"Die Leute laufen in Scharen über"

TRIER. Die Kommunen schieben ihre Langzeitarbeitslosen dem Bund zu, sagt Wirtschaftsminister Wolfgang Clement. Auch die Krankenkassen werfen den Städten und Gemeinden "Trickserei" vor. "Bei uns kann davon keine Rede sein", wettert Landrat Richard Groß. Dennoch steigen die Zahlen. Mittlerweile betreut die Arbeitsgemeinschaft des Kreises und der Agentur für Arbeit (Arge) 2407 Bedarfsgemeinschaften, im Januar waren es noch 1996.

Die Krankenkassen und der Bund werfen den Kommunen vor, nicht arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger ins Arbeitslosengeld II "abzuschieben" (der TV berichtete). Im Landkreis steigen die Zahlen: Im Januar betreute die Arge an den Standorten Trier, Saarburg, Konz und Hermeskeil 1996 so genannte "Bedarfsgemeinschaften", mittlerweile sind es 2407. "Das hat nichts mit einer einer Abschiebepolitik des Kreises und der Verbandsgemeinden zu tun", sagt Groß."Die Leute laufen von sich aus in Scharen ins Arbeitslosengeld II über."Lieber zur Arge als zum Sozialamt

Das liegt laut Groß daran, dass das Arbeitslosengeld II einschließlich Übernahme von Kosten der Unterkunft durch die Kommunen schlicht attraktiver sei als die frühere und aktuelle Sozialhilfe. Dazu Jürgen Dillmann, stellvertretender Leiter der Agentur für Arbeit Trier: "Das ist durch das neue Sozialgesetzbuch II vorgegeben. Wir praktizieren schlicht das Gesetz." Dillmann erläutert: "Jeder erwerbsfähige Hilfebedürftige über 18 Jahre kann eine eigene Bedarfsgemeinschaft bilden, auch wenn er bisher im Haushalt der Eltern gelebt hat." Außerdem falle der Gang zur Arbeitsgemeinschaft vielen leichter als der zum Sozialamt bei der Verbandsgemeinde. Zusätzlich beantragen viele Betroffene, die bereits Arbeitslosengeld beziehen, noch ergänzend aufstockende Leistungen bei der Arbeitsgemeinschaft. "Da macht der Bund ein neues Gesetz und die Kommunen sollen daran schuld sein, wenn die Leute es praktizieren", kommentierte der Landrat. Groß erinnerte an den Grundsatz "fördern und fordern": "Mehr Angebote für gemeinnützige Arbeit könnten eine Umkehr des Trends zurück in die Sozialhilfe bewirken." Unter den 2407 Bedarfsgemeinschaften in der Arbeitsgemeinschaft Trier-Saarburg gibt es fünf Fälle, die von der AOK beanstandet wurden. "Die Arge-Mitglieder sind zuversichtlich, dass diese Fälle ohne Mobilisierung der Einigungsstelle geklärt werden können", so Landrat Groß. Zwei Fälle seien bereits abgehakt, zur Klärung der restlichen drei werden ärztliche Gutachten benötigt. Das Fazit des Landrats: "Die aktuelle politische Diskussion und die Vorwürfe des Bundes und der Krankenkassen stören die bislang sehr positive Zusammenarbeit des Kreises Trier-Saarburg mit der Arbeitsagentur Trier in keiner Weise." Gerade die Zusammenführung von Leistungen und Vermittlung in einer Hand biete den Betroffenen Vorteile. "Zudem wird sich gerade bei den jungen Arbeitslosen unter 25 Jahren die nun anlaufende intensivierte Vermittlungstätigkeit positiv auswirken", kündigt der Landrat an.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort