Dornige Königinnen und schrille Primadonnen

Konz · Wenn zwei Sängerinnen gegeneinander antreten, ist das Spektakel meist perfekt. Ein Duell der Schellack-Diven verspricht, schriller Höhepunkt im Konzer Kulturprogramm für das erste Halbjahr 2015 zu werden.

Konz. Auf dem Titelblatt des Flyers zum neuen Konzer Kulturprogramm trompetet eine Frau per Megafon eine offenbar bedeutende Nachricht heraus, während unten die Silhouetten von Geiger und Cellist sichtlich die leisen Töne beschwören. Ganz so drastisch sind die Unterschiede im Angebot für die erste Hälfte 2015 allerdings nicht. Die Stadt hält sich eher an die gewachsenen und bewährten Veranstaltungs-strukturen und setzt neue Akzente mit einiger Vorsicht. Aus gutem Grund: Wer meint, mit einem Jahresetat von weniger als 30 000 Euro große Sprünge zu machen, dürfte sich bald in der finanzarmen Realität wiederfinden.
Die Orgel in der Pfarrkirche St. Nikolaus und der Roscheider Hof sind nach wie vor feste Größen im Kulturprogramm. Der Orgelzyklus beginnt am 15. März mit Konzertorganist Christoph Keller. Echo-Preisträger Christian Schmitt ist am 21. Juni dabei, und am 31. Mai locken Organist Karl-Ludwig Kreutz und das Klarinettenensemble "Souffle d\'ébène" aus Metz mit seltenen Kombinationen aus Orgel und Holzbläsern.
Der Roscheider Hof startet in die Freiluftsaison am 29. März mit der Ausstellung "Wir gehen baden". Das Freilichtmuseum zeigt sich und seine Sammlungen am 17. Mai auf dem Internationalen Museumstag und breitet am 14. Juni beim Rosenblütenfest die Farbenpracht der dornige Königinnen aus.
Das neue Jahr beginnt diesmal ganz intim im Festsaal Karthaus - mit Sängerin Claudia Dylla und Daniel Lang am Klavier (4. Januar), mit dem Trierer Albana-Quartett (11. Januar) und einem Kinderkonzert "Ich wünsch\' mir eine Klarinette" (18. Januar). Mit letzterem Konzert melden sich die "Villa Musica" und ihr künstlerischer Leiter Alexander Hülshoff im neuen Jahr zurück. Die Landesstiftung ist auch am 19. April präsent - gleichfalls im Festsaal Karthaus und unter dem Titel "Brahms in Ungarn". Sogar der Kultursommer Rheinland-Pfalz schaut an Saar und Mosel vorbei und präsentiert am 12. Juni unter dem Titel "Helden ... voll durchs Feuer" die Geschichte eines Feuerwehrmanns zwischen Größenwahn und Minderwertigkeitsgefühl. Dafür ist das Konzer Feuerwehrgerätehaus zweifellos das passende Forum.
Und wenn ein Konzertprogramm schon den Titel "Unbekannte Pfade" trägt, darf man Ungewöhnliches erwarten. Angela Simons (Cello) und Alla Fastovskaia (Klavier) haben für ihren Duo-Abend am 1. März tief in die Kiste der Cello-Klavier-Kompositionen gegriffen und Unbekanntes hervorgeholt - John Williams oder auch Frank Bridge, Lehrer des weit berühmteren Benjamin Britten. Und unter dem Motto "Ich drück\' ihr sanft die Lippen zu" begeben sich Elsbeth Reuter, Ilona Christina Schulz und Randolf Stöck, Flügel, am 7. Februar auf eine Reise in die Zeit der Schellack-Schallplatten. Zwei Opern-Primadonnen - mal im Streit, mal wieder versöhnt. Gemeinsam mit der "Helden"-Produktion gehört das Konzert in die Rubrik "Kabarett und Kleinkunst". Außerdem präsentieren Ewald Schu und Franz-Josef Rommelfanger am 25. April mit Otto Reuter und Heinz Erhardt zwei legendäre Comedy-Größen.
Auch die Bildende Kunst bleibt in Konz ein Thema. Die Galerie im Kloster Karthaus zeigt von Jörg Karrenbauer fotografische Impressionen der französischen Atlantikküste, und das im kargen, auf das Wesentliche reduzierten Schwarz-Weiß (6. bis 20. März).
Ob die Konzer Kulturfinanzierung vom allgemeinen Sparzwang erfasst wird, ist noch offen. Das entscheidet sich im Januar. Kulturamtsleiterin Marita Souville zeigt sich optimistisch: "Wir haben den Jahresetat 2014 von 28 500 Euro auch wieder für 2015 beantragt".
Infos zum Kulturprogramm gibt es im Internet unter www.konz.eu . und telefonisch im Kulturbüro der Stadt Konz unter 06501/83197 oder per E-Mail an marita.souville@konz.deMeinung

Kultur als Teil der Konzer Identität
Kultur in Konz ist kein ganz einfaches Geschäft. Für Konz und vor allem die Kultur in der Stadt hat das nahe Trier eine ausgeprägte Sogwirkung. Das Angebot im Oberzentrum übertrifft bei weitem alles, was Konz und Umgebung zu bieten haben. Mit ihrem aktuellen Programm hat die Stadt zudem ihr organisatorisches Potenzial ausgereizt und ihr finanzielles dazu. Mehr wird nicht gehen. Es gehört zu den spezifisch Konzer Problemen, dass sich in der Kultur eine echte Bürgerinitiative nicht formieren konnte - ein Anstoß Mitte der 1980er Jahre versandete damals rasch. Dabei könnte Konz sich an Wittlich orientieren. Dort besteht mit dem Kulturkreis ein privater Verein, der mit städtischer Unterstützung anspruchsvolle Konzerte veranstaltet. Die Kammermusikalische Vereinigung Trier finanziert ihre Arbeit sogar ausschließlich aus Beiträgen und Spenden. Vielleicht könnte sich die verstreute Konzer Kultur in einer ähnlichen Einrichtung sammeln - nicht als Konkurrenz zum städtischen Angebot, sondern als sinnvolle Ergänzung. Wie es um eine Stadt bestellt ist, zeigt sich immer an der Kultur. Aber auch das Umgekehrte gilt: Kultur, mit Entschiedenheit und Augenmaß betrieben, kann ein Baustein zur städtischen Identität werden, zum Gefühl, in Konz zu Hause zu sein. Dann wird auch der Sog aus Trier keine große Rolle mehr spielen. trier@volksfreund.de

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