Den eigenen Standpunkt ausloten

KASTEL-STAADT. Für Irritationen bei einigen Einwohnern dürften die vier neuen Installationen sorgen, die seit vergangener Woche das Plateau von Kastel-Staadt schmücken. "LandMarken-StandPunkte" heißt die Arbeit des Bildhauers Roland Michel. Das Projekt läuft im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt 2007.

Wer vorhat, demnächst einen Ausflug nach Kastel-Staadt zu machen und dort über das Plateau zu wandern, sollte sich auf eine ungewöhnliche Begegnung gefasst machen. Die Gemeinde scheint "auf den Stift gekommen" zu sein: Meter hoch in die Luft ragende beziehungsweise quer liegende Bleistifte aus Holz und Edelstahl stehen und liegen mitten in der Natur. "LandMarken-StandPunkte" heißt die Arbeit des Eifeler Bildhauers Roland Michel, mit der er sich erfolgreich bei den Ausschreibungen zur Europäischen Kulturhauptstadt 2007 beworben hat. Unabhängig von diesem Großereignis wird die Installation dauerhaft in Kastel-Staadt bleiben. Eine spezielle Veranstaltung rund um die "LandMarken-StandPunkte" zum Kulturhauptstadtjahr wird es nicht geben. An vier Stellen des Plateaus hat Michel seine Standpunkte gesetzt. Ein 3,50 Meter hoher Bleistift aus V 4A, besonders rostbeständigem Edelstahl, ragt am Rand des archäologischen Rundwanderwegs in die Luft. Ein zweiter, ebenso hoher aus gleichem Material, zeigt auf dem Keltenwall gen Himmel. Ein "Bleistiftmikado" mit zehn aufgehäuften, bis zu sechs Meter langen Stiften aus Eichenholz zieht Spaziergänger auf dem Weg zum kürzlich entdeckten römischen Kulttheater in den Bann. Einige Meter höher, auf der Wiese neben dem Parkplatz, hält ein mehr als sechs Meter hohes, schräg in die Landschaft gekipptes "T" die Stellung. Von diesem "T" aus bohrt sich ein überdimensioniertes, senkrecht aufgehängtes Lot in den Boden. "Thematisch geht es um die Auseinandersetzung mit kulturhistorischen Denkmälern als sichtbaren Zeichen, die Kulturräume markieren", erläutert Roland Michel. Über die aufgestellten Einzelbleistifte würden Blickachsen definiert, über die Michel auf Denkmäler in der Umgebung hinweist. Auch die einzelnen Bleistifte des Mikadohaufens weisen jeder für sich auf eine Sehenswürdigkeit hin. Die kann im direkten Umfeld liegen, wie etwa das jüngst entdeckte römische Theater, oder wie mit der Burg in Freudenburg weiter entfernt sein. "Das ,T' steht für Treverer und dafür, dass Kastel neben Trier der bedeutendste Wohnsitz für die Kelten war", sagt Michel. "Wer vor die Installation tritt und über die Lotspitze hinaus schaut, blickt in die Richtung, in der sich je eine der drei weiteren größeren Hauptsiedlungsorte des Keltenstammes der Treverer befand." Der Titelberg in Luxemburg, Wallenborn an der Sauer sowie Pommern an der Mosel rücken auf diese Weise ins Sichtfeld. Über den Bleistift und das Lot zieht der Bildhauer eine weitere Verbindung zu Kastel-Staadt. So habe die 1997 begonnene Flurbereinigung und die Ausweisung als Grabungsschutzgebiet der Gemeinde eine völlig neue Ordnung gegeben. "Der Stift und das Lot sind nun mal wesentliche Arbeitsgeräte bei der Flurbereinigung. Der Bleistift steht für das Skizzieren, und ich skizziere mit diesen Kunst-Stiften die Kulturlandschaft. Da das Lot stets um die Mitte kreist, lassen sich darüber Standpunkte definieren. Mit meinen Installationen möchte ich ein kulturelles Orientierungssystem schaffen - daher auch der Name LandMarken-StandPunkte", erklärt der 43-Jährige. Dass einige Einwohner von Kastel-Staadt sich beim Aufbau der Installationen verdutzt die Augen gerieben und den Bürgermeister mit Fragen wie "Was steht denn da für eine Rakete?" und "Wird da ein Galgen aufgebaut?" gelöchert hätten, stört Roland Michel nicht. Im Gegenteil.80 000 Besucher pro Jahr

"Es freut jeden Künstler, wenn er mit seinem Werk neugierig macht und Fragen provoziert." Aufgeklärt würden die Bürger allerdings spätestens im kommenden Jahr. "Anfang 2007 wollen wir Text-Tafeln aufstellen und Führungen organisieren." Um interessierte Besucher muss sich der Künstler wohl kaum sorgen. "80 000 Menschen kommen jährlich nach Kastel-Staadt, um sich unsere einzigartigen Kulturdenkmäler anzusehen", sagt Ortsbürgermeister Harald Lehnertz. "Wenn wir den Besuchern über die ,LandMarken-StandPunkte' künftig eine Kunstlandkarte an die Hand geben können, wird das die Attraktivität sicher noch steigern."