Bürger bangen um Bestnoten für Wege

Reinsfeld/Hermeskeil · Entlang der Traumschleife Frau Holle bei Reinsfeld sind etwa ein Dutzend Windräder geplant. Zwei Bürgerinitiativen fürchten, Lärm und Nähe der Anlagen könnten Abzüge bei der Bewertung des Wanderwegs bewirken. Der TV hat bei einem Prüfer nachgefragt.

Bürger bangen um Bestnoten für Wege
Foto: (h_hochw )

Reinsfeld/Hermeskeil Wanderer haben den Saar-Hunsrück-Steig jüngst zum schönsten Fernwanderweg 2017 gekürt. Der Premiumweg zwischen Mettlach, Trier, Idar-Oberstein und Boppard am Rhein führt auch durch die Verbandsgemeinde (VG) Hermeskeil. Er erhält regelmäßig Bestnoten von Prüfern des Deutschen Wanderinstituts. Alle drei Jahre schauen sie sich den Steig und die angrenzenden Traumschleifen an und vergeben ihr Zertifikat Deutsches Wandersiegel (siehe Info).

Bedenken von Bürgern Die Interessengemeinschaft (IG) Rettet den Hochwald und die Arbeitsgemeinschaft Lebenswertes Gusenburg sehen die gute Bewertung des Steigs und der Traumschleife Frau Holle in Gefahr. Denn die VG Hermeskeil will auf Flächen bei Reinsfeld, Gusenburg und Grimburg Windräder zulassen, was beide Bürgerinitiativen kritisieren (der TV berichtete mehrfach). Der Rundweg Frau Holle startet bei Reinsfeld und führt durch die Täler von Wadrill und Lauschbach (siehe Grafik). Noch seien dort "großartige Natur und ihre Stille" zu erleben, schreiben beide Initiativen in einer Pressemitteilung. Doch innerhalb des Rundwegs seien fünf, außerhalb in nächster Nähe sechs "riesige Windräder" geplant. Man befürchte eine "deutliche Abwertung" - bis zur Gefährdung des Prädikats Premiumweg.
Durch die Konzentration der Anlagen auf kleinster Fläche werde die Traumschleife "unter einem Lärmteppich begraben". Da der Hunsrücksteig zum Teil auf derselben Strecke verlaufe, wäre er von einem Punktabzug ebenfalls betroffen, schreiben die Bürger. Man riskiere eine Verlegung des Wegs, womit "ein Zugpferd für den Tourismus" verlorengehe. Der VG-Rat müsse zwischen Weg und Rotoren 200 statt 100 Meter Abstand einplanen. Dadurch sinke auch die Zahl der dort möglichen Anlagen.
Vom 11. bis 25. August hatte die VG Hermeskeil den aktuellen Stand ihres Flächennutzungsplans öffentlich ausgelegt. Behörden, Institutionen und auch Privatleute konnten dazu Einwände einreichen. Die Bürgerinitiativen haben ihre Kritik ans Rathaus geschickt. Dazu animiert habe sie auch ein Beitrag des Saarländischen Rundfunks. Dieser zitiere den Vorsitzenden des Deutschen Wanderinstituts, Klaus Erber, mit den Worten, dass für ihn Windräder an Premiumwegen nichts verloren hätten und Punktabzüge brächten.

