Barocke Kreativität

SCHWEICH. Das Neujahrskonzert in der katholischen Pfarrkirche St. Martin Schweich bildete in den vergangenen Jahren immer den Abschluss einer Konzertserie. Diesmal jedoch eröffnete es zugleich ein Jubeljahr: Seit drei Jahrzehnten ist Johannes Klar der verantwortliche Kirchenmusiker am Schweicher Gotteshaus. In dieser Zeit erwarb er sich nicht nur mit den Konzerten einen wohl klingenden Ruf.

Die musikalischen Veranstaltungen in St. Martin Schweich haben Tradition. Mit dem jüngsten Konzert wurde immerhin schon die 14. Veranstaltungsreihe beschlossen. Eine voll besetzte Kirche zeigte, wie hoch die Wertschätzung beim Publikum liegt. In diesem Jahr gestaltete Johannes Klar programmatisch einen Rückblick auf die Advents- und Weihnachtszeit.Erstauntes Ohrenspitzen

Mit seinem verstärkten Vokalensemble, einem Orchester und fünf Solisten führte er die Kantate "Wachet auf, ruft uns die Stimme" von Johann Sebastian Bach und das "Oratorio de Noël" von Camille Saint-Saëns auf. Man kennt die Kantate, BWV 140, den drängenden Rhythmus des Einleitungschores. Jedoch musste man in Schweich erstaunt die Ohren spitzen, denn dort ergab sich ein anderes Klangbild, als man es gewohnt ist. Grund dafür war neben den sauber agierenden Streichern und den sehr präsenten, aber nicht aufdringlichen Bläsern ein fast schon übermütig klingendes Orgelcontinuo, für das Professor Wolfgang Seifen die Verantwortung trug. Er hielt sich nicht an den vorgegebenen, kargen Notentext, sondern gestaltete seinen Part in barocker Kreativität erfrischender Weise neu.Ansteckende Lebendigkeit

Angesteckt von dieser Lebendigkeit bewältigte auch der Chor seine Aufgaben, sowohl bei Bach als auch im Weihnachtsoratorium. Ein ausgewogener Gesamtklang, bei dem lediglich der Alt etwas kräftiger hätte sein können, trug ebenso zu diesem positiven Gesamteindruck bei wie die kultivierte Aussprache und die angenehme Dynamik, die das Publikum erleben konnte. Bei den Solisten ergab sich kein so einheitliches Bild, wenngleich auch ihre Leistungen im überwiegenden Teil große Anerkennung verdienen. Da war zunächst Sabine Zimmermann, die mit einem glockenklaren, jubilierenden Sopran bezauberte. Mühelos schwang sie sich bei Bach und Saint-Saëns in die Höhen. In diesem Zusammenhang müssen auch die beiden Instrumentalsolisten erwähnt werden, die der Bachkantate zu ihrem nachhaltigen Eindruck verhalfen: Barbara Görgen-Mahler erwies sich als eine gefühlvolle Oboistin, die ihrem Instrument eine breite Klangpalette entlocken konnte. Schon vorher hatte Gerda Koppelkamm die Niveaulatte mit ihrer Traversflöte recht hoch gelegt. Diese Leistung konnte sie, diesmal mit Querflöte in Christoph Willibald Glucks "Reigen seliger Geister", der Klammer zwischen den beiden Chorwerken, unterstreichen. Souverän, leuchtend und Sicherheit ausstrahlend - die Attribute trafen auch auf den Auftritt von Claudia Glesius (Mezzo) zu, die kurzfristig für die erkrankte Ingrid Wagner eingesprungen war. Ein wenig mehr Volumen hätte man dem Bassisten Gerd Elsen gewünscht, der in dieser Hinsicht neben Zimmermann etwas Mühe hatte. Deutlich aber wurde, wie sehr er sich mit barocker Interpretationsweise beschäftigt hat, und dass er seine Kenntnisse auch umzusetzen weiß. Der Altistin Manuela Kopp mangelte es etwas an der Intonationssicherheit, die ihrem warmen Ton leider etwas den Reiz raubte.Beeindruckender Anfang

Als eine Enttäuschung muss man den Tenor Thomas Siessegger nicht nur wegen seiner recht engen Stimme bezeichnen. Die Art, wie er sich von unten an seine Anfangstöne heranarbeitete, mag auf der Operettenbühne vielleicht passen. Insbesondere bei einer Bachkantate ist sie genauso unangebracht wie ein übermäßiges Vibrato in der Stimme. Insgesamt war es ein beeindruckender musikalischer Anfang, den die Pfarrei St. Martin für das Kalenderjahr und Johannes Klar für sein Jubiläum setzten.

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