Das Leben im Dorf und seine vielen Vorzüge

Mannebach · Die wärmende, soziale Gemeinschaft wiederentdecken, ist das Ziel des Wissenschaftlers Reimer Gronemeyer. In Mannebach, wo das Saarburger Modell schon Früchte trug, bevor es so hieß, war er genau an der richtigen Adresse. Es ist auch das Thema von Ortsbürgermeister Bernd Gard. Beider Wege kreuzten sich, und heraus kam ein interessanter Vortrag.

 „So, wie sich die Gesellschaft entwickelt, kann es nicht weitergehen“: Professor Reimer Gronemeyer hält einen leidenschaftlichen Vortrag im Mannebacher Brauhaus. TV-Foto: Herbert Thormeyer

„So, wie sich die Gesellschaft entwickelt, kann es nicht weitergehen“: Professor Reimer Gronemeyer hält einen leidenschaftlichen Vortrag im Mannebacher Brauhaus. TV-Foto: Herbert Thormeyer

Foto: Herbert Thormeyer (doth), Herbert Thormeyer ("TV-Upload Thormeyer"

Mannebach. "Unsere Kinder - Was sie für die Zukunft wirklich stark macht", heißt das jüngste Buch von Professor Reimer Gronemeyer. Darin rechnet er mit der vorherrschenden gesellschaftlichen Situation ab. Auf Einladung des Mannebacher Ortsbürgermeisters Bernd Gard hielt er im Brauhaus einen Vortrag, dem rund 50 Besucher aufmerksam folgten.
"Öffentliches Grübeln"


Thomas Wallrich von der Verbandsgemeinde Saarburg stellte das Saarburger Modell vor, das in Mannebach seinen Ursprung nahm. Demografie, Gesundheit und aktive Dorfgemeinschaften sind dabei die wichtigen Stichpunkte.
Der Giessener Professor lädt zum "öffentlichen Grübeln" genau über diese Probleme ein und plädiert für eine Suchbewegung in der Gesellschaft: "Die sorgende Stadt wird bereits an vielen Orten diskutiert." Den Höhepunkt des demografischen Wandels sieht Gronemeyer im Jahre 2050 kommen.
Ein ganz wichtiger Faktor wird seiner Ansicht nach der Klimawandel sein: "Der wird uns nicht verschonen und auf Dauer auch Mannebach treffen." Beim lokalen Denken dürfe man die globalen Zusammenhänge nicht vergessen, sonst nutzen die schönen Projekte nichts.
Der Verstädterung erteilt der Soziologe eine Absage: "Das dezentrale Land Deutschland ist gut für die Wohnsituation." Es lohne sich, in einem Ort wie Mannebach zu bleiben, denn er habe Zukunft und sei nachhaltig.
Die alten sozialen Milieus leiden unter Auszehrung. Die Familie sei nur noch ein Randphänomen. Das Risiko, alt und allein zu sein, steigt. Gronemeyer spricht Ortsbürgermeister Gard aus der Seele: "Wir brauchen neue Formen des Zusammenlebens und müssen uns in neuen Lebensformen verbünden." Doch Gemeinschaft setzt auch Verzicht voraus, und das müsse jeder wieder lernen, wenn wir von der Vereinzelung heraus wollen.
Gronemeyer ist Jahrgang 1939. Seine Generation wisse noch gut, dass alles schief gehen kann. Man müsse darüber nachdenken, wie die Zukunft der Kinder aussehen soll. "Lehren Schulen eigentlich das Richtige", fragt der Hochschullehrer, und spricht von einem "universalen Rattenrennen von der Kita bis zur Uni". Menschen dürften nicht allein durch ihre Leistung beurteilt werden.
Gebraucht werden Menschen, die sensibel genug sind, Hilfsbedürftigkeit zu erkennen, das tun, was die Situation verlangt, nicht der Beruf. Schritte in Richtung einer wärmenden Gesellschaft zu tun koste doch nichts.
Gronemeyer will die Türen für einen Neuanfang öffnen, will die Chance zu einem Aufbruch nutzen, der befreit und zu Erfahrung von Friedfertigkeit führt. Alt und Jung sollten Neues erfinden.
In der anschließenden Diskussion wird immer wieder deutlich, welche Vorteile es hat, in einem sorgenden Dorf wie Mannebach zu leben. Hier gibt es mehr Lebensqualität als in Ballungsräumen, und das auch noch wesentlich preiswerter.
Würde vielleicht mehr Geld, sprich das derzeit viel diskutierte bedingungslose Grundeinkommen, helfen? Da ist Gronemeyer skeptisch: "Das scheint mir eine Art Gesamtpensionierung der Gesellschaft zu sein." Eine humane Gesellschaft brauche das nicht.
Extra

Professor Dr. Dr. Reimer Gronemeyer (76) wurde in Hamburg geboren und studierte zunächst evangelische Theologie. 1971 wurde er mit einer Arbeit zu den Paulusbriefen promoviert und war danach Pfarrer in Hamburg. Danach studierte er Soziologie und schrieb seine zweite Doktorarbeit zu Fragen der betrieblichen und gesellschaftlichen Partizipation. Seit 1976 ist er Professor für Soziologie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Er forscht zu Fragen des Alterns in der Gesellschaft mit Schwerpunkt auf Demenz, der Hospizbewegung und Palliativmedizin. Er engagiert sich auch in einer Reihe von Vereinen und Stiftungen zu diesen Fragen. doth/Quelle: wikipedia

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