Bilderbuch-Jahrgang beim Riesling

Schweich/Bernkastel-Kues · Die Rieslinglese an Saar, Mosel und Ruwer ist in vollem Gange. Die vergangenen zwei Wochen waren für die Reifeentwicklung der Trauben ideal. Die Winzer erwarten einen hervorragenden Jahrgang mit Spitzenqualitäten.

Bilderbuch-Jahrgang beim Riesling
Foto: Friedemann vetter (Ve._), Friedemann Vetter ("TV-Upload vetter"

Schweich/Bernkastel-Kues. Es ist ziemlich frisch draußen im Weinberg. Gerade einmal ein Grad über Null zeigt das Thermometer gestern Morgen gegen 9 Uhr an. Das gibt kalte Finger bei der Traubenlese. Doch diese Widrigkeit nehmen die Winzer gerne in Kauf. Denn kalte Temperaturen bedeuten, dass sich kaum schlechte Fäulnis entwickelt, die Beeren noch etwas reifen können und besonders aromatisch schmecken.Sonnig kühles Oktoberwetter


Der spätreifende Riesling ist mit einem Flächenanteil von 60 Prozent die wichtigste Rebsorte im 8700 Hektar großen Weinbaugebiet Mosel, zu dem auch die Rebflächen an den Flüssen Saar und Ruwer zählen. Er profitiert besonders von diesem sonnig, kühlen Oktoberwetter. Jetzt wird es aber Zeit für die Ernte, denn niemand weiß, wie sich das Wetter in den kommenden Wochen entwickelt. Bis Ende Oktober wollen die meisten Winzer mit der Lese fertig sein. Die Winzer sind mit der Qualität mehr als zufrieden. Es gibt sogar Stimmen, die sagen: "Das könnte ein Jahrhundertwein werden."
In der Lage Zeltinger Sonnenuhr ist die kleine Lesemannschaft von Winzer Peter Ehses fleißig bei der Ernte. Vor acht Tagen hat er mit der Rieslinglese begonnen. Noch bis Ende dieser Woche, dann hat er die Trauben "drin". Die Mostgewichte - das Maß, in dem der Zuckergehalt der Trauben gemessen wird - sind hervorragend. Sie liegen deutlich über 80 Grad Oechsle.
Weinkunden helfen Peter und Sonja Ehses bei der Lese. Doreen und Timo Schink sind aus Karlsruhe angereist. Sie kommen schon seit zehn Jahren nach Zeltingen in die Weinlese. "Das ist Aktivurlaub im allerbesten Sinn", sagt Doreen Schink, die normalerweise im Büro arbeitet. Sie genießt die frische Luft und den Blick auf die Mosel.
Auch in der Toplage Ürziger Würzgarten sind die Trauben größtenteils gesund. Winzer Markus Berres schränkt aber ein: "Im Sommer war es in dieser Lage etwas zu trocken, sonst hätten wir jetzt sogar noch höhere Mostgewichte."
Markus Molitor, Bernkastel-Wehlen, Inhaber eines der berühmtesten und größten Weingüter an der Mosel, sagt: "Wir haben für unsere Verhältnisse schon relativ früh mit der Rieslinglese begonnen. Es gibt von Parzelle zu Parzelle sehr große Reifeunterschiede." 40 Erntehelfer sind derzeit für das Weingut im Einsatz. Molitor freut sich nicht nur über die hohen Mostgewichte, sondern auch über die idealen Säurewerte. Molitor: "Ein Most mit 100 Grad Oechsle und zehn Gramm Säure - besser kann es kaum sein." Er rechnet auch mit Beeren- und Trockenbeerenauslesen. Solche seltenen Weine erzielen bei den Versteigerungen höchste Preise.
Christiane Wagner vom Weingut Dr. Wagner in Saarburg fasst die Qualität des Weins in einem Wort zusammen: "Tipptopp". Sie und ihr Team haben erst in dieser Woche mit der Lese begonnen. Ihre Toplagen an der Saar folgen in den kommenden Tagen.
Richtiggehend euphorisch ist Roman Niewodniczanski aus Wiltingen. Der Inhaber des Traditionsweingutes van Volxem verspricht "animierende Weine mit perfekter Säure. Also fantastische Weine". Erstaunt habe ihn, wie gut die Reben an der Saar mit dem trockenen Sommer klargekommen sind. "Wir ernten vollreife, gelbe Trauben", sagt Niewodniczanski. Gut für die Entwicklung der Säure, einem der Merkmale für Rieslinge von der Saar, seien die kühlen Nächte in den vergangenen Wochen gewesen.
Die Einschätzung der Winzer hinsichtlich der Qualität wird von amtlicher Seite bestätigt. Michael Lipps, Weinbauberater beim Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Mosel in Bernkastel-Kues, hat gestern die neuesten amtlichen Reifemessungen erhalten. Der in Oechslegrad gemessene Zuckergehalt der Trauben (Mostgewicht) lag Anfang dieser Woche im Schnitt beim Riesling bei 89 Grad. Allerdings gibt es von Lage zu Lage große Unterschiede. In flachen Lagen, also dort wo die Sonneneinstrahlung geringer ist, wurden um die 70 bis 75 Grad gemessen, in den Toplagen hingegen über 100 Grad.
Lipps: "Die Spanne ist sehr breit". Sicher ist: Es wird in diesem Jahr viele Spät- und Auslesen geben. Solche Weine sind in Durchschnittsjahren eher dünn gesät. Die Winzer brauchen aber auch sogenannte Guts-Rieslinge "frische, unkomplizierte Weine, die sich jedermann leisten kann." Lipps ist überzeugt: "Guts-Rieslinge mit 75 bis 80 Grad Oechsle - das sind schon feine Weine. Da können sich die Verbraucher schon jetzt drauf freuen."Bessere Wasserversorgung


Die flachen Rieslinglagen bringen nicht die hohen Qualitäten, dafür aber, wie auch in diesem Jahr, in der Regel höhere Erträge. Die tiefgründigen Böden sorgen für eine bessere Wasserversorgung der Reben, was sich in den vergangenen Monaten besonders ausgewirkt hat.
Lipps schätzt, dass in solchen Lagen die Erträge im Schnitt bei 100 Hektoliter pro Hektar liegen, während in den viel besseren Schiefer-Steillagen die Erträge deutlich niedriger sind.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort