Arbeitswelt Ein Bäcker ruft um Hilfe

Irsch · Jahrelang hat Manfred Wagner vergeblich einen Azubi für seine Backstube gesucht. Dann kam Sultan Mohammed zu ihm. Doch er wurde aufgefordert, in seine Heimat zurückzukehren.

 In dieser Backstube würde Sultan Mohammad (Zweiter von rechts) gerne weiter arbeiten. Ihn unterstützen (von links) Ortsbürgermeister Jürgen Haag, Kreishandwerksmeister Gerd Benzmüller, Liselotte Nadermann und Bäcker Manfred Wagner. Im Vordergrund: Brotbackkörbe.

In dieser Backstube würde Sultan Mohammad (Zweiter von rechts) gerne weiter arbeiten. Ihn unterstützen (von links) Ortsbürgermeister Jürgen Haag, Kreishandwerksmeister Gerd Benzmüller, Liselotte Nadermann und Bäcker Manfred Wagner. Im Vordergrund: Brotbackkörbe.

Foto: Marion Maier

Manfred Wagner ist außer sich, wenn es um seine Hilfskraft Sultan Mohammad geht. „So kann das nicht gehen! Wir finden hier keine Mitarbeiter und Sultan muss gehen! Was sollen wir mit unseren Betrieben machen?“

Erfolglose Azubi-Suche Wagner betreibt eine Bäckerei in Irsch, einen Familienbetrieb, der fast 100 Jahre alt ist. Sein Sohn arbeitet in der vierten Generation mit. Der Vater hat das Unternehmen mit 20 Mitarbeitern 1977 um ein Café erweitert. Jahrelang hat Wagner einen Azubi für die Bäckerei gesucht. Erfolglos. Auf Anzeigen in Zeitungen habe sich niemand gemeldet, sagt Wagner. Mit den zwei Gesellen, die das Arbeitsamt vermittelt habe, habe es von der Arbeitsmoral her nicht geklappt. Der eine habe statt fünf nur drei Tage die Woche arbeiten wollen.

Die Rettung – vorläufig Vor einem Jahr stand dann Sultan Mohammad vor Manfred Wagner und sagte: „Ich suche Arbeit, ich mache alles.“ Mohammad war 2014 aus Pakistan nach Deutschland gekommen und hatte einen Asylantrag gestellt. Während des Verfahrens arbeitete er zwei Jahre lang auf einem Bauernhof in Gerolstein. Wagner setzte den 27 Jahre alte Pakistani in der Backstube ein. Wagner ist voll überzeugt von ihm. Er sagt: „Ihm ist nichts zu viel. Er packt überall mit an und arbeitet mit Leib und Seele.“ Mohammed finanziere sich komplett selbst, habe ein Zimmer gemietet, zahle Steuern und verstehe sich gut mit seinen Kollegen in der Backstube. Doch nun dürfe er nicht mehr arbeiten und solle gehen, obwohl er doch auch eine Arbeitserlaubnis bis 2019 gehabt habe. Wagner: „Wenn ich keine Leute finde, dann können wir zumachen! Wenn es sein muss, dann gehe ich bis ganz oben hin, um Sultan hierzubehalten.“

Und Sultan Mohammad will bleiben. Ihm mache die Arbeit Spaß, sagt er – auch wenn er nachts ab 1 Uhr in der Backstube stehe. Und nicht nur das. Der Pakistani, der etwas Deutsch spricht, sagt: „Ich habe Angst, heimzugehen.“ Er komme aus einem Dorf in der Nähe von Lahore. Die pakistanischen Taliban (siehe Info) beherrschten die benachbarte Stadt. Seinen ältesten Bruder, einen von acht weiteren Geschwistern – habe er tot gefunden. Seine Mutter habe gesagt: „Du bist als nächstes dran, geh.“ Seine Eltern hätten ein Stück Land verkauft, um dem Zweitältesten die Flucht zu ermöglichen. Das Geld, das er verdiene, schicke er nach Hause, um seine Familie zu unterstützen, sagt Mohammad.

Warum Mohammad gehen soll Thomas Müller, Pressesprecher der Kreisverwaltung Trier-Saarburg, erklärt die Hintergründe zum Fall Mohammad. Sein Asylantrag sei abgelehnt. Die Klage dagegen sei bereits im September 2017 abgewiesen worden, seitdem sei er „vollziehbar“ zur Ausreise verpflichtet. Laut Müller hat die Ausländerbehörde Mohammad aufgefordert, nach Pakistan zurückzukehren. Die freiwillige Ausreise werde finanziell gefördert. Doch das Problem: Er gebe an, keine Papiere zu haben und könne deshalb nicht in Pakistan einreisen. Die Ausländerbehörde habe ihn aufgefordert, einen neuen Pass bei der Botschaft oder beim Konsulat beispielsweise in Luxemburg zu beantragen. Müller: „Wir haben auch unsere Unterstützung dabei angeboten. Aber er tut nichts.“ Bei einer solchen Nicht-Mitwirkung werde dann wie in diesem Fall ein absolutes Beschäftigungsverbot verhängt. Müller erklärt: „Wir haben keinen Spielraum, wir müssen uns an die Gesetze halten.“ Der Fall zeige, ein Asylantrag sei nicht das geeignete Mittel, um in Deutschland einreisen und arbeiten zu können. Es fehle ein Einwanderungsgesetz.

