Behördenposse: Warum die Region für eine Nuklearkatastrophe nur bedingt gerüstet ist

Wincheringen/Trier/Berlin · Der Bund hat vor sechs Jahren dem Kreis Trier-Saarburg ein Fahrzeug übergeben, das zum Aufbau eines Dekontaminationsplatzes dienen soll. Stationiert ist es bei der Freiwilligen Feuerwehr in Wincheringen. Allerdings hat der Bund bis dato nicht die für das Fahrzeug vorgesehene Ausrüstung geliefert.

 Ein Exemplar dieses Fahrzeugtyps steht seit sechs Jahren in Wincheringen. Ausgestattet für den Notfall, aber noch nicht zu seinem Einsatzzweck ausgerüstet. Foto: privat

Ein Exemplar dieses Fahrzeugtyps steht seit sechs Jahren in Wincheringen. Ausgestattet für den Notfall, aber noch nicht zu seinem Einsatzzweck ausgerüstet. Foto: privat

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In seinem Thriller "Cattenom - Das Ende einer Laufzeit" beschreibt Werner Geismar, was in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem französischen Kernkraftwerk passiert, wenn es dort zu einem Supergau kommt. So sterben in dem im Jahr 2012 erschienenen Roman in der Region innerhalb von fünf Tagen 70 000 Menschen, darunter etwa 3800 in Rheinland-Pfalz. Um zu verhindern, dass die Fiktion Realität wird, sollen im Katastrophenfall Einsatzkräfte helfen, die Region zu evakuieren. Dazu würde auch ein Camp aufgeschlagen, in dem vorrangig die Menschen, die an der Rettungsaktion beteiligt wären, dekontaminiert würden.

Dekontamination würde in diesem Fall die Entfernung radioaktiver Verunreinigungen bedeuten. Zu diesem Zweck hat das Bundesinnenministerium im Jahr 2008 einen sogenannten Gerätewagen Dekontamination Personen (GW Dekon-P) an den Landkreis Trier-Saarburg übergeben. Stationiert ist das Fahrzeug bei der Freiwilligen Feuerwehr in Wincheringen.

Sechs Jahre nach dessen Auslieferung ist der Wagen immer noch nicht entsprechend den Vorgaben des Ministeriums ausgerüstet. Das bestätigt Thomas Müller, Pressesprecher des Kreises Trier-Saarburg. Auf die Frage, weshalb das Fahrzeug bislang noch nicht entsprechend seinem Einsatzzweck ausgerüstet sei, antwortet Müller: "Der Landkreis Trier-Saarburg hat keinen Einfluss auf die Beschaffung der fachspezifischen Beladung für das Fahrzeug." Das sei Aufgabe des Bundes, der für den Zivilschutz der Bevölkerung zuständig ist.

Tobias Plate, Pressesprecher des Bundesinnenministeriums, gibt an, dass das 118 000 Euro teure Fahrzeug bislang noch nicht entsprechend ausgerüstet sei, liege daran, dass relevante Vorgaben der Trinkwasserverordnung seit der Auslieferung des Fahrzeugs immer wieder verschärft worden seien. "Die immer strengeren Vorschriften der Verordnung haben die Beschaffung der Ausstattung bedauerlicherweise verzögert." Die Auslieferung der Dekontaminationsausstattung soll laut Plate bis Ende September erfolgen.

Auch Müller rechnet damit, dass der Wagen "in den nächsten Monaten" bestückt wird. Die Mitglieder der Dekontaminierungsgruppe Wincheringen seien zwischenzeitlich an der bundeseigenen Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz in Bad Neuenahr- Ahrweiler geschult worden. Der GW Dekon-P ist laut Müller bereits jetzt "behelfsmäßig mit Material zur Dekontamination von Einsatzkräften bestückt". Zwar entspreche die Beladung nicht den Vorgaben des Bundes, aber sie sei bei Einsätzen des Gefahrstoffzuges einsatzbereit. Eine Verwendung, die auch das Bundesinnenministerium ausdrücklich befürwortet. "Mit der Übergabe der Fahrzeuge haben wir den Ländern dringend benötigte Transportkapazitäten beschafft", sagt Plate.

Das in Zemmer-Rodt stationierte Mehrzweckfahrzeug Dekontamination (MZF-Dekon), für das der Landkreis verantwortlich ist, ist für Einsätze im Gefahrstoffbereich ausgestattet. Da der GW Dekon-P dem Zivilschutz dient, hat dessen Ausrüstung laut Müller einen anderen Schwerpunkt: "Mit ihm kann zum Beispiel Trinkwasser transportiert werden." Es könnten aber auch Duschen für eine Vielzahl von Rettungskräften aufgebaut werden. Mit dem in Zemmer-Rodt stationierten Mehrzweckfahrzeug sei das so nicht möglich.Meinung

Keine vernünftige Planung

Von Alexander Schumitz

Manchmal kann man sich nur verwundert die Augen reiben. So auch hier: Der Bund kauft Fahrzeuge, die im Katastrophenfall eingesetzt werden sollen, etwa um Dekontaminationsplätze einzurichten. Allerdings kann die dazu nötige Ausrüstung nicht mitgeliefert werden. Der Grund: Die Entwicklung von Rechtsvorschriften muss erst abgeschlossen sein, bevor klar ist, welchen Ansprüchen die Ausrüstung genügen muss. Das erinnert eher an einen Schildbürgerstreich als an vernünftige Planung. Umso besser, dass das Fahrzeug in diesem Jahr endlich richtig ausgestattet werden soll - und das mehr als sechs Jahre nach dessen Übergabe an den Landkreis. Denn wenn das Atomkraftwerk Cattenom einen schweren Störfall hat, wird so ein Fahrzeug dringend gebraucht. saarburg@volksfreund.de

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