Aus dem Archiv aus aktuellem Anlass Bombenangriff in Konz 1944: „Ich habe gedacht, ich wäre im Fegefeuer“

Konz · 11. Mai 1944: Lilli Marx, geborene Rommelfanger, ist 13 Jahre alt, als am 11. Mai 1944 ein Bombenteppich über Konz 51 Leben auslöscht und die Stadt in Schutt, Asche und Feuer versinkt.

Bombenangriff im 2. Weltkrieg in Konz
Foto: Rudolf Molter

Es ist der 11. Mai 1944, 18.30 Uhr. Die Luft über Konz ist mild und klar, und die warmen Sonnenstrahlen laden dazu ein, die Kriegssorgen, wenigstens für ein paar Stunden, zu vergessen. Es ist aber auch ein besonders gefährlicher Tag, denn es ist Fliegerwetter.

Der 20-jährige Soldat Berthold Rommelfanger ist wegen einer Verletzung gerade auf Heimaturlaub in seinem Elternhaus in Konz. Er sitzt auf dem Balkon in der ersten Etage und genießt die Sonne.

Eine Etage darunter sitzen sein Vater Josef und seine kleine Schwester Ilse auf der Terrasse. Ilse (18 Jahre) schreibt bald Abitur und ihr Vater Josef, von Beruf Lehrer, lernt mit ihr. Sie ist eine begeisterte Sportlerin und eine der besten Werferinnen in ihrem Alter. Sie möchte studieren und Sportlehrerin werden.

Lilli (13 Jahre), das Nesthäkchen, sitzt mir ihrer Mutter Maria in der Küche im Erdgeschoss.

Plötzlich ertönt Fliegeralarm. Ein vertrautes Geräusch, das die wenigsten Konzer veranlasst, direkt in die Keller zu rennen und Schutz zu suchen.

„Wir hatten keine große Angst und dachten: Da kommt sicher erstmal Trier dran.“

Berthold sieht das Unglück als Erster. Eine schwarze Wolke aus Fliegern nähert sich innerhalb von Sekunden und wirft einen Teppich aus Bomben über der gesamten Stadt ab. Er handelt sofort, wählt nicht den Weg durch die Tür, sondern springt auf dem kürzesten Weg durch das Fenster. Er sprintet zu seiner Mutter und Schwester nach unten in die Küche, wirft sich gegen die Tür und ruft: „Kommt schnell in den Keller!“ Die beiden hasten die Treppe herunter. Berthold läuft wieder nach oben: „Ich muss aufs Dach. Ich sehe Brandbomben. Das Haus brennt sonst ab.“

Er überlebt. Im Keller steht die Tür weit offen und gibt Mutter und Tochter den Blick auf das, was noch von der Fabrik Zettelmeyer übrig ist, frei.

„Alles stand in Flammen. Ich habe gedacht, ich wäre im Fegefeuer.“ Die Mutter ermahnt Lilli im Keller zu bleiben und läuft in den Hof, um nach ihrem Mann und ihrer Tochter Ilse zu sehen.

Als Lilli Marx weiter erzählt zittern ihre Hände. Ihre feste Stimme wird brüchig und leise. „Jetzt kommt das Schlimmste“, sagt sie und es fällt ihr schwer weiter zu reden.

Als die Mutter in den Hof kommt, ist ihr Mann bereits tot, sein Kopf ist abgetrennt. Ihre Tochter hat ein Bein verloren und stirbt wenige Sekunden später. „Der Hitler, der Hitler“, ruft Maria Rommelfanger voller Verzweiflung und Wut aus.

„Auf einen Schlag war ein junges Leben einfach vernichtet. Ich hatte eine ungemein gute Schwester und hätte sie die ganzen Jahre noch so gerne bei mir gehabt“.

Sanitäter finden das benommene, verletzte Mädchen im Keller und bringen sie ins Pfarrhaus. Sie schütten ihr Brandwein in die Wunden. Doch sie verzieht keine Miene, empfindet keinen Schmerz.

„Ich hatte Granatsplitter in Beinen und Rücken. Aber ich habe nichts mehr gespürt. Ich habe gedacht, es wäre wegen meiner Sünden und ich wäre schon nicht mehr auf dieser Welt.“

Getrennt von der Familie bleibt sie vier Wochen im Krankenhaus. Ihre Schwester und ihr Vater werden auf dem Kriegerfriedhof bei der Kirche ohne sie beerdigt.

Zusammen mit ihrer Mutter flüchtet Lilli zu einem ihrer drei Brüder nach Heidelberg. Ihre Mutter wird depressiv, will nicht mehr leben. Bei jedem Alarm weigert sie sich, Schutz zu suchen. „Ich habe nur noch aus Furcht bestanden. Ich hatte solche Angst, auch noch meine Mutter zu verlieren und habe sie immer angefleht: Bitte Mutti, geh mit mir in den Keller.“

Lilli Marx kehrt einige Monate nach diesem 11. Mai wieder zurück nach Konz. Hunger, Kälte und Angst bestimmen ihren Alltag. Doch sie kämpft. Ihre Familie baut das Haus auf, macht es wieder bewohnbar. Lilli Marx lebt immer noch in diesem Haus, trägt die Vergangenheit immer bei sich. Zusammen mit ihrem bereits verstorbenen Mann hat sie Hunderte Bilder gemalt. Die Gemälde schmücken sämtliche Wände und legen sich wie ein bunter Farbteppich über die dunklen Erinnerungen.

Der gebürtige Konzer Wolfgang Molter hat 2009 die über 700 Seiten lange Chronik „Konz an Saar und Mosel“ geschrieben. Der 11. Mai 1944 ist in seiner Chronik unter der Überschrift: „Schicksalstag von Konz“ verzeichnet.

An diesem Tag griffen 55 amerikanische US B-17 Bomber die Stadt Konz an und warfen 147 Tonnen Spreng- und Brandbomben ab. Der Angriff galt besonders der Zettelmeyer-Fabrik, dem Umfeld von Grana-, Konstantin- und Goethestraße, dem Eisenausbesserungswerk, dem Gaswerk sowie den Brücken und Bahnanlagen von Konz. Aber auch die angrenzenden Wohngebiete waren stark betroffen. 51 Menschen starben an diesem Tag, zahlreiche wurden schwer verletzt. 1170 Bürger meldeten sich obdachlos, 38 Häuser wurden komplett zerstört.

Der Hauptalarm ertönte gegen 18 Uhr. Die Meldung lautete: „Feindliche Bomberverbände im Anflug auf Westdeutschland.“ Gegen 18.20 Uhr ertönte noch einmal der Alarm und die beunruhigende Nachricht: „Ein Teil der Bomberverbände über Luxemburg im Anflug auf Trier.“ Die Flugzeuge erschienen um kurz nach 18.30 Uhr am Himmel. Aus Richtung Wasserliesch kommend, flogen sie über Igel auf das Unterdorf von Konz zu. Die Flieger griffen drei Mal an. Beim ersten Angriff werden 36 Sprengbomben und weitere Brandbomben abgeworfen. Beim zweiten Angriff sind es Brandbomben und Phosphor. Der dritte Angriff endet mit Spreng- und Brandsätzen. Die Zerstörung dauert nur wenige Minuten. Heute erinnert ein Gräberfeld auf dem Konzer Friedhof St. Nikolaus sowie ein Ehrenmal mit den Namen der Opfer auf dem Konzer Sprung an die Katastrophe.

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