Asylantrag von Roma-Familie in Wincheringen abgelehnt - Zehnjährige sammelt Unterschriften gegen Abschiebung

Wincheringen · Über Familie Dogani aus dem Kosovo sagt Ortsbürgermeister Elmar Schömann: „Diese Menschen sind Wincheringer“ Seit 14 Monaten leben sie in der Gemeinde des Kreises Trier-Saarburg und sind Schömann zufolge voll integriert. Doch die Roma-Familie soll abgeschoben werden. Nicht nur der Ortschef will das nicht wahrhaben.

"Bei jedem Fahrzeug im Morgengrauen werden sie nervös", sagt Elmar Schömann und schaut besorgt zu Faradin Dogani. Der schmächtige Mann, der gebrochen Deutsch redet, nickt, nachdem sein Schwager übersetzt hat. Mit seiner Frau Sakibe und seinen drei Söhnen ist er vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen. Seit 14 Monaten leben die Doganis in Wincheringen. Die Roma-Familie aus Prizren im Kosovo hat Asyl beantragt, doch der Antrag wurde abgelehnt. Im Schreiben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge wurden die Doganis vergangene Woche aufgefordert, Deutschland innerhalb einer Woche zu verlassen. Doch wohin? Sie fühlten sich hier zu Hause und hätten Angst zurückzukehren, sagt der Familienvater.

Sicherer Herkunftsstaat?

Er habe Stress als Abgeordneter gehabt genau wie sein Bruder. Dieser lebe - verheiratet mit einer Deutschen - mittlerweile in Düsseldorf. Im Kosovo sei sein Bruder mehrfach mit einem Messer angegriffen und verletzt worden. Eine Anzeige bei der Polizei habe nichts gebracht. "Der Onkel des Täters arbeitet bei der Polizei", erklärt Dogani achselzuckend. Er selbst sei von einer Gruppe um den Täter herum bedroht worden.

Der Kosovo, ehemals Teil von Serbien, ist von Deutschland und 110 weiteren Ländern als unabhängig anerkannt und gilt laut deutscher Regierung als sicherer Herkunftsstaat. Organisationen wie Amnesty international sehen das kritisch (Extra). In der Ablehnung des Asylantrags heißt es, man gehe davon aus, dass Polizei und Justiz im Kosovo funktionierten.

Dogani sagt: "Als Roma bist du vom Status her im Kosovo ganz unten und das, obwohl wir dieselbe Sprache sprechen, Serbisch." Arbeit zu finden sei schwierig, nur kurze Zeit habe er in seiner Heimat als Mechaniker gearbeitet.
Um seine Familie über Wasser zu halten, habe er in Prizren Dosen und Plastikflaschen gesammelt. Dogani: "Hier kannst du dich hocharbeiten, als Roma im Kosovo hast du keine Chance." Zunächst war er in Wincheringen als Gemeindearbeiter tätig, seit vier Monaten arbeitet Dogani Vollzeit als Mechaniker in einer Autowerkstatt in Nennig. Seine Frau ist auf der Suche nach einem Minijob.

Ortsbürgermeister Schömann sagt: "Er arbeitet gerne und ist handwerklich gut drauf. Würden wir eine neue Stelle schaffen, wäre er meine erste Wahl." Auch Doganis neuer Chef ist mit seiner Arbeit zufrieden. Werkstattinhaber Ortwin Pilz sagt: "Er hat sich hier gut eingelebt. Mit der Sprache ist es noch schwierig, aber wir haben auch einen deutschsprachigen Kosovaren hier. Ich wäre froh, wenn er hierbleiben könnte."

Abschiebung nicht sofort

Das wünscht sich auch Ortschef Schömann - und denkt dabei an die menschliche Seite. Er sagt: "Die Familie, die auf eigenen Füßen stehen will, ist gut integriert und sehr beliebt. Einer der Söhne spielt in der Jugendmannschaft Fußball. Überall - ob im Gemeinderat oder in den Vereinen - herrscht großes Unverständnis darüber, dass die Doganis gehen sollen." Schömanns Plädoyer gipfelt in der Feststellung: "Diese Menschen sind Wincheringer." Nun müssten sie zurück in die Ungewissheit. Alle Bemühungen für die Familie, die von Ehrenamtlichen unterstützt worden sei, seien dann umsonst gewesen. Schon einmal habe die Abschiebung kurz bevorgestanden, da seien im Ort 600 Unterschriften dagegen gesammelt worden.

Diesmal hat die zehnjährige Jenny Repplinger aus der Nachbarschaft zusammen mit einer Freundin und ihrem Cousin bereits 160 Unterschriften zusammengetragen. Das Mädchen sagt: "Hassan ist in der Klasse über mir. Er ist ein netter Kerl, die ganze Familie ist nett. Ich will, dass sie bleiben." Ihr Vater Thomas Repplinger sieht das ähnlich und ergänzt: "Die Doganis sind sehr hilfsbereit und extrem freundlich. Die Jungs sind in der Schule und im Sportverein voll integriert." Weil sie zwei Tage nicht in der Schule gewesen seien, habe seine Tochter schon einmal gedacht, die Familie sei abgeschoben worden. Das habe sie richtig mitgenommen.

Nachdem auch der Eilantrag der Doganis gegen die Ablehnung des Asylantrags abgelehnt wurde, ist nun die Kreisverwaltung für die Familie zuständig. Laut Pressesprecherin Martina Bosch wird die Behörde der Familie im Gespräch die freiwillige Ausreise empfehlen. Reagiere sie nicht innerhalb einer festgesetzten Frist, werde die Abschiebung - mit Frist - angedroht. Erst danach werde abgeschoben.
Meinung

Von Marion Maier

Beklemmend

Welche Länder gelten in Sachen Asyl als sichere Herkunftsstaaten? Wer Familie Dogani kennt, für den ist diese Diskussion der großen Politik auf einmal Teil der Wirklichkeit vor der Haustür. Die Debatte erhält ein Gesicht, genauer gesagt fünf Gesichter. Zusammen mit den Hinweisen von Amnesty international, dass Roma im Kosovo diskriminiert würden und die dortige Regierung sie nicht vor rassistischen Angriffen schützen könne, erhalten die Schilderungen der Familie eine beklemmende Dimension. Die Familie fühlt sich bedroht. Vorausgesetzt sie sagt die Wahrheit, stellt sich die Frage: Wie genau wird der Einzelfall noch betrachtet, wenn Menschen aus einem sicheren Herkunftsland Asyl beantragen? Der Fall Dogani macht da misstrauisch. Eine pauschale Ablehnung wäre ein Skandal und eine menschliche Katastrophe. m.maier@volksfreund.deHintergrund Kosovo

Die Menschenrechtsorganisationen Pro Asyl und Amnesty International sehen die Lage der Roma im Kosovo kritisch. Bei Pro Asyl heißt es im September 2015: "Auch die Situation in … Albanien, Kosovo und Montenegro kann keinesfalls als ,sicher' gelten. Im Kosovo haben nach dem Kosovokrieg im Zuge der ethnischen Segregation härteste Verfolgungen von Roma … stattgefunden." In einem Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau vom August 2014 schrieb Selmin Çal?þkan, Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International: "… die Menschenrechtslage in Mazedonien, Serbien und Bosnien sieht alles andere als rosig aus. Gerade Roma sind nicht ,sicher' vor Verfolgung. Sie sind strukturell benachteiligt, leben am Rande der Gesellschaft. Oft buchstäblich: Am Rand von Städten, in Industriegebieten, manche Familien auf der Müllkippe. Oft sind sie damit praktisch abgeschnitten vom Arbeitsmarkt, von medizinischer Versorgung und die Kinder von vernünftiger Schulbildung. Dazu kommt, dass die Regierungen sie nicht vor rassistischen Angriffen schützen und Politiker teilweise die Vorurteile gegen sie noch schüren. In der Summe können diese mehrfachen Diskriminierungen - auch nach den strengen Maßstäben des Asylrechts - eine Verfolgung darstellen." mai

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