Die Heimkehr des Kirchenfürsten

HERMESKEIL. Kardinal Dom Aloisio Lorscheider (78) gehört zu den führendenRepräsentanten der katholischen Kirche in Lateinamerika. Die Vorfahren des Kirchenfürsten stammen aus dem Hochwaldort Rascheid. Gestern besuchte der Kardinal zum ersten Mal Hermeskeil und wurde dort herzlich empfangen.

 Im Heimatmuseum trägt sich Kardinal Lorscheider (rechts) ins goldene Buch der Stadt Hermeskeil ein. Museumsleiter Kurt Bach und Bürgermeister Michael Hülpes (links) begleiten ihn.Foto: Jörg Pistorius

Im Heimatmuseum trägt sich Kardinal Lorscheider (rechts) ins goldene Buch der Stadt Hermeskeil ein. Museumsleiter Kurt Bach und Bürgermeister Michael Hülpes (links) begleiten ihn.Foto: Jörg Pistorius

Donnerstagmorgen, kurz vor 10 Uhr: Es herrscht leichte Nervosität im Hermeskeiler Rathaus. Schon seit langer Zeit hat kein so hoher Besuch mehr das Verwaltungsgebäude betreten. Dom Aloisio Lorscheider ist eine Legende in Brasilien: 1976 wurde er Kardinal, seit 1995 ist er Erzbischof von Aparecida im brasilianischen Staat Sao Paulo. Aparecida ist die Heimat einer der meist besuchten und größten Wallfahrtskirchen der Welt, sie fasst mehr als 30 000 Gläubige. Nur der Petersdom ist noch größer. Lorscheider gilt als rastloser Kämpfer für die Armen und Benachteiligten in Staat und Gesellschaft. Deutsch ist seine Muttersprache

Wie begrüßt man einen Kardinal? Muss man sich verbeugen? Welche Anrede ist die richtige? Beim Eintreffen des mächtigen Kirchenmanns werden diese Fragen irrelevant, denn er präsentiert sich als unkomplizierter und sehr freundlicher alter Herr ganz in Schwarz mit Priesterkragen, der für jeden Anwesenden einen Händedruck und einige freundliche Worte hat. Bürgermeister Michael Hülpes und sein Büroleiter Werner Haubrich haben die Lage im Griff und heißen den Kardinal willkommen - als Anrede wählen sie "Eminenz". "Es ist eine große Freude für mich, hier zu sein", sagt der Kardinal in hervorragendem Deutsch. Obwohl geboren und aufgewachsen im brasilianischen Linha Geraldo, wurde im Elternhaus Deutsch gesprochen. "Portugiesisch dagegen, obwohl ich es besser spreche als Deutsch, ist für mich keine Mutter-, sondern eine reine Lernsprache." Lorscheiders Vorfahren stammen aus dem Hochwald. Sie wanderten im 19. Jahrhundert zusammen mit vielen Menschen aus dem Hunsrück nach Rio Grande do Sul in Südbrasilien aus. "Armut durch Kinderreichtum und Besitzsplittung waren die Gründe für das Verlassen der alten Heimat", erläutert der Hobby-Historiker Helmut Schuh aus Horath, aus dessen Feder das Papier "Die Wurzeln liegen im Hochwald - Spurensuche bei den Lorscheiders" stammt. Diese Spurensuche führt nach Rascheid, weshalb auch der Rascheider Ortsbürgermeister Gerhard Nellinger zur Begrüßungsrunde gehört. "Man nimmt an, dass der Auswanderer Johann Lorschetter unmittelbar aus Rascheid stammte", sagt der Historiker Schuh. "Seine Frau Katharina kam aus Hermeskeil." Die lange Reihe von Lorscheider-Generationen in Rascheid stützt diese Vermutung. "Es gilt als sicher, dass die Schiffsreise über den Atlantik mit dem Dreimaster Olbers über den Atlantik erfolgte", erläutert Helmut Schuh. Im März 1829 traf Familie Lorschetter in Sao Leopoldo in Südbrasilien ein - nach sechs Monaten auf hoher See. Dieser Familie entstammt auch der Kardinal. Besuch des neuen Heimatmuseums

Bürgermeister Michael Hülpes skizziert seine Verbandsgemeinde. "Wir leben hier in einer herrlichen Landschaft, aber auch uns beeinflusst die Wirtschaftskrise." Das ist jedoch nicht der einzige Gedanke, der ihn beschäftigt: "Je mehr die christlichen Werte verloren gehen, um so größer werden unsere Schwierigkeiten." "Man muss mehr ins Evangelium schauen", antwortet der Kardinal. "Das Wort Gottes gilt für die ganze Welt." Lorscheider richtet das Wort an alle Repräsentanten der Heimat seiner Vorfahren: "Die Auswanderer haben damals viele gute Eigenschaften aus dem Hochwald mitgebracht. Dadurch konnte in Brasilien viel aufgebaut werden." Parallelen zur heutigen Zeit seien schwer zu ziehen: "Heute kann man eine solche Auswanderung, einen solchen Sprung in eine völlig andere Welt nicht mehr begreifen." Der Kardinal hat nicht viel Zeit, bereits um 11.30 Uhr muss er weiter nach Trier. Ein kurzer Besuch des gerade eröffneten Heimatmuseums rundet seinen ersten Aufenthalt im Hochwald ab.

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