Kreishandwerksmeister kritisiert das System Auch Kreishandwerksmeister Gerd Benzmüller, an den Wagner sich in seiner Not gewandt hat, plädiert für ein Einwanderungsgesetz. Er sagt: „Das System stimmt nicht. Wir brauchen ein solches Gesetz! Wieso kann Sultan jetzt nicht ein Arbeitsvisum beantragen?“ Stattdessen müsse er ausreisen, könne in Pakistan ein Arbeitsvisum beantragen und dürfe dann im Erfolgsfall erst nach einer Sperrfrist wieder einreisen. Benzmüller spricht von fataler Politik. Dabei hat er auch den Papierkrieg, mit dem Unternehmen zu kämpfen haben, die Flüchtlinge einstellen wollen, im Blick. Er sagt: „Ich habe den Eindruck, man möchte gar nicht, dass die hier bleiben.“ Dabei habe gerade die Lebensmittelbranche zu kämpfen, insbesondere Bäcker und Fleischer.

Obermeister unterstreicht Probleme der Branche Hans-Peter Kohr, Obermeister der Bäcker-Innung im Kreis Trier-Saarburg, bestätigt die schwierige Lage seiner Zunft. Er sagt. „Ich kenne viele Betriebe, die Leute suchen und die Arbeit zurückfahren, weil sie keine finden.“ Für Bäcker sei es schwierig, weil sie nachts arbeiteten und Lehrlinge auch nicht so viel verdienten. Die kleinen Betriebe haben es laut Kohr noch mal schwerer als die großen. Auf dem Land sei es problematischer als in der Stadt, denn: Wie sollten die Lehrlinge dorthin kommen? Die Innung mache Werbung in Schulen und kooperiere auch mit den Bildungseinrichtungen. Kohr: „Immerhin gibt es nach vier Jahren einen leichten Auftrieb, ein paar Azubis mehr. Doch die Situation bleibt sehr schwierig.“

Handwerkskammer bietet Ersatz an Carl-Ludwig Centner von der Handwerkskammer Trier spricht hingegen von einer Trendumkehr bei den Bäckern. Er sagt: „Familiengeführte Bäckereien, die handwerkliche Produkte anbieten, erleben einen Auftrieb.“ Gleichzeitig unterstreicht er, dass es heute für Unternehmen nicht ausreiche, eine Anzeige zu  schalten, um Nachwuchskräfte zu finden. Die Betriebe müssten auf Ausbildungsmessen gehen, beim Speed-Dating mitmachen und sich positiv nach außen darstellen – auch in den sozialen Netzwerken. Man müsse den jungen Leuten etwas bieten.

Die Zahlen der Handwerkskammer für die vergangenen Jahre klingen hingegen eher düster. So gab es vor 20 Jahren laut Centner 190 Bäckereien im Kreis Trier-Saarburg, heute sind es 94. Die Zahl der neu eingestellten Bäcker-Azubis sank von 23 im Jahr 2013 auf 15 im vergangenen Jahr.

Prinzipiell räumt Centner ein: „Wir brauchen Zuwanderung. Wir sind auf neue Fachkräfte angewiesen.“ Der junge Pakistani sei hingegen eine Hilfskraft. Der Mann habe nur eine Duldung und deshalb auch kein Anrecht auf einen Deutschkurs gehabt und könne die lateinische Schrift nicht schreiben. Kurz: Er sei nicht ausbildungsfähig. Eine Ausbildung sei jedoch ein Argument, mit Hilfe dessen er bleiben könne.

Ansonsten weist Centner darauf hin, dass die Handwerkskammer auf den Hilferuf aus Irsch reagiert habe. Seine Mitarbeiterin habe dem Irscher vorgeschlagen, einen Deutsch-Rumänen als Azubi einzustellen. Er wolle gerne Bäcker werden.

 Der Pakistani und seine Unterstützer (von links): Ortsbürgermeister Jürgen Haag, Kreishandwerksmeister Gerd Benzmüller, Sultan Mohammed, Bäcker Manfred Wagner. Foto: Marion Maier

Der Pakistani und seine Unterstützer (von links): Ortsbürgermeister Jürgen Haag, Kreishandwerksmeister Gerd Benzmüller, Sultan Mohammed, Bäcker Manfred Wagner. Foto: Marion Maier

Foto: Marion Maier

Wie es nun weitergeht Zu dem Angebot der Handwerkskammer sagt Manfred Wagner: „Ich bin nicht abgeneigt.“ Mittlerweile sei ausgemacht, dass der Deutsch-Rumäne ein Praktikum bei ihm absolviere. Aber Wagner sagt auch: „Mir geht es immer noch darum, Sultan hierzubehalten. Man kann den Jung’ doch nicht wegschicken.“ Deshalb habe er in viele Richtungen Kontakte aufgenommen, auch zu einem Landtagsabgeordneten. Zudem solle sich die Härtefallkommission der Sache annehmen. Der Bäcker will weiter kämpfen. Theoretisch könnte er sich vorstellen, zwei Azubis auszubilden, Sultan und den Deutsch-Rumänen. Schließlich habe er ja jahrelang keinen gefunden. Doch praktisch muss er abwarten, ob die Arbeit ab dem kommenden Jahr dafür ausreicht. Denn dann öffnet um die Ecke auf dem ehemaligen Kasernengelände in Saarburg der neue Edeka – mit einer Bäckerei.

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