Die Gefahr lauert zu Hause

TRIER. Immer öfter muss das Kreisjugendamt zum Schutz von Kindern eingreifen, weil die Situation in manchen Familien außer Kontrolle gerät. Die Akten der Kreisverwaltung enthalten Szenarien, die betroffen machen. Alle geschilderten Fälle stammen aus 2004, die Namen aller Kinder wurden geändert.

SEXUELLER MISSBRAUCH: Der siebenjährige Richard und die vierjährige Anja lebten mit ihrer Mutter zunächst in Norddeutschland. Das dort zuständige Jugendamt verordnete eine sozialpädagogische Familienhilfe und begründete diesen Schritt mit Defiziten in Erziehung, Versorgung und Betreuung der beiden Kinder."Sexualisiertes Verhalten"

Die Mutter zog mit Richard und Anja zum Großvater in einen Ort im Landkreis Trier-Saarburg. Nach sechs Monaten verschwand die Mutter ohne ein Wort, die Kinder blieben zurück. Beim Großvater konnten Richard und Anja nicht bleiben, denn er war wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern vorbestraft. Da sie ein "merkwürdiges und sehr sexualisiertes Verhalten" zeigten, wurden sie mit richterlichem Beschluss in einem Kinderheim untergebracht. Die Suche nach Pflegefamilien läuft.SELBSTGEFÄHRDUNG: Im Alter von sechs Monaten kam Alexa in eine Pflegefamilie, weil die Mutter - selbst von einer traumatischen Kindheit mit Unterdrückung und sexueller Gewalt geprägt - mit der Versorgung des Mädchens überfordert war. Mit anderthalb Jahren kam Alexa zu ihrer Mutter, die den Vater des Mädchens inzwischen geheiratet hatte, zurück. Die Eltern bemühten sich um eine effektive Zusammenarbeit mit dem Jugendamt, aber dennoch litt die im Kreis lebende kleine Familie schnell unter massiven Erziehungsproblemen. Alexas Diagnose: ADS-Syndrom, Bindungsstörung, gestörtes Sozialverhalten. Das unberechenbar aggressive Mädchen wurde aus der Schule genommen. Eltern und Jugendamt versuchten über mehrere Jahre hinweg alles: Kontakte zur Erziehungsberatungsstelle des Bistums, Unterstützung durch einen Erziehungsbeistand, Unterbringung in einer Tagesgruppe und zuletzt in einem Heim. Es half nichts. Alexa lief immer wieder weg, mit 14 lebte sie monatelang auf der Straße. Ein Gericht verfügte eine geschlossene Heimerziehung, um zu verhindern, dass das Mädchen zu einer Gefahr für sich selbst wird.Messer und Rasierklingen

SEELISCHE BEHINDERUNG: Das Kreisjugendamt erfuhr erst von Martin (11), als seine Eltern ihn in der Kinder- und Jugendpsychiatrie unterbringen ließen. Der Junge litt am Tourette-Syndrom - die Symptome sind ein unkontrollierbares Schreien, Zucken und Zittern. Im Fall von Martin kam noch der zwanghafte Umgang mit gefährlichen Gegenständen wie Messer und Rasierklingen dazu. Der Elfjährige lebte vollkommen im Abseits und vermied jeden sozialen Kontakt. Nach mehreren Suizidversuchen, die glücklicherweise alle scheiterten, kam Martin in eine vollstationäre Einrichtung für seelisch Behinderte. Dort geht er auch zur Schule. Ein Ende seines Aufenthaltes im Heim ist momentan nicht abzusehen.

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