Azoren-Sonne gegen Island-Frost

KORDEL. Wird es ein heißer Sommer oder ein "grün lackierter Winter"? Nach einer alten Regel soll diese Entscheidung heute am so genannten Siebenschläfertag fallen. Wehe, dieser 27. Juni ist nass und kühl – angeblich soll es dann sieben Wochen lang so weiter gehen. Alles nur ein Aberglauben? "Nicht ganz, ein wenig ist schon dran", sagen die Experten.

 Natürliche Wetterindikatoren: Erich Hein begutachtet den Wachstumstand des Fingerhuts. Foto: Friedhelm Knopp

Natürliche Wetterindikatoren: Erich Hein begutachtet den Wachstumstand des Fingerhuts. Foto: Friedhelm Knopp

Grundsätzlich unterliege die langfristige Wetterentwicklung dem Zufallsprinzip, doch gewisse Regelmäßigkeiten seien schon erkennbar. Die Uhr danach stellen könne man jedoch nicht, sagen Gerhard Lux vom Deutschen Wetterdienst (DWT) in Offenbach und der Kordeler Forstwirtschaftsmeister Erich Hein, ehrenamtlicher DWT-Wetterbeobachter. Als typische Beispiele solcher "kalendarischer Wetterphasen" werden das Weihnachtstauwetter, die Eisheiligen, die Schafskälte und auch der Siebenschläfertag genannt. "Nicht zu eng auf ein Datum begrenzen"

Lux sagt: "Mit der Siebenschläfer-Regel ist es wie mit allen kalendarischen Wetterphasen - man darf sie nicht allzu wörtlich auf ein bestimmtes Datum begrenzen." Eingeengt auf den 27. Juni sei die Regel somit falsch. Jedoch steige die Wahrscheinlichkeit für einen zu kühlen und zu feuchten Sommer tatsächlich an, wenn Ende Juni oder in der ersten Julidekade der Luftdruck über Mitteleuropa insgesamt zu tief liege. Dies sei wiederum abhängig von der Wetterentwicklung in diesen Tagen über dem Atlantik. Auch Erich Hein, der seit mehr als 25 Jahren als phänologischer Beobachter für den DWT die jahreszeitliche Entwicklung der Pflanzenwelt dokumentiert, verweist die Siebenschläfer-Regel nicht grundsätzlich in die Welt des Aberglaubens. Hein sagt: "Im Prinzip hat die Regel ihre Berechtigung. Die Frage lautet: Bildet sich Ende Juni über dem Atlantik ein stabiles Azorenhoch, das weit nach Norden reicht, oder steuert ein kräftiges Islandtief auf Wochen das mitteleuropäische Wettergeschehen?" Hein beziffert die Trefferquote dieser langfristigen Juni-Juli-Vorhersage auf 80 Prozent für den Süden Deutschlands und auf 60 Prozent für den Norden. Allerdings spielten auch Zufälle oft eine entscheidende Rolle. So habe im Frühsommer 2005 eine riesige Wolke aus Saharastaub die Atmosphäre über dem Atlantik getrübt und so eine anhaltende Hochdruckbildung über den Azoren verhindert. Die Folge seien Wochen mit relativ kühler und feuchter Sommerwitterung gewesen. Noch keine Prognose für diesen Sommer

Und wie wird der Sommer 2006? Diese Frage kann und will der Kordeler Hobby-Metereologe kurz vor Siebenschläfer nicht beantworten. "Eine ausgeprägte Bildung von Hoch- oder Tiefdruckgebieten ist auf dem Atlantik noch nicht erkennbar. Die Antwort auf die Frage dürfte sich eher in die erste Juliwoche verlagern", sagt Hein. Allerdings erinnert er erneut an das Thema "Zufallseinflüsse beim Wettergeschehen". Nach seiner Auffassung könnte die derzeit hohe Luftfeuchtigkeit in Deutschland zu anhaltenden Inlandtiefs mit starken regionalen Unterschieden führen. "Ein einheitliches Sommerwetter in Mitteleuropa dürfte eher unwahrscheinlich sein", sagt Hein. Und was ist mit der Volksweisheit, nach der auf einen harten Winter ein heißer Sommer folgt? Diese "Regel" sei schlichter Unfug, die zurückliegende Winterwitterung habe keinerlei Einfluss den folgenden Sommer, lautet die Antwort. Dies lasse sich auch statistisch eindeutig belegen.jöl

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