Die letzten Tage und Wochen des KZ Hinzert

Hinzert-Pölert · Mit zwei Fach-Vorträgen hat die Gedenkstätte SS-Sonderlager/KZ Hinzert an die Befreiung des Lagers vor 70 Jahren erinnert. Der Hungermarsch, zu dem mehr als 120 Inhaftierte gezwungen worden waren, endete erst Tage später.

 Heimatforscher Dittmar Lauer (rechts) und Steffen Reinhard von der Gedenkstätte SS-Sonderlager/KZ Hinzert zeigen eine bisher unveröffentlichte Luftaufnahme des Lagers. TV-Foto: Ursula Schmieder

Heimatforscher Dittmar Lauer (rechts) und Steffen Reinhard von der Gedenkstätte SS-Sonderlager/KZ Hinzert zeigen eine bisher unveröffentlichte Luftaufnahme des Lagers. TV-Foto: Ursula Schmieder

Hinzert-Pölert. Mitte März 1945 trafen amerikanische Soldaten im SS-Sonderlager/KZ Hinzert ein. Etliche Häftlinge waren da schon laut Zeitzeugen geflohen, berichtete Steffen Reinhard in der Gedenkstätte SS-Sonderlager/KZ Hinzert. 40 Besucher waren der Einladung der Landeszentrale für politische Bildung gefolgt. Wie sie erfuhren, endete das Martyrium für viele andere erst Tage später.Hungermarsch nach Buchenwald


120 bis 140 Männer brachen am 3. März zu einem Evakuierungsmarsch auf: wie Zugtiere vor zwei Wagen mit SS-Leuten samt Gepäck, Wertsachen und Akten gespannt. Erst in Lauterbach nahe Fulda wurde der Hungermarsch mit dem Ziel Buchenwald von Amerikanern befreit. Und zwar an Karfreitag, 30. März, was aber zumindest zwei Menschen nicht lange überlebten. Schwer erkrankt starben sie wenig später. Von drei weiteren ist bekannt, dass Wachleute sie unterwegs töteten. Andere konnten jedoch fliehen. Denn jenseits des Rheins setzten sich auch die Wachen nach und nach ab.
Das Lager Hinzert wurde am 15. oder 16. März befreit, nachdem sich die verbliebenen Wachleute nach einem morgendlichen Luftangriff davon gemacht hatten. Als die Häftlinge sich alleine sahen, machten sich viele von ihnen auf den Weg nach Hause. Eine nicht konkret bezifferte "beträchtliche Anzahl" Gefangener, ausländische und deutsche, soll damals noch im Lager gewesen sein. Andere hatten weniger Glück. Denn Heinrich Himmler hatte verfügt, kein Gefangener dürfe den Alliierten in die Hände fallen. Nicht "marschfähige" Häftlinge wie ein schwer kranker Franzose wurden daher erschossen. Auch im nahen Steinbruch sollen Männer ermordet worden sein. Das Aus des Lagers war schon im Januar absehbar, als Kommandant Paul Sporrenberg und seine SS-Wachleute durch Trierer Reservepolizisten unter Leitung von Albert Schmidt ersetzt wurden.
Die Ausführungen zu den Geschehnissen im Lager ergänzte Dittmar Lauer, der wie berichtet an der Ortschronik Hinzert-Pölert arbeitet, mit der Schilderung damaliger Ereignisse im Umfeld. Der Heimatforscher kannte eine Luftbildaufnahme des Lagers und berichtete von "Zeichen von Menschlichkeit". Auch sie sollten "bei aller unmenschlichen Härte und teuflischen Barbarei der namentlich bekannten SS-Schergen" nicht verschwiegen werden. So sei etwa Nikolaus Eiden aus Hinzert nicht der Einzige gewesen, der einen Häftling bei sich zu Hause versteckt habe. Außerdem hätten Pfarrer Arnold Fortuin und Förster Rudolf Müller Mut bewiesen. Fortuin machte keinen Hehl aus seiner Ablehnung des Nazi-Regimes und bemühte sich, Kontakte zwischen Häftlingen und ihren Familienangehörigen herzustellen. Müller bezeichneten Inhaftierte selbst als Wohltäter und Müllers Frau als "Samariterin von Hinzert". Lauer benannte zudem Orte, durch die die alliierten Streitkräfte vorrückten, und erinnerte an schwere Bombardements. So gab es über Weihnachten 1944 viele Tote und Verwundete in Reinsfeld, wo Jagdbomber ein Arbeitslager angriffen, sowie Schwerletzte nahe des Lagers Hinzert.
Am 30. Dezember wurden bei Angriffen auf Hinzert und Pölert 20 Menschen getötet, sechs Frauen, 14 Kinder und ein Mann. Unter den Toten waren auch drei junge sogenannte "Ostarbeiterinnen" und drei ihrer kleinen Kinder.
Im Februar und im März starben bei Angriffen auf Hermeskeil zudem elf Menschen an der Saarstraße sowie "viele" an der Kreuzung unterhalb der katholischen Kirche. Ebenfalls stark bombardiert wurde Thomm, wo 45 Häuser teils vollständig zerstört wurden.Extra

Das SS-Sonderlager/KZ Hinzert, ursprünglich ein sogenanntes "Polizeihaftlager" sowie später "Arbeitserziehungslager" für Westwallarbeiter, bestand von 1939 bis 1945. Ab 1940 wurden von Hinzert aus Menschen in Vernichtungslager - vorwiegend nach Buchenwald, Dachau und Natzweiler (Frankreich) - deportiert. Nachweislich kamen in Hinzert mindestens 321 Menschen ums Leben. Tatsächlich waren es aber wohl weit mehr Menschen aus Luxemburg, Belgien, Frankreich, den Niederlanden und Polen, die dort ermordet wurden oder an den Folgen von Lagerterror, Krankheit, Entkräftung oder Hunger starben. An die Opfer erinnern ein Ehrenfriedhof, eine Kapelle, ein Kreuz, das Mahnmal des ehemaligen luxemburgischen Häftlings Lucien Wercollier und das 2005 eröffnete Dokumentations- und Begegnungshaus. urs

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