Dem Haselhuhn auf der Spur: Für den seltenen Vogel werden Biotope geschaffen - aber kaum jemand hat ihn je gesehen

Serrig/Trier · Es ist klein, scheu, und es lebt in dichten Wäldern: Das Haselhuhn ist Leittierart für Niederwälder. Das heißt: Bei der Raumordnungsplanung muss auf den Vogel geachtet werden, müssen Biotope für ihn her. Aber wo lebt der Vogel überhaupt?

Serrig/Trier. Fernand Wolsfeld ist jeden Tag mehrere Stunden mit seinem Hund in den Wäldern rund um Saarburg unterwegs. "Ich sehe Rebhühner, Pfauen und etliche Wildtiere. Aber das Haselhuhn habe ich noch nie gesehen. Gibt es das in der Region überhaupt?", fragt er, nachdem er den Artikel "Ein Haselhuhn und ungelegte Eier" zur Regionalplanung der Region Trier gelesen hat (TV vom 12. September).
Darin ist das Haselhuhn als Leittierart für Niederwälder etwa für das Untere Saartal, den Wiltinger Wald sowie das Kylltal aufgeführt. Leittierart bedeutet, dass die Regionalplanung auf das Tier Rücksicht nehmen muss, etwa durch die Ausweisung von Biotopen. Die können auch in Konkurrenz stehen zu anderen Möglichkeiten der Flächennutzung, also beispielsweise Bau- oder Gewerbegebieten.
Das Haselhuhn lebt laut Regionalplanung gerne in den Hangwäldern der genannten Flusstäler, gilt als stark gefährdet und steht auf der Roten Liste. Diese Forstflächen sind Teil des vom Land im Rahmen des Landschaftsrahmenplanes ausgearbeiteten Biotopverbunds (Extra). Deshalb sollen diese Bereiche bei der weiteren Entwicklung geschützt werden. Im Haselhuhn-Biotop sind keine Bau- oder Gewerbegebiete zulässig, weshalb beispielsweise der Irscher Ortsbürgermeister Jürgen Haag (FWG) fürchtet, dass sein Ort kaum noch eine Möglichkeit hat, sich zu entwickeln.
Welche Tiere und Pflanzen den Status einer regionalen Leitart bekommen, definiert die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord im Landschaftsrahmenplan. Bei der Aufstellung des Regionalplans muss die Planungsgemeinschaft dessen Vorgaben berücksichtigen. Thomas Müller, Pressesprecher des Kreises Trier-Saarburg, betont in diesem Zusammenhang, dass die Regionalplanung nicht dem Artenschutz diene, vielmehr diene sie der "Sicherung artspezifischer Lebensräume". Laut Sandra Hansen-Spurzem, Pressesprecherin der SGD Nord, lassen sich Leitarten wie folgt definieren: "Generell werden Leitarten durch ihre besonderen Raumansprüche, die erforderlichen funktionalen Verbindungen in der Landschaft und durch ihren Gefährdungsgrad bestimmt. Durch die Entwicklung der Landschaft für die Leitarten werden zugleich die für diese Arten wichtigen Biotoptypen und die mit ihnen verbundenen Lebensgemeinschaften gesichert".
Bevorzugt soll das Haselhuhn entlang von Bächen und in Quellregionen leben, die stark strukturiert sind und eine mannigfaltige Vegetation ausweisen, etwa Weißdornbüsche, Schwarzerlen und Weiden, in denen die Tiere dann auch leben. So steht es zumindest in einem Steckbrief, der vom Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht verfasst wurde. Darin geht die Behörde davon aus, dass in Deutschland noch zwischen 1300 und 1900 Brutpaare leben, im Land sollen es mehr als 200 sein, die hauptsächlich nördlich der Nahe vorkommen.
Geeignete Niederwaldstrukturen wurden laut Müller im Bereich des Höckerbergs, westlich der K 139 zwischen Greimerath und Serrig, im Zuge des Saarausbaus geschaffen. Dieser Bereich wäre aus seiner Sicht als Lebensraum für das Haselhuhn geeignet. Ob es die Tiere überhaupt in der Region gibt, ist nicht erwiesen. Das Landschaftsinformationssystem der Naturschutzverwaltung Rheinland-Pfalz (Lanis) gibt an, dass es Haselhuhnpopulationen entlang der Saar sowie in weiten Teilen des Hunsrücks und der Eifel gibt. Versucht man genauer zu ermitteln, wo das Tier lebt, stößt man schnell an Grenzen. Die letzten dokumentierten Nachweise datieren für die Region aus dem Jahr 2009. Südlich von Neuerburg (Eifelkreis Bitburg-Prüm) sollen kürzlich Haselhühner gesichtet worden sein. Ob das tatsächlich der Fall ist, ist allerdings in der Eifel strittig. Wenn dem so wäre, wäre der Bau von zwei Windrädern bei Neuerburg aus naturschutzrechtlichen Gründen gestorben. Aus Sicht der SGD Nord steht der fünf Jahre zurückliegende Nachweis eines Haselhuhnvorkommens einer Ausweisung als Leitart nicht entgegen. "Selbst ein fehlender Nachweis, insbesondere beim Haselhuhn, wäre kein Beleg für das Nicht-Vorhandensein einer Art", sagt Hansen-Spurzem.Meinung

Sympathieträger gesucht
Naturschutz mit bestimmten Tieren oder Pflanzen zu verknüpfen, ist sinnvoll. Diese Arten eignen sich nämlich als Sympathieträger für ein bestimmtes Anliegen, etwa dem Erhalt bestimmter landschaftlicher Strukturen. Problematisch wird diese Verbindung aber dann, wenn der Sympathieträger in einer Region nicht wirklich nachweisbar ist. Das könnte zu Diskussionen führen, die sinnvolle Planungsinstrumente infrage stellen. Der fehlende Nachweis des Haselhuhns könnte eine solche Diskussion lostreten. Dabei sind die Niederwälder wichtig, bieten sie doch Raum für zahlreiche bedrohte Tier- und Pflanzenarten, die in der Region noch nachweisbar sind. Sie sind zudem ein kulturhistorisch bedeutendes Zeugnis der vielfältigen Nutzung von Wald, etwa für die Gewinnung von Lohe in der Vergangenheit. Deshalb die Bitte an die Planer: Findet ein Tier oder eine Pflanze, die typisch für das Biotop und die Region ist. Dann haben die Niederwälder eine Chance zu überleben. saarburg@volksfreund.deExtra

In einem Biotopverbund sollen einzelne Biotope so miteinander verknüpft werden, dass das Überleben bedrohter Arten gesichert ist. Mit ihrer Hilfe sollen die Populationen von Tier- und Pflanzenarten miteinander vernetzt werden. Die Schaffung entsprechender Strukturen fordert das Bundesnaturschutzgesetz. Das Konzept wird allerdings auch kritisiert, weil so auch Korridore geschaffen werden, die beispielsweise eine schnellere Verbreitung von Krankheiten fördern würden. itz

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