Ein Haus gegen das Vergessen

HINZERT-PÖLERT. Was mussten die mehr als 13 000 Häftlinge zwischen 1939 und 1945 an dieser Stätte der Unmenschlichkeit erleiden? Wer waren die Opfer, wer die Täter? Im neuen Dokumentations- und Begegnungshaus hält eine eindrucksvolle Dauerausstellung die Erinnerung an die Verbrechen und den grausamen Alltag im SS-Sonderlager/KZ Hinzert wach.

"Ihr seid hierher gekommen, um zu verrecken. Und ich gebe Euch mein Wort, dass Ihr verrecken werdet." In großen Lettern steht diese Aussage des einstigen Lagerkommandanten Paul Sporrenberg über der Station, die das grausame Wüten und die unvorstellbare Brutalität der SS-Wachmannschaften besonders eindringlich beschreibt. Die "Morde in Hinzert" sind einer von insgesamt sieben thematischen Schwerpunkten im neuen Dokumentationszentrum an der Gedenkstätte des früheren Häftlingslagers, das die Nationalsozialisten im Hochwald errichteten.


Elektronische Karten per Knopfdruck
Was sich in diesen dunkelsten Jahren deutscher Geschichte in Hinzert ereignete, zeigt eine Daueraustellung mit vielen Textdokumenten, Fotos, Filmen und vor allem mit zahlreichen Zeitzeugen-Berichten, die auf Video aufgezeichnet wurden. Was Jos Meunier, Marcel Petit, Philipp Golowatschenko und andere Häftlinge über ihre Leidenszeit in Hinzert zu erzählen haben, ist auf mehreren Monitoren zu sehen und zu hören. Um diese Filme zu aktivieren oder die Ausstellungstexte akustisch mitzuverfolgen, können die Besucher zu einem "Audio-Guide" greifen, die gewünschte Zahlenkombination eingeben und dann - in Deutsch, Englisch oder Französisch - den Beitrag ihrer Wahl abspielen.

Wer das architektonisch bemerkenswerte Gebäude betritt, wird zunächst überrascht sein. Der große, nüchtern und kühl wirkende Ausstellungsraum ist fast leer.

Die Ausnahme: In der Mitte steht ein flacher Projektionswürfel, auf dessen Oberfläche mit einem Beamer von der Decke aus einführende Informationen zum SS-Sonderlager projeziert werden. Zu sehen sind dort beispielsweise historische Fotos mit verschiedenen Ansichten des Lagers.

Per Knopfdruck erscheinen zudem elektronische Karten auf der Bodenplatte, die unter anderem die Stellung von Hinzert im nationalsozialistischen KZ-System verdeutlichen.

Besonders beklemmend sind die zittrigen Bilder eines 16-minütigen Filmes aus dem Jahr 1946, der nach Kriegsende unter anderem die Exhumierung der Leichen im Lager dokumentiert.

Bevor sich der Besucher dem Projektionswürfel zuwendet, wird sein Blick zunächst auf das große Fenster fallen, das eine komplette Seite des Gebäudes einnimmt. Ganz bewusst bricht sich dort sein Blick durch die überblendende Gegenüberstellung von Gegenwart und Vergangenheit.

Während der Besucher nämlich in der oberen Hälfte ins Freie schauen kann und die heutige Realität des Geländes mit seinen Wiesen und Windrädern erkennt, wurde im unteren Teil des Fensters eine historische Fotografie des Barackenlagers der Häftlinge angebracht. Diese Aufnahme wurde 1946 fast genau von der Stelle geschossen, an der heute das Dokumentationszentrum steht.

An den Seitenwänden des Raumes befinden sich schließlich die Texttafeln, Dokumente und Bilder zu den sieben Themenbereichen, die die Geschichte des Lagers, den alltäglichen Terror, die Täter, ihre Opfer und die Morde unter verschiedenen Gesichtspunkten beleuchten (siehe Extra II).

Die letzte Station weist über das Ende des Schreckens 1945 hinaus und erinnert an die Nachkriegszeit, die Errichtung des Friedhofs und die Erinnerungsarbeit, die seit vielen Jahren in Hinzert intensiv betrieben wird und nun auf eine neue Stufe gestellt wurde. Denn vor allem aus einem Grund wurde das Hinzert-Haus gebaut: um ein sichtbare und fassbare Stätte gegen das Vergessen einzurichten und das Versprechen einzulösen, das nicht nur für die Opfer aus Luxemburg gilt: "Dir sid net vergiess!"

Das Dokumentationszentrum ist dienstags bis freitags von 9 bis 13 Uhr sowie von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Samstags, sonntags und an Feiertagen ist das Haus von 14 bis 17 Uhr geöffnet.

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