Autor spricht über die Angst im Abendland

Konz · Der islamistische Terror, die Kölner Silvesternacht: Menschen in Deutschland verspüren Ängste. Den Ursachen der Ängste spürt der Journalist und Autor Daniel Bax nach. Seine Lesung und die anschließende Diskussion gab Antworten auf drängende Fragen.

 Daniel Bax. TV-Foto: Jürgen Boie

Daniel Bax. TV-Foto: Jürgen Boie

Foto: Jürgen Boie (jbo) ("TV-Upload Boie"

Konz. Im Pfarrsaal der St. Nikolaus-Gemeinde in Konz warteten knapp 20 Zuhörer auf die Ankunft von Daniel Bax. Der Journalist und Autor des Buches "Angst ums Abendland: Warum wir uns nicht vor Muslimen sondern vor den Islamfeinden fürchten sollten" steckte im Zug fest: ein herrenloser Koffer sorgte für eine Vollsperrung des Koblenzer Bahnhofs.
Symbolisch wurde so schon unbeabsichtigt verdeutlicht, dass die Angst ein beherrschendes Gefühl sein kann. In Bax' unfreiwilliger Verspätung die Angst vor einem Terroranschlag, der oft islamistischen Extremisten zugetraut wird. In seinem Buch verdeutlicht Bax, dass die Konflikte zwischen den Kulturen erst seit dem 11. September 2001, dem Tag der großen Terroranschläge von New York und Washington, als religiöse Konflikte interpretiert werden. Vorher sei die "Trennungslinie" eher auf der ethnischen Ebene - zwischen unterschiedlichen Völkern - verlaufen.
Seitdem habe sich in Europa und den USA, also den Ländern, die kulturell weithin als "Abendland" beschrieben werden, das Gefühl verbreitet, dass der Islam eine faschistische Ideologie sei. Der Islam strebe nach der Weltherrschaft, zumindest aber nach der Übernahme der kulturellen Vorherrschaft in den europäischen Staaten.
Diesen Ängsten Fakten und Zahlen gegenüberzustellen, führe oft nicht dazu, dass die Islamgegner ihre Gefühle und Meinungen änderten. Bei Forderungen nach einem Burka-Verbot, der verpflichtenden Teilnahme von Mädchen am Schwimmunterricht in den Schulen und ähnlichen symbolischen Bemühungen, "den Islam" zurückzudrängen, ginge es in der Regel "ums Prinzip" und nicht um eine tatsächliche Bedrohung des (christlichen) Abendlands. Doch Bax konstatiert, dass die Ängste "nun mal da" seien, auch wenn sie meistens irrational seien.
In der Diskussion zeigt sich die Problematik, den Ängsten - auch enger Freunde - Antworten entgegenzustellen. Wenn eine Frau in der Abenddämmerung joggend an einer Gruppe johlender Jugendlicher aus der nahen Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Nells Park vorbeikomme, fühle sie sich unwohl und empfinde Ängste.
Erst in einem zweiten Gedanken müsse man wohl zugeben, dass das Gefühl kaum anders wäre, wenn Trierer Jugendliche einem unflätige Worte an den Kopf werfen würden. Doch da habe meist schon die Angst vor den "muslimischen Testosteronbomben" die Überhand gewonnen.
In seinem Schlusswort betonte Bax, dass die deutsche Gesellschaft sehr gut dastehe: ökonomisch stark, friedlich, rechtsstaatlich. Damit sei sie nun mal attraktiv für Zuwanderer, denn "Migration geht dahin, wo es Lebenschancen gibt". jbo
Extra

Daniel Bax kam 1970 als Kind eines deutsch-niederländischen Paares in Brasilien zur Welt. Seine Kindheit verbrachte er in Freiburg und Berlin. "Zweimal Kulturschock", sagt Bax lächelnd. In Berlin erwachte sein Interesse für die türkische Kultur und Sprache. Es folgten Reisen in die Türkei und ein Studium der Publizistik und der Islamwissenschaften in Berlin. "Islamwissenschaft ist keine Religionswissenschaft", es ist eine Kulturwissenschaft mit gleichzeitigem Sprachstudium", stellt Bax klar. Also vergleichbar mit Sinologie für Chinesisch oder Slawistik für Russisch. Seit 15 Jahren arbeitet Bax für die Berliner tageszeitung, Ressort Inland. Seine Themen sind Migration, Integration, Minderheiten und Politik. Zurzeit ist Bax Gast des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln. Bax lebt in Berlin, ist verheiratet und hat zwei Kinder. jbo

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