Drei Jahre und einen Tag auf der Walz

Es sind abenteuerliche Jahre, die junge Handwerksgesellen auf der Walz erleben. Zwei von ihnen, die 28-jährige Zimmerin Vivien aus Hamburg und der 25-jährige Bäcker Daniel aus Nordfriesland, machten auf ihrer Wanderschaft Station in der Berufsbildenden Schule Saarburg. Was sie zu erzählen hatten, beeindruckte.

Saarburg. Sie legen die Nachnamen ab und ziehen die "Kluft" an. Vor 800 Jahren gingen bereits junge Handwerksgesellen auf die Walz, um Erfahrung in fremden Betrieben zu sammeln. Damals war das noch Voraussetzung, um Meister seines Faches zu werden. "Seit 200 Jahren ist es freiwillig", erklärt der 25-jährige Bäckergeselle Daniel aus Nordfriesland aufmerksam zuhörenden Schülern der Berufsbildenden Schule Saarburg bei einem spontanen Besuch.

Er ist seit zweieinhalb Jahren unterwegs, kam bereits durch elf Länder bis nach Neuseeland. Die 29-jährige Zimmerin Vivien aus Hamburg tippelt, wie das Reisen auf der Walz im Fachjargon heißt, erst seit acht Monaten durch drei Länder.

Wandergesellen sind durch Kluft gut zu erkennen



Geld wird in Betrieben der Stadt verdient, wo man gerade ist. Den Arbeitgeber möglichst oft zu wechseln ist, entgegen dem Wunsch, eine feste Stelle zu haben - für Wandergesellen eine Auszeichnung. "Nach drei Jahren und einem Tag kehren wir wieder in unsere Heimatbetriebe zurück", erklärt Daniel.

Sie sind gut zu erkennen in der Kluft mit den markanten Knöpfen und dem Hut, der vor niemandem gezogen wird und den auch niemand anfassen darf, denn sie tragen ihn mit Stolz. Die "Kluft ist unser Wohnzimmer", erklärt Vivien. Vor allem das unersetzbare Wanderbuch dürfe nicht verloren gehen.

"Lässt sich ein ehrbarer Wandergeselle etwas zuschulden kommen, wird der Ohrring vom Meister herausgerissen", warnt Daniel. Das sei dann ein "Schlitzohr", mit dem niemand mehr etwas zu tun haben möchte.

Organisiert werden die Reisen von einem sogenannten "Schacht", eine Vereinigung von Wandergesellen. Die ersten drei Monate wird ein Neuer auf der Walz von einem Erfahrenen begleitet, damit festgestellt werden kann, ob man drei Jahre und einen Tag durchhält.

Vivien und Daniel genießen es, viele Länder, Menschen und Mentalitäten kennenzulernen. "Jedes Land prägt die Menschen", sagt der Bäcker, der in der Klasse von künftigen Bauhandwerkern von seinen Erfahrungen berichtet. Unter ihnen Daniel Schmitt, der Stahlbauschlosser werden will. Der 18- Jährige meint: "Das ist alles interessant. Ich kann mir aber kaum vorstellen, so etwas zu machen." Da schon eher der 19-jährige Maurerlehrling Sascha Zimmer: "Die ersten drei Monate, das könnte ich probieren."

Verabschiedet wurden die beiden Wandergesellen mit dem Gruß "Fixe Tippelei". Das heißt ganz einfach "gute Reise".

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