Baumwipfelpfad an der Cloef bei Orscholz - Vom Zankapfel zum Touristenmagneten

Mettlach/Saarburg · 250 000 Menschen haben den Baumwipfelpfad an der Cloef bei Orscholz im ersten Jahr besucht. 50 000 mehr als erwartet. Als Konkurrenz sieht die Chefin der Saar-Obermosel-Touristik den Pfad nicht. Im Gegenteil.

Höhepunkt des Baumwipfelpfades ist der 42 Meter hohe Aussichtsturm.

Höhepunkt des Baumwipfelpfades ist der 42 Meter hohe Aussichtsturm.

Foto: ARRAY(0x8b08dfe0)

Mettlach/Saarburg Erst Zankapfel, jetzt "die" Touristenattraktion im Saarland: Der anfangs wegen angeblicher Landschaftsverschandelung angefeindete Baumwipfelpfad Saarschleife in Orscholz hat mit knapp 250 000 Besuchern im ersten Jahr alle Erwartungen übertroffen und die Skeptiker verstummen lassen. Die Betreiber hatten 50 000 Gäste weniger erwartet.

Die Touristiker Birgit Grauvogel von der Tourismuszentrale Saar sagt, der Baumwipfelpfad konkurriere jetzt Kopf an Kopf mit dem Weltkulturerbe Völklinger Hütte, dem Bostalsee sowie den Zoos und Erlebnisbädern um den Titel Saarlands beliebtester Besuchermagnet. Stefanie Koch, Geschäftsführerin der Saar-Obermosel-Touristik in Saarburg, sieht das gelassen: "Der Baumwipfelpfad ist für uns keine Konkurrenz. Ich werbe sogar für ihn in der Freizeitkarte und der Gästezeitung." Kochs Strategie ist entwaffnend einfach: "Ich tue einfach so, als würde er zu uns gehören." Der Pfad tue der Region gut.

Die Besucher Momentaufnahme an einem sonnigen Werktag: schon um 11 Uhr ein nahezu voller Parkplatz am Besucherzentrum Cloef-Atrium mit Autos aus Deutschland, Frankreich, Luxemburg und Holland. Dazu zwei große rote Reisebusse von außerhalb. Ein Luxemburger Rollstuhlfahrer wird von seiner Begleiterin den barrierefreien 1,25 Kilometer langen Baumwipfelpfad ohne Mühe hinaufgeschoben. Zwischen etlichen Fußgängern schiebt auch ein junges Elternpaar seinen Kinderwagen den serpentinenartigen Baumwipfelpfad entlang. Drumherum - bis zu 23 Meter tiefer - Buchen, Eichen, Tannen und Kastanien. Die dreisprachigen Infotafeln geben Auskunft über Erdgeschichte, Wald, Totholz sowie Namen und Entstehung der berühmten Saarschleife. Nach einer knappen halben Stunde ist der über dem Aussichtspunkt Cloef gelegene 42 Meter hohe Turm mit großer Aussichtsplattform erreicht.
"Ein Landschaftswunder. Absolut klasse, hier so die Saarschleife zu sehen", schwärmt die mit einem Oldtimerclub aus der Nähe von Paderborn angereiste Johanna Rammert. Daneben steht der mit seinem Großvater gekommene zehnjährige Philipp Effelsberg und jubelt. Vom Turm, den auch schon die Tourismus-Beauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke (SPD), bestiegen hat, reicht der Blick - je nach Wetterlage - bis zu Schaumberg, Freisener Höhe, Hochwald und Vogesen. Im ersten Jahr musste der Baumwipfelpfad bis auf ein paar orkanartig stürmische Stunden nicht einen einzigen Tag ganz geschlossen werden. "Und Unfälle gab es auch nicht", sagt Standortleiterin Carina Becker.

Hintergründe Für 4,7 Millionen Euro hat die börsennotierte Erlebnis Akademie AG im bayerischen Bad Kötzting den Pfad erbaut. Das Saarland hat ihn mit 275 000 Euro für zwölf neu geschaffene Arbeitsplätze bezuschusst. Eröffnet wurde er im Juli 2016. In der vorangegangenen Planungsphase war er wegen seines gigantischen Turms anfangs so umstritten wie jedes neue Windrad im Land. "Jetzt steht das Ding und ist sowohl touristisch wie offenbar auch ökonomisch sehr erfolgreich", sagt Saarlands Grünen-Chef Markus Tressel. "Die anfängliche Kritik bezog sich nur auf das optische Erscheinungsbild. Vielleicht wäre es damals besser gewesen, den Turm, der den historischen Aussichtspunkt Cloef dominiert, 100 oder 200 Meter weiter nach links oder rechts zu versetzen".
Doch die zunächst unnatürlich wirkende Farbe des hölzernen Turmes verblasst. Es wachsen naturgerecht von unten Bäume nach. Von den vier Baumwipfelpfaden der Erlebnis Akademie AG in Deutschland sei der in Mettlach wegen seines Saarschleifen-Blicks der schönste, schwärmen kundige Besucher. "Alle Auflagen für die Inanspruchnahme eines Biotops und ökologische Ausgleichsmaßnahmen wurden eingehalten", sagt das Saar-Umweltministerium.

Resonanz "Der Baumwipfelpfad bringt auch Riesenumsatz für die Gastronomie in Orscholz", freut sich Geschäftsführer Michael Buchna vom Hotel zur Saarschleife, zugleich Schatzmeister des Gastronomieverbandes Dehoga im Saarland. Bei Villeroy und Boch in Mettlach heißt es, das V&B-Besucherzentrum und die Betreiber des Baumwipfelpfades machten gegenseitig sehr erfolgreiche Besucherwerbung für sich. Mettlachs Bürgermeister Daniel Kiefer (SPD) hört von der Eisdiele über das Restaurant Weinpost bis zur Mettlacher Abtei-Bräu "praktisch nur positive Stimmen" im Ort zum Baumwipfelpfad. "Das Parkaufkommen an der Cloef hat sich verdoppelt". Für Überlegungen, hier ein neues Hotel zu bauen, gebe es erste Interessenten.
Und welche Auswirkungen hat der Pfad auf die Verbandsgemeinde Saarburg? Stefanie Koch kann nicht sagen, ob deshalb nun auch mehr Besucher dorthin kommen. Was sie sagen kann, ist, dass in Saarburg in diesem Jahr definitiv sehr viel los sei. Aber warum die Leute da seien, wisse sie nicht. Viele Gäste besuchten die Region, würden sich also Orscholz oder die Mosel und dann eben auch Saarburg anschauen.
Freudenburgs Ortsbürgermeister Bernd Gödert: "Der Baumwipfelpfad ist in Freudenburg vielfach Gesprächsthema - sowohl auf der Straße als auch an sonstigen Treffpunkten." Er werde durchweg positiv dargestellt wegen seiner Einzigartigkeit und wegen der sich bietenden Panoramablicke vor allem über die Saarschleife. Ansonsten sei allerdings vom Besucherstrom zum Baumwipfelpfad in Freudenburg nichts zu spüren. Die Ferienwohnungen seien nicht besser belegt. Es gebe aber auch nicht mehr Verkehr.Extra: ÖFFNUNGSZEITEN


Der Baumwipfelpfad beim Cloef-Atrium in Mettlach-Orscholz ist im Sommer täglich von 9.30 Uhr bis 19 Uhr geöffnet. Eintritt für Erwachsene 10 Euro, Kinder von sechs bis vierzehn Jahren 8 Euro (am Sonntag frei), Kinder unter sechs Jahren generell freier Eintritt, Familienticket 21,50 Euro. Infos: Telefon 06865/1864810 und im Internet unter www.baumwipfelpfad-saarschleife.de Baumwipfelpfade gibt es in Deutschland bei Fischbach im Pfälzerwald, bei Ebrach im Steigerwald, Neuschönau im Bayerischen Wald, Bad Wildbad im Schwarzwald und Ostseebad Binz auf der Insel Rügen.

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