Alte Zünfte Wie ein Schnaps- und Lohnbrenner jedermanns Obst in die Flasche bringt

Fisch · Roland Lutz aus dem Viezdorf Fisch im Saargau gehört zu einer aussterbenden Zunft. Der TV hat beispielhaft dem Brenner, der auch für andere Leute aus Viez edle Brände herstellt, über die Schulter geschaut.

Viez ist nicht alles: Um aus Äpfeln, Birnen, Zwetschen und Mirabellen etwas „Gutes“ zu machen, wie Schnapsbrenner Roland Lutz aus Fisch es nennt, lassen sich Obstweine wie beispielsweise Apfelmaische nach der Gärung auch noch in der Brennblase veredeln.

In der Ortsgemeinde Fisch im Saargau an der Viezstraße haben Obstbau, die Viezproduktion und auch das Schnapsbrennen eine lange Tradition. Roland Lutz hat das alte Brenner-Handwerk von Vater und Großvater gelernt. „Bei uns im Haus wurde immer gebrannt.“ Dabei ist der 63-Jährige  nicht nur Schnaps-, sondern auch Lohnbrenner. Er produziert also nicht nur vom Obst seiner eigenen Bäume Schnaps, sondern brennt auch für andere „Stoffbesitzer“, wie er sie nennt.

Aber wie wird man überhaupt Lohnbrenner? „Es gibt Jahre, da hast du selbst nicht viel Obst, dafür andere um so mehr. Und da wurde ich gefragt: ‚Kannst Du für mich brennen?’“ Seine Kunden, erzählt Lutz, kommen aus dem gesamten Kreis Trier-Saarburg – bis von Kell aus dem  Hochwald.

Mal sind es 500 Liter Apfelmaische, mal 100 Liter Williams-Christ-Birnen-Maische oder Obstwein aus Mirabellen oder Zwetschen: Seine Kunden bringen ihm unterschiedliche Obstmaischen zum Brennen.  Dabei hat das Brennen als uraltes Handwerk auch einen geselligen Aspekt: „Man quatscht viel mit Leuten und kann ihnen etwas Gutes tun. Wenn Ausgangsprodukt und  damit auch der Brand gut geraten sind, freue ich mich für die Kunden. Das macht mir Spaß“, erklärt der ehemalige Verwaltungsmitarbeiter, der sich schon seit Jahrzehnten mit dem Schnapsbrennen „etwas dazu verdient“.

Wer seine Apfelmaische oder den Wein aus anderen Obstsorten in eine hochkonzentrierte Form bringen möchte, der kann seine Fässer mit Obstmaische also zum Lohnbrenner Lutz nach Fisch bringen.

Aus 100 Litern Apfelmaische mit sechseinhalb Prozent Alkoholgehalt, die Lutz  an diesem Morgen um Punkt 8 Uhr in die Brennblase schüttet, entstehen in rund einer Stunde fünf Liter Destillat mit rund 70 Prozent Alkoholgehalt. Nach Verdünnung mit dem Fischer Wasser hat der trinkfertige Edelbrand schließlich einen Alkoholgehalt von 43 Prozent. Doch schon bevor bei einer Temperatur von 80 Grad Celsius die Destillation beginnt und  der Alkohol aus der Maische emporsteigt, verbreitet sich in der Brennerei von Roland Lutz am frühen Morgen der Duft feiner Apfelaromen.

Beim Brennvorgang verlässt sich der 63-Jährige größtenteils auch auf seinen Geruchs- und Geschmackssinn. Dabei muss auch gegen 8.30 Uhr, wenn die Brennblase so langsam auf Temperatur kommt, schon probiert werden. Denn beim Brennen müssen Vor-, Mittel- und Nachlauf voneinander getrennt werden. Nur der Mittellauf kommt in die Flasche und ist zum Trinken geeignet.