Einschätzung des Wanderinstituts Dem TV sagt Erber auf Nachfrage, dass seine Aussagen in der 2015 erstmals ausgestrahlten Sendung "überzogen interpretiert" worden seien. Das Hauptinteresse der Wanderer sei natürlich das "Naturerlebnis".
Von daher könne sich alles, was künstlich in die Landschaft eingefügt werde, negativ auswirken. Bei der Bewertung einer Aussicht beispielsweise könnten Windräder zu einem Minuspunkt führen, sagt Erber. Es müssten aber schon eine Reihe solcher Abzüge zusammenkommen, um die Punktzahl für den gesamten Weg deutlich zu senken. Auf einen Streckenweg wie dem Saar-Hunsrück-Steig sei die Wirkung "marginal".
Frau Holle stehe 2018 wieder zur Prüfung an. Würden dort "massiv" Windräder gebaut, sagt Erber, seien zwei, drei Minuspunkte möglich. Dies könne aber durch Verbesserungen an anderer Stelle ausgeglichen werden: "Ich kann mich an keine Traumschleife erinnern, wo es in der Summe zu einem größeren Abzug kam." Auch beim Greimerather Höhenweg, der direkt unter Windrädern hindurch laufe, sei dies nicht passiert.
Erber sieht die Zertifikate für Frau Holle und den Hunsrücksteig nicht gefährdet. "Sollte es extrem schlechter werden, würde man vielleicht auf dem Abschnitt eine Streckenverlegung empfehlen." Wanderer bewerteten Windräder im Übrigen sehr unterschiedlich, sagt der Experte. Je jünger der Wanderer, desto weniger störe er sich daran.
Reaktion aus dem Rathaus Laut Michael Hülpes (CDU), Bürgermeister der VG Hermeskeil, sind insgesamt 62 Stellungnahmen zur Windkraftplanung im Rathaus eingegangen.
Der VG-Rat habe schon in der Vergangenheit versucht, auf touristische Belange Rücksicht zu nehmen. "Es war aber auch Konsens, dass wir leichte Abstufungen bei der Bewertung von Wanderwegen, so sie denn überhaupt kommen, in Kauf nehmen."
Die Traumschleife Frau Holle führe vorwiegend durch den Wald. Deshalb seien die Räder dort kaum zu sehen, allenfalls leicht zu hören, sagt Hülpes. Zudem habe man einen Korridor von 100 Metern links und rechts der Wege von Anlagen freigehalten. Zu touristischen Attraktionen wie der Burg Grimburg und dem Züscher Hammer gelte ein Mindestabstand von 1500 Metern.
Er persönlich glaube, dass eine Landschaft mit Windrädern für jüngere Generationen zur Gewohnheit werde. "Und Wanderer, die einen sanften Natur-Tourismus wollen, schauen lieber auf die Räder als auf rauchende Türme des Atomkraftwerks Cattenom."Meinung

Den Rat wird das nicht umstimmen
Es wird mit Sicherheit Wanderer geben, die Windräder in der Umgebung eines Premiumwanderwegs nicht gutheißen. Ebenso wird es solche geben, die der Anblick und auch die Geräusche der Rotoren bei ihrer Tour nicht weiter stören. Ob wegen der Räder tatsächlich massiv Besucher fernbleiben, darüber lässt sich nur spekulieren. Dass ein Verlust des Wandersiegels für die Traumschleife Frau Holle und Saar-Hunsrück-Steig und damit ein schwerer Schaden für den Tourismus drohen könnten, zu dieser Befürchtung der Bürgerinitiativen macht der Chef des Wanderinstituts allerdings klare Aussagen. Ja, es kann ein paar Minuspunkte geben. Aber die kann man an anderer Stelle ausgleichen. Und auf die Gesamtpunktzahl wird sich das nach Einschätzung des Experten ohnehin kaum auswirken. Er sieht das Siegel nicht gefährdet. Vor diesem Hintergrund wird der VG-Rat wohl kaum einen Anlass sehen, seine bisherige Haltung in der Frage zu verändern. Zumal er bei seinen vergangenen Abwägungen entschieden hat, mögliche leichte Abzüge bei den Wegen in Kauf zu nehmen. c.weber@volksfreund.deExtra: ALLE DREI JAHRE KOMMEN DIE PRÜFER

 Dieses Windrad steht bei Hinzert-Pölert. Neue Anlagen sollen unter anderem auf Flächen bei Reinsfeld entstehen – in der Nähe der Traumschleife.

Dieses Windrad steht bei Hinzert-Pölert. Neue Anlagen sollen unter anderem auf Flächen bei Reinsfeld entstehen – in der Nähe der Traumschleife.

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Das Deutsche Wanderinstitut ist ein Netzwerk aus unabhängigen Wanderexperten mit Sitz in Marburg (Hessen). Es entwickelt neue Wanderideen, vermittelt sie an Fachleute der Touristikbranche und begutachtet regionale Wanderwege. Diese werden alle drei Jahre von Experten geprüft und erhalten als Zertifikat das Deutsche Wandersiegel für Premiumwege. Die Prüfer bewerten anhand von 34 Kriterien die Stärken und Schwächen der Strecken auf jedem einzelnen Kilometer. Dabei geht es zum Beispiel um die Qualität des Wegbelags, die Beschilderung sowie Landschaft und Sehenswürdigkeiten am Weg. Es wird versucht, möglichst viele Aspekte des Wandererlebnisses in Zahlen und Punkte zu fassen. Für das Siegel müssen Tagestouren pro Kilometer durchschnittlich 45 Erlebnispunkte erreichen, lange Streckenwege 35 Punkte. Der Saar-Hunsrück-Steig ist aktuell mit 65 Punkten bewertet, die Traumschleife Frau Holle mit 73. (Quelle: Deutsches Wanderinstitut)

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