Porträt Gedichte über fast ein ganzes Jahrhundert: 92-jährige Maria Noll aus Reinsfeld veröffentlicht ihr drittes Buch

REINSFELD · „Durch alle Zeiten“: Maria Noll (92) aus Reinsfeld stellt ihre gereimten Kurzgeschichten vor. Was die Lektüre vor allem Jüngeren bringt und weit mehr ist als Geschichtswissen.

 „Durch alle Zeiten“ ist das dritte Buch von Maria Noll. Sie ist besonders stolz Ursula Stimmler aus Züsch für die Illustrationen in ihrem neuen Buch gewonnen zu haben.

„Durch alle Zeiten“ ist das dritte Buch von Maria Noll. Sie ist besonders stolz Ursula Stimmler aus Züsch für die Illustrationen in ihrem neuen Buch gewonnen zu haben.

Foto: Herbert Thormeyer

Geschichte einmal anders: Maria Noll nimmt die Leser in ihrem neuen Buch „Durch alle Zeiten“ mit auf eine ganz besondere Reise. Die 92-jährige Reinsfelderin ist  leidenschaftliche Autorin und erzählt in Kurzgeschichten über ein fasst komplettes Jahrhundert hinweg ihre Wahrnehmung der Ereignisse- und zwar in Reimform. „Es ist Erlebtes, Erdachtes, Erträumtes aber auch Erhofftes aus der Sichtweise von Lebenserfahrung und Interesse am Detail“, sagt sie im Gespräch mit dem TV.

Nach den Bänden „Der Weg aus dem Schatten“ und „Rauher Wind“ ist dies das dritte Buch der Autorin. Die Lust am Schreiben zeigt sich früh. „Als ich in der Schule gerade schreiben gelernt hatte, damals noch in Sütterlin, habe ich schon kleine Geschichten verfasst“, erinnert sie sich. Erste Mundartgeschichten in Moselfränkisch entstehen, mit Übersetzung, damit es auch alle Leser verstehen.

Die beiden Enden eines roten Fadens sind im neuen Buch zwischen zwei Kriegen verknüpft, dem Zweiten Weltkrieg und dem Ukraine-Krieg. Dazwischen passen sieben Jahrzehnte Frieden mit 70 Kurzgeschichten auf 192 Seiten zwischen zwei Buchdeckel, eine Lebensgeschichte, in der die Hoffnung auf eine friedliche Zukunft mit beherrschbarem Klima am Ende die größte Rolle spielt.

Das Grauen wird besonders deutlich, als sie als 15-Jährige miterleben musste, wie 17 Menschen vor ihrer Haustür gestorben sind. „Kinder des Krieges“ heißt dieser Beitrag.

Die Leser erleben aber nicht nur die Grauen des Krieges, sondern auch die Sicht auf die Pandemie. „Man erfährt, wie ich darüber denke“, sagt die Autorin. Klar, dass das Hamstern von Klopapier während der Corona-Einschränkungen nicht unerwähnt bleibt.

„Reimen fällt mir leicht. Ich denke sogar oft in Reimen“, verrät Maria Noll, die besonders stolz ist, die Züscher Malerin und Grafikerin Ursula Stimmler für die Gestaltung ihres Buches gewonnen zu haben. 

Mit „Hallo Leben“ geht sie zurück in ihre früheste Erinnerung, zeigt auf, wie ihr Heimatdorf früher einmal ausgesehen hat, beschreibt „Frau Holle“, eine Felsformation am Ortsrand, meist mit viel Humor, denn der ist der zweite rote Faden, der sich durch ihr Leben zieht.

Als Büttenrednerin war sie ebenso beliebt wie gefürchtet, verglich Kartoffeln mit Politiker. Viele Zeitgenossen fühlten sich ertappt, denn Marias scharfem Beobachtungssinn entgeht kaum etwas. „Maria sieht alles und hört alles, sagten die Leute immer“, schmunzelt sie.

Diese Begabung führte sie durch die Eifel bis nach Mainz und Speyer zu Lesereisen. Auch sonst ist sie in der Kultur aktiv, singt im Kirchenchor und im Gemischten Chor in Reinsfeld und war Vorsitzende des Heimatvereins.

Schreiben hält die 92-Jährige, die mit Mann Alfred, dem Reinsfelder Ehrenbürger und früheren Bürgermeister, Ende Dezember Gnadenhochzeit für 70 Jahre Ehe feiert, fit im Kopf. Ja, es ist ihr ein Bedürfnis, wenn sie sich über was geärgert oder gefreut hat. Ziel war es, das Buch noch vor der Gnadenhochzeit fertigzustellen, um ohne Druck feiern zu können.

Was bringt die Lektüre für jüngere Generationen? „Das was ich hier beschreibe ist alles authentisch und nachvollziehbar“, sagt Noll. Dieses Buch sei ihr Vermächtnis und auch mitreißend gerade für Kinder.

Ihre Enkel und Urenkel wollen von ihr immer Geschichten von früher erzählt bekommen, denn das kann Maria Noll: schön erzählen. Es macht ihr Spaß zu reimen, was wiederum Bilder im Kopf erzeugt. „Mein Buch könnte auch im Kindergarten vorgelesen werden“, schlägt sie vor.

Phänomenal ist ihr Gedächtnis, was sie an einer Operation festmacht, von der sie zwar durch Beruhigungsmittel eigentlich nichts mitgekommen sollte, dennoch aber hinterher jedes Wort wusste, das da gesprochen wurde: „Das war, als ob eine Aufzeichnung mitgelaufen wäre.“

Mit dieser außergewöhnlichen Begabung lässt Maria Noll tief in ihr Leben blicken. Und wie geht es weiter? Material für neue Publikationen hat sie noch reichlich in Schränken und Vitrinen. „Ich weiß ja nicht, wie viel Zeit mir noch bleibt. Aber wenn ich noch was schreibe, wird das ein Kinderbuch“, sagt eine Autorin mit der denkbar größten Lebenserfahrung, die ein Mensch haben kann.

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