Zur Bestimmung dessen, was da gerade über das Dampfrohr aus dem Brennkessel läuft, reicht es dem erfahrenen Brenner Lutz, wenn er einen Tropfen des Destillats  vom Finger leckt. Wenn es noch wie „Uhu“ riecht und schmeckt, wie er sagt, dann ist das noch „Vorlauf“. Zum Trinken eignet sich der Vorlauf, der überwiegend aus giftigem Methanol besteht,  nicht. Weggekippt wird er trotzdem nicht. „Denn viele ältere Leute schwören bei Rücken- oder Knieschmerzen darauf und reiben sich mit Vorlauf ein.“

Wann der richtige Zeitpunkt für die Abtrennung gekommen ist, verraten dem erfahrenen Brenner die Geschmacksnerven. „Ich probiere und habe im Gefühl, wenn es für die Flasche ist.“ Wenn Lutz nach rund zwei  Litern Vorlauf  das Auslassventil seiner Brennblase umstellt, um Vor- und Mittellauf zu trennen, dann läuft der echte Edelbrand  aus dem Hahn in einen sauberen Edelstahleimer unter dem Dampfrohr, in dem der Alkoholdampf durch Kühlwasser wieder verflüssigt wird.

Bei 100 Litern Apfelmaische sind das an diesem Morgen rund fünf Liter Mittellauf, bevor es wiederum anfängt, „fade zu schmecken“, wie der Experte sagt, und der Nachlauf aus der Anlage läuft. Lutz trennt diesen ebenfalls wieder ab, denn es geht ja nur um das „Gute“, den Mittellauf eben.

„Früher, nach dem Krieg, wurde hier sogar mit Schnaps gehandelt.“ Ob mit Williams-, Mirabelle-, oder Apfelbrand: „Damit hat man sich in Trier und anderenorts Sachen gekauft, die man hier in Fisch nicht hatte.“ Aber den Schnaps, den man sich daheim im Saargau behalten habe, wie den der Zwetsche, sei dann meist doch noch etwas besser gewesen.

Früher hätten die Leute viel mehr Edelbrand und dabei hauptsächlich aus Äpfeln und Birnen  getrunken als heutzutage, meint  Brenner Lutz. „Heute kommt ja kaum mal mehr einer einen ganzen Liter Schnaps kaufen. Dabei kann man doch auch mal mit einem Kollegen zwischendurch einen Schnaps trinken. Da braucht man gar kein Essen für“, meint der Brenner, der sich, nach seinem Lieblingsschnaps gefragt, als „Mirabellen-Trinker“ outet. Dabei gibt es zum Obstbrand in Lutz‘ Brennerei doch auch regelmäßig etwas Deftiges auf die Gabel: Für den Fischer Lohnbrenner hat es nämlich Tradition, am Ende des Brenntages, der manchmal schon in der Früh um 6 Uhr beginnt, noch ein Stück „Kesselfleisch“ bei 80 Grad mit  in die Brennblase zu hängen. „Für einen Samstag in der Brennerei ist das ein schöner Abschluss, wenn man noch Freunde einlädt, und es einen schönen Viez oder Schnaps dazu gibt.“ Das Fleisch gare über mehrere Stunden, erklärt Lutz, in den heißen Dämpfen des letzten Edelbrandes des Tages, der in der Brennblase emporsteige. Aber schmeckt man das Fleischaroma nicht auch dann im Edelbrand, der während des Garprozesses als Dampf und Geist am Kesselfleisch vorbei emporsteigt? „Das macht man nur bei Apfelmaische, die noch dringend weg muss“, erklärt der Profi zur Kesselfleischzubereitung. Dieser spätabendliche Genuss des Schnapsbrenners mit seinen „vorwitzigen“ Gästen wird traditionell auch „Hutgespräch“ genannt. „Wenn ich brenne, sind abends oftmals Leute vorwitzig und kommen vorbei.“

Obwohl Lutz kein gelernter Brenner ist, hat er bei Edelbrandprämierungen der Landwirtschaftskammer schon zahlreiche „Kammmerpreismünzen“ abgesahnt. „Es muss nicht immer Gold sein, schon bei Bronze bist du gut.“ Doch trotz aller Auszeichnungen und Aufmerksamkeit, welche die  alte Kunst des Schnapsbrennens manchenorts noch erfährt, gehört Lutz insbesondere in seiner Tätigkeit als Lohnbrenner zu einer aussterbenden Zunft. In der 400-Einwohner-Gemeinde Fisch, die ehemals sieben Schnapsbrenner beheimatete, ist Lutz mittlerweile einer von nur noch drei Brennern. „Und der jüngste Schnapsbrenner hier ist immerhin schon 50 Jahre alt“, sagt der 63-Jährige. Den jungen Leuten fehle das Interesse an diesem uralten Handwerk, sagt Lutz, der sich nicht nur Sorgen um seine Zunft macht. Denn auch die Nachfolge für seine Brennerei, sagt der Vater von zwei Töchtern, sei noch  ungewiss. Daneben sorgt sich der Schnapsbrenner auch noch um den Erhalt der Streuobstwiesen im Saargau. Brenner  Lutz allein nennt 500 hochstämmige Obstbäume sein Eigentum. Neben Apfelsorten wie dem Rheinischen Bohnapfel sowie dem weißen und roten Trierer Holzapfel erntet er Birnen, Zwetschen, Mirabellen und Kirschen. „Bei der Ernte, die im Spätsommer beginnt, muss die ganze Familie mit anpacken.“ Das Obst wird eingemaischt, vergoren, und ab  Januar wird dann gebrannt.

