 70- und 90-Quadratmeter-Wohnungen könnten auf drei Etagen (Dachgeschoss inklusive) mit insgesamt 1300 Quadratmetern Fläche entstehen. Bis zu 18 Wohneinheiten seien möglich. Darunter soll eine Tiefgarage mit 24 Stellplätzen die Parksituation entschärfen. Der Dorfplatz könnte gestaltet und von parkenden Autos befreit werden. "Das ist noch lange kein endgültiges Konzept", macht der Ortschef wieder klar.

Hilfe beim Finden einer Lösung verspricht Christiane Hicking. Sie soll - einen Landeszuschuss vorausgesetzt - Ayl wahrscheinlich ab Sommer als Dorfmoderatorin zur Seite stehen. Dann könnten mehrere Arbeitsgruppen von Bürgern an Lösungen mitarbeiten, die alle zufriedenstellen. Sie weiß aus 25 Jahren Erfahrung: "Ohne die Beteiligung der Bevölkerung geht das nicht." Ayl habe eine spannende Situation, enge Bebauung, aber auch Leerstände. Es gebe eine gute Chance, dass der Ortskern profitiere und wieder mehr Leben einziehe. Mit dazu beitragen kann eine Begegnungsstätte mit Café. "Das ist auch wichtig für Touristen", findet Ortschef Büdinger.

Fragen: Aus dem Publikum meldet sich Susanne Kaypinger und fragt: "Wie wird gewährleistet, dass die passende Mischung zwischen Jung und Alt einzieht?" Büdinger antwortet: "Wir müssen einen Investor finden, der in diese Richtung denkt." Die Ortsgemeinde könne Vorgaben festlegen, wie die Neubauten auszusehen haben und welche Gestaltung und Nutzung im Ortskern gewährleistet sein müssten, betont der Ortschef.

Der Gegenentwurf: Florian Lauer gehört zu einer Handvoll Anwohner, die sich im Vorfeld kritisch mit der Planung der Ortsgemeinde auseinandergesetzt haben. Er präsentiert einen eigenen Gestaltungsentwurf mit Freilegung des Bachlaufes und Grün im Ortskern. "Das sind leider nur 350 Quadratmeter, erfahrungsgemäß zu wenig für einen Dorfplatz", erklärt Planerin Hicking. "Bei Freilegung von Bachläufen, die mit der Aktion Blau des Landes finanziert werden, muss der Bach von der Quelle bis zur Mündung renaturiert werden", erklärt Jürgen Kremer vom Bauamt der Verbandsgemeinde Saarburg. Weiter wird von Lauer das Dorfcafé im ehemaligen Sparkassengebäude vorgeschlagen und sogenannte Erdhäuser im Hang neben dem Bürgerhaus, um neuen Wohnraum zu schaffen. "Das hat der Kreis bereits abgelehnt", entgegnet der Ortsbürgermeister.

Die Fragebogenaktion: Jetzt kommt Claudia Becker ins Spiel, die eine Fragebogenaktion gestartet hat. Sie stellt fest: "Die Anzahl der Parkplätze deckt sich mit der Planung nur, wenn die Leute keinen Besuch bekommen." Die meisten seien mit der Parksituation schon jetzt unzufrieden. Es gebe zu wenig Grünfläche und zu wenige Spielmöglichkeiten für Kinder, habe sie bei ihrer Umfrage festgestellt. Kurt Müller vom Ingenieurbüro Boxleitner hat errechnet, dass es am Tag rund 25 Autobewegungen mehr im Ortskern geben kann, und kaum mehr Lärm. "Die Parksituation kann gelöst werden. Daran müssen wir arbeiten", ist Architekt Gerd Kinzinger sicher. Bei allen Anregungen schreibt die künftige Dorfmoderatorin Christiane Hicking fleißig mit. Sie hat auch Kahren im Wettbewerb Unser Dorf hat Zukunft zu höchsten Ehren geführt und will ab Sommer Arbeitsgruppen bilden, die Lösungen für alle in Ayl finden.

Der Investor: Derweil hat Ortsbürgermeister Siegfried Büdinger auch schon Gespräche mit potenziellen Investoren geführt. Er sagt: "Ja gesagt hat noch keiner." Nach vielen Nachfragen ist die insgesamt sachlich verlaufene Einwohnerversammlung beendet.Extra

Anwohner von Ayl hinterfragen Ortskernpläne
Foto: Herbert Thormeyer (doth), HERBERT THORMEYER ("TV-Upload Thormeyer"

Die bisherigen Kosten: Die Gemeinde Ayl hat laut Ortsbürgermeister Siegfried Büdinger samt Nebenkosten 150 000 Euro für die 1100 Quadratmeter große Fläche im Ortskern bezahlt. Die Abrisskosten schlagen laut Büdinger mit 174 000 Euro zu Buche. Ein Zuschuss von 69 600 Euro, der ursprünglich für die nicht verwirklichte Begegnungsstätte in der Kirchstraße gedacht gewesen sei, könne für den Abriss verwendet werden, hieß es. Unterm Strich stehen also derzeit 254 400 Euro, die von der Ortsgemeinde vorgestreckt wurden. doth

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