Bittersüßes Temperament

FREUDENBURG. Wer hätte gedacht, dass Saxofon und Kontrabass auch als Percussion-Instrumente taugen? Die deutsche Combo "Quadro Nuevo" zeigte mit ihrer Mischung aus Tango und Jazz nicht nur ihre große stilistische Bandbreite, sondern überdies auch einen ausgesprochen kreativen Umgang mit den Musikinstrumenten.

 Verblüfftes Publikum: Das Quartett "Quadro Nuevo" bringt mit Mulo Francel (Saxofon), D. D. Lowka (Kontrabass) und Robert Wolf (Gitarre) – nicht im Bild: Andreas Hinterseher, Akkordeon – lateinamerikanische Rhythmen nach Freudenburg. TV-Foto: Kim-Björn Becker

Verblüfftes Publikum: Das Quartett "Quadro Nuevo" bringt mit Mulo Francel (Saxofon), D. D. Lowka (Kontrabass) und Robert Wolf (Gitarre) – nicht im Bild: Andreas Hinterseher, Akkordeon – lateinamerikanische Rhythmen nach Freudenburg. TV-Foto: Kim-Björn Becker

"Tango bitter sweet" heißt das Programm, mit dem das süddeutsche Quartett mit dem spanischen Namen derzeit auf Tournee ist. Dass die vier Musiker Deutsche sind, spielt dabei eher eine untergeordnete Rolle, sie könnten genauso aus Argentinien oder Lateinamerika kommen. Denn man muss als Zuhörer schon ausgewiesener Experte sein, um den feinen Unterschied zwischen klassischem Tango argentino und den Interpretationen von "Quadro Nuevo" zu erkennen. Saxofonist Mulo Francel beschreibt die Musik des Quartetts als "Tango aus der europäischen Perspektive". Widmungen für Busse und einen Barpianisten

Den Zuschauern im ausverkauften Ducsaal bot sich mit "Müde Sonne" gleich zu Beginn das typische Klangbild: Mit dem Akkordeon (gespielt von Andreas Hinterseher) wird der typisch lateinamerikanische Rhythmus erzeugt, darüber improvisiert Mulo Francel am Saxofon eine getragene Melodie. Mit Percussion und Kontrabass bringt D. D. Lowka mehr Tempo ins Geschehen. Überhaupt ist es der gelungene Wechsel aus schnellen, quirligen Passagen und langsamen, getragenen Stücken, der den Reiz des Konzerts ausmacht. Kurzerhand werden dann auch mal die Klangkörper von Kontrabass und Saxofon zu Percussion-Instrumenten umfunktioniert und auf alles geklopft und geschlagen, was irgendwie interessant klingt. Von Frontmann Francel erfahren die Zuschauer auch gelegentlich Anekdoten und Hintergründe zu den einzelnen Stücken - so zum Beispiel, dass die Combo einen Tango für eine befreundete Barpianistin vom ZDF-Traumschiff komponierte ("zur Aufheiterung und Abwechslung") oder ein anderes Stück dem grauen Tourbus "Ferdinand" widmete. Mit dem "Eté indien", dem indianischen Sommer, schlägt das Quartett ruhigere Töne an, und irgendwie ist die Melodie auch sofort geläufig. Der "Swing Vagabond" kommt ganz anders daher: Schnell, quirlig, fast schon nervös und wieder voller lautmalerischer Kreativität. Zu Beginn von "Miserlou" imitiert der Saxofonist den Klang eines australischen Didgeridoos und schlägt den Bogen von rein lateinamerikanischen Rhythmen zur Weltmusik. Dem osteuropäischen Tanz folgt mit "Malafemmena" schließlich der Charme Italiens. Der "Traurige Sonntag", eine ungarische Komposition, schwenkt mit dem einsam klingenden Saxofon gleichwohl wieder ins andere Extrem und bietet den Zuschauern ein virtuoses Solo des Gitarristen Robert Wolf. Die Mischung macht's - und so ist es auch wenig verwunderlich, dass jedes der bisher sechs Alben des Quartetts mit dem Deutschen Jazz-Award ausgezeichnet wurde. Auch das aktuelle Album "Tango bitter sweet" stieg mit seinem "tangoesken Gewand", wie es Saxofonist Francel formulierte, sofort in die Top-10 der Jazz- und Weltmusik-Charts ein. Das Quartett besteht schon seit 1996, ist also nicht wirklich "nuevo". Der bisher dritte Auftritt der Combo in Freudenburg begeisterte die Zuschauer allemal: "Vor allem die Abwechslung ist spannend, mal gefühlvoll, mal voller Temperament", freute sich eine Zuschauerin aus Konz. "Das ist Musik wie aus alten Zeiten", sagte ein Besucher aus Kell am See. Das süddeutsche Quartett zeigte mit seinem facettenreichen Programm, wie vielfältig lateinamerikanische Einflüsse interpretiert und mit Elementen des Jazz und der Weltmusik kombiniert werden können. Und mit einem ganz anderen Vorurteil haben sie gleichsam aufgeräumt: von wegen, Deutsche haben kein Temperament!

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