 Früh am Morgen in Fisch:  Roland Lutz befüllt die Brennblase mit vergorener Apfelmaische.

Früh am Morgen in Fisch:  Roland Lutz befüllt die Brennblase mit vergorener Apfelmaische.

Foto: TV/Christian Moeris
 Zwetsche, Kirsche, Mirabelle, Apfel: Die Produktpalette des Fischer Schnapsbrenners ist vielfältig.

Zwetsche, Kirsche, Mirabelle, Apfel: Die Produktpalette des Fischer Schnapsbrenners ist vielfältig.

Foto: TV/Christian Moeris
 Und schon Roland Lutz’ Großvater Nikolaus Lutz, Dritter von links,  war ein begeisterter Schnapsbrenner.

Und schon Roland Lutz’ Großvater Nikolaus Lutz, Dritter von links,  war ein begeisterter Schnapsbrenner.

Foto: TV/Christian Moeris
 Der Fischer Brenner ist Herr über 500 Obstbäume, für deren Erhalt er sich tatkräftig einsetzt.

Der Fischer Brenner ist Herr über 500 Obstbäume, für deren Erhalt er sich tatkräftig einsetzt.

Foto: TV/Christian Moeris
 Wann der richtige Zeitpunkt für die Trennung des Vorlaufs vom Edelbrand gekommen ist, erkennt Roland Lutz am Geschmack des Destillats.

Wann der richtige Zeitpunkt für die Trennung des Vorlaufs vom Edelbrand gekommen ist, erkennt Roland Lutz am Geschmack des Destillats.

Foto: TV/Christian Moeris
 In der Edelobst-Brennerei Roland Lutz in Fisch im Saargau läuft Apfelschnaps aus dem Hahn in einen Edelstahleimer.

In der Edelobst-Brennerei Roland Lutz in Fisch im Saargau läuft Apfelschnaps aus dem Hahn in einen Edelstahleimer.

Foto: TV/Christian Moeris
   Mehr als 70 Volumenprozent Alkohol hat der Apfelschnaps, wenn er aus der Brennblase kommt. Vor dem Genuss wird er mit Wasser verdünnt.

Mehr als 70 Volumenprozent Alkohol hat der Apfelschnaps, wenn er aus der Brennblase kommt. Vor dem Genuss wird er mit Wasser verdünnt.

Foto: TV/Christian Moeris
 Bei rund 80 Grad Celsius Betriebstemperatur in der Brennblase geht die Destillation los und steigt der „Geist“ in das Dampfrohr. 

Bei rund 80 Grad Celsius Betriebstemperatur in der Brennblase geht die Destillation los und steigt der „Geist“ in das Dampfrohr. 

Foto: TV/Christian Moeris

Dem Brenner liegt es am Herzen, dass die Obstbäume im Saargau gepflegt werden und das Obst verwertet wird. „Viele Obstbaumbesitzer heben ihr Obst nicht mehr auf. Misteln siedeln sich an. Die Bäume zerbrechen. Und wenn kein Vieh unter den Bäumen weidet, dann verwildern die Streuobstwiesen“, sagt Lohnbrenner  Lutz. „Aber die Bäume müssen erhalten bleiben.“  Gleicher Meinung ist auch der Kreis Trier-Saarburg, der den Erhalt der  Streuobstwiesen ab 2022 mit weiteren 100 0000 Euro fördern will. Durch das Verarbeiten und Brennen der heimischen Obstsorten leisten auch Brenner wie Lutz einen großen Beitrag zum Erhalt der Streuobstwiesen